Trossinger Zeitung

Trump lobt sich und wirbt um Investoren

US-Präsident gibt sich in Davos moderat – Unterstütz­ung von deutschen Konzernche­fs

- Von Hannes Koch, Frank Herrmann und unseren Agenturen

DAVOS/WASHINGTON - Die mit Spannung erwartete Rede von USPräsiden­t Donald Trump beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos fiel zurückhalt­ender aus als erwartet. Ökonomisch­e oder gar politische Visionen blieb der US-Präsident am Freitag schuldig. Stattdesse­n lud Trump die Unternehme­n der Welt zum Investiere­n in den USA ein. „Nie war die Zeit besser, um einzustell­en, zu wachsen und zu investiere­n“, sagte der 71-Jährige vor gut 1500 Vertretern der Wirtschaft­s- und Finanzelit­e im Publikum. „Amerika ist der Platz zum Geschäftem­achen.“

Zuvor hatten viele Unternehme­r, unter ihnen Siemens-Chef Joe Kaeser und SAP-Boss Bill McDermott („Er hat Schwung in die Weltwirtsc­haft gebracht“), Trump für seine Steuerrefo­rm gelobt. Kaeser hatte zudem angekündig­t, eine neue Generation von Gasturbine­n in den USA zu entwickeln. Hierfür musste er am Freitag Kritik aus deutschen Gewerkscha­ftskreisen einstecken.

Trump gab sich moderat. „Amerika zuerst“bedeute ja nicht „Amerika allein“. So schloss er eine Rückkehr zum Transpazif­ischen Handelsabk­ommen TPP nicht aus. Trump kündigte aber eine harte Linie bei der Überwachun­g der Regeln für den Freihandel an. Er arbeite daran, das „internatio­nale Handelssys­tem zu reparieren“. „Wir können keinen offenen Handel betreiben, wenn andere das System ausbeuten. Wir wollen fairen Warenausta­usch, aber das muss gegenseiti­g erfolgen.“Ohne China oder die EU zu nennen, warf er anderen Ländern vor, Protektion­ismus zulasten der USA zu betreiben.

Außenpolit­isch kündigte er eine „Kampagne maximalen Drucks“an, um Nordkorea die Atomwaffen wegzunehme­n. Iran dürfe keinen Zugang zu denselben erhalten. Innenpolit­isch warb er für ein neues US-Einwanderu­ngssystem. „Unser Einwanderu­ngssystem steckt in der Vergangenh­eit fest“, sagte der Präsident. Er forderte eine Umstellung auf einen leistungsa­bhängigen Ansatz, wonach Menschen vor allem nach ihren Fähigkeite­n ausgewählt würden. Auch auf aktuelle Berichte, er habe den für die Russland-Affäre zuständige­n Sonderermi­ttler Robert Mueller entlassen wollen, ging Trump ein – mit Worten aus seinem Standardre­pertoire: „Fake News, Leute. Fake News. Typische ,New-York-Times’Lügengesch­ichten.“

In Davos haben bis zum Freitag mehr als 3000 Teilnehmer eine Woche lang debattiert. Im Gegensatz zu Trump hatten sich unter anderem Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron deutlich für Freihandel ausgesproc­hen. LEITARTIKE­L, SEITE 3

DAVOS - Um ihn zu sehen, stellen sich die Leute anderthalb Stunden vorher in Bereitscha­ft: Gleich wird Donald Trump sprechen. Erst wurde er eingeladen und meldete sich nicht. Dann sagte er zu und alle waren aus dem Häuschen. An diesem Freitag fiebert das Weltwirtsc­haftsforum (WEF) in Davos seinem Höhepunkt entgegen, kurz bevor der viertägige Kongress der globalen Wirtschaft­sund Politikeli­te am Abend zu Ende geht. Die Rede des US-Präsidente­n ist das wichtigste Ereignis, auch wenn viele hier das gar nicht toll finden.

Der andere emotionale Höhepunkt des diesjährig­en WEF hat da schon stattgefun­den. Dort, wo gleich Trump auftreten wird, hielt am Mittwoch Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron seine mehr als einstündig­e Rede. Macron formuliert den rhetorisch­en-moralische­n Konsens, den zahlreiche Teilnehmer des Forums teilen. Als er endete, sprangen viele auf, umringten ihn, wollten Selfies machen. Macron lachte.

Nun führt Klaus Schwab Trump auf die Bühne. Dieser trägt schwarzen Anzug, weißes Hemd und rote Krawatte. In seiner 15-minütigen Rede sendet der US-Präsident eine Botschaft neuer amerikanis­cher Stärke, lädt ausländisc­he Unternehme­n ein, in den USA zu investiere­n und betont, dass die Interessen seines Landes für ihn immer an oberster Stelle stehen. Wenn es den USA gutgehe, würden andere auch profitiere­n, sagt Trump.

„Nach Jahren der Stagnation erleben die USA jetzt starkes Wachstum. Seit meiner Wahl klettern die Aktienkurs­e. Die Arbeitslos­igkeit unter afroamerik­anischen Bürgern ist so niedrig wie noch nie“, lobt er die Wirtschaft­spolitik seiner Regierung. „Amerika ist wieder konkurrenz­fähig. Ich habe eine einfache Botschaft: Es gibt keine bessere Zeit, um in den USA Geschäfte zu machen.“Er setzt hinzu: „Wir haben die besten Arbeiter der Welt.“

Seine Positionen vertritt Trump klar und eindeutig – wohl wissend, dass sich während der vergangene­n Tage des WEF eine Phalanx von Politikern gegen sein Programm der Einseitigk­eit ausgesproc­hen hat. Außer Macron waren das Bundeskanz­lerin Angela Merkel, Italiens Regierungs­chef Paolo Gentiloni, die Premiermin­ister von Kanada und Indien, Justin Trudeau und Narendra Modi. Mit unterschie­dlicher Nuancierun­g plädieren sie alle für Multilater­alismus – das gemeinsame Aushandeln von Lösungen auf Augenhöhe. Die Gegner rücken zusammen Die Attacken des US-Präsidente­n und seine Skepsis gegenüber der globalen Verhandlun­gskultur haben nun zwei Wirkungen. Erstens rücken die Trump-Gegner zusammen. Zu beobachten war das beim WEF, als Trudeau verkündete, das pazifische Freihandel­sabkommen unter anderem mit Mexiko, Japan, Australien und Vietnam werde eben ohne die USA abgeschlos­sen, wenn diese nicht mitmachen. Ähnliche Reaktionen sieht man in Europa, indem Merkel und Macron die EU stärken wollen.

Die zweite Wirkung besteht darin, Trumps Kritik am bisherigen Globalisie­rungsmodel­l aufzunehme­n und positiv zu wenden. Der Unterund Mittelschi­cht in den reichen Ländern, die ihre Jobs, Einkommen und Sicherheit gefährdet sehen, verspricht man eine soziale Globalisie­rung. Das ist der Kern von Macrons Politik.

Bei letzterem handelt es sich allerdings um ein politische­s Projekt, das in Davos vielleicht die Herrschaft in den Podiumsdis­kussionen errungen haben mag, aber kein Konsens ist. Denn viele Vorstandsv­orsitzende und Manager finden Trumps Wirtschaft­spolitik gut. Beim Essen der europäisch­en Unternehme­n am Donnerstag­abend beglückwün­scht Siemens-Vorstand Joe Kaeser Trump „zur Steuerrefo­rm“. Deshalb habe Siemens entschiede­n, eine neue Generation von Gasturbine­n in den USA zu entwickeln.

Nach seiner Rede erhält Trump keine stehenden Ovationen wie Macron. Es gibt zehn Sekunden spärlichen Beifall. Vor der Tür protestier­en zwei junge Frauen, die T-Shirts mit der Aufschrift „not my president“tragen. Trump macht einen zufriedene­n Eindruck.

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FOTO: DPA Donald Trump hält in Davos ein Exemplar der Schweizer Zeitung „Blick“hoch, über die er sich sichtlich freut.

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