„Die Aktion ist etwas fragwürdig“
Juso-Kreisvorsitzender Nils Ludewig sieht die Kampagne „Tritt ein, sag nein“kritisch
TUTTLINGEN - Mit dem Slogan „Tritt ein, sag nein“macht die Jugendorganisation der SPD gerade gegen die nächste Große Koalition auf Bundesebene mobil. Der JusoVorsitzende Kevin Kühnert bekommt dafür abwechselnd Anerkennung und Kritik. Was sagt die Basis zu diesem Vorgehen? Dorothea Hecht hat mit Nils Ludewig, Vorsitzender der Jusos im Kreis Tuttlingen, geredet. Herr Ludewig, was halten Sie von der Kampagne Ihres Bundesvorsitzenden? Die Aktion ist etwas fragwürdig. Das Ganze verkommt ja zum Funktionsargument, nach dem Motto: Tretet ein, stimmt für uns ab und dann macht was ihr wollt. 2013 hat die SPD auch um Mitglieder geworben, als es um die Abstimmung zur Koalition ging, aber damals ging es zumindest nicht um eine Nein-Kampagne. Sie sind also nicht auf der Linie Ihres Vorsitzenden? Nein, in dieser Form nicht. Ich würde mich allerdings schon freuen, wenn die SPD durch die Kampagne einige neue Mitglieder gewinnt, die dann auch bleiben. Wie stehen Sie selbst zu einer neuen Großen Koalition? Kritisch. Ich bin kein Freund von Regieren unter allen Bedingungen. „Hauptsache Regieren“kann nicht das Argument sein. Ich hätte mich für einen Erneuerungsprozess in der Opposition ausgesprochen. Da könnten wir unabhängiger agieren als in Regierungsverantwortung. Wenn die SPD wieder in die Koalition geht, werden wieder Wahlversprechen nicht eingehalten. Da kommt uns die Glaubwürdigkeit für potenzielle Wähler abhanden. Auf welche Versprechen beziehen Sie sich? Das Schlagwort „Mehr Gerechtigkeit“vor allem. Konkret etwa die Bürgerversicherung. Die findet mit der CDU nicht statt. Wobei die SPD in den Sondierungen ja einige Aspekte für mehr soziale Gerechtigkeit durchsetzen konnte. Das Recht auf Rückkehr aus Teilzeit und der Wegfall von Kita-Gebühren sind angedacht. Ja, aber das Versprechen, dass man insgesamt mit der SPD wieder linker wird, lässt sich in einer GroKo nicht halten. Können Sie sich denn unter irgendwelchen Umständen noch mit der GroKo anfreunden? Ich werde mich letztlich damit anfreunden müssen. Ich gehe davon aus, dass die Basis zustimmt, wenn der Koalitionsvertrag steht. Auch wenn ich mich nicht darauf freue: Die 180-Grad-Wende von der Parteispitze ist schon durch. Seitens der Union heißt es auch, dass es von ihr keine weiteren Zugeständnisse gibt. Wie werden Sie die GroKo dann begleiten? Von Juso-Seite akzeptieren wir die Meinung der Partei, aber wir werden die nächsten vier Jahre kontrovers begleiten und Entscheidungen hinterfragen. In der Diskussion um die Koalitionsverhandlungen ist Kevin Kühnert gelegentlich als Jungspund abgetan worden. Unter anderem wurde er in Talkshows geduzt. Fühlen Sie sich als Juso ernst genommen? Ich finde nicht alles, was Kühnert gemacht hat, richtig. Zum Beispiel die Riesen-und-Zwerge-Aktion beim Parteitag. Auch auf die „Tritt ein, sag nein“-Kampagne habe ich unterschiedliche Reaktionen bekommen. Ein älteres SPD-Mitglied hat mir geschrieben: „Dann tretet doch aus und geht zu den Linken.“Wenn ich mir aber die Live-Übertragung vom Parteitag angeschaut habe, dann hatte ich schon das Gefühl, dass die Wertschätzung da ist. Die Jusos werden als kritische Stimme gewürdigt.