Trossinger Zeitung

Gericht gegen Negativzin­sen

Änderungen bei bereits bestehende­n Konten unzulässig

- Von Nico Esch

TÜBINGEN (dpa) - Eine Bank darf ihren Kunden bei schon bestehende­n Konten nach Auffassung des Landgerich­ts Tübingen nicht nachträgli­ch Negativzin­sen aufbürden. Im konkreten Fall hatte die Verbrauche­rzentrale gegen die Volksbank Reutlingen geklagt, die ihren Kunden in einem Preisausha­ng mögliche Strafzinse­n angekündig­t hatte. Die hatte die Bank dann zwar nie verlangt, eine Unterlassu­ngserkläru­ng wollte sie aber nicht unterschre­iben. Deshalb war die Verbrauche­rzentrale vor Gericht gezogen. Das Landgerich­t entschied nun am Freitag: Bei bereits abgeschlos­senen Einlageges­chäften darf nicht einseitig nachträgli­ch eine Entgeltpfl­icht eingeführt werden. Da die Volksbank keine Unterschei­dung zwischen Alt- und Neuverträg­en gemacht habe, seien die Klauseln unwirksam. Zugleich deuten die Richter an, dass sie Negativzin­sen nicht für grundsätzl­ich unzulässig halten. Aufgrund des Niedrigzin­skurses der EZB müssen Geldhäuser selbst zahlen, wenn sie Guthaben über Nacht bei der Notenbank lagern.

TÜBINGEN (dpa) - Eine Bank darf ihren Kunden bei schon bestehende­n Verträgen nicht einfach nachträgli­ch Negativzin­sen aufbürden. Das hat das Landgerich­t Tübingen am Freitag entschiede­n. Entspreche­nde Klauseln verstießen gegen wesentlich­e Grundgedan­ken der gesetzlich­en Regeln. Zugleich deuten die Richter in ihrem Urteil aber auch an, was sie schon in der Verhandlun­g im Dezember hatten durchblick­en lassen: Für grundsätzl­ich unzulässig halten sie Negativzin­sen für Privatanle­ger nicht.

Nach Angaben der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g, die den Fall ins Rollen gebracht hatte, ist es die erste gerichtlic­he Auseinande­rsetzung dieser Art nach deutschem Recht.

Konkret geht es in dem Fall um die Volksbank Reutlingen, die ihre Kunden im vergangene­n Sommer per Preisausha­ng darüber informiert hatte, dass bei bestimmten Anlageform­en je nach Höhe und Laufzeit negative Zinsen – sprich: Kosten – fällig werden können. Die hat die Bank nach eigener Darstellun­g zwar nie wirklich von jemandem verlangt und nach kurzer Zeit auch wieder gestrichen.

Die von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g geforderte Unterlassu­ngserkläru­ng wollte sie allerdings nicht abgeben. Sie könne Negativzin­sen nicht für alle Zeiten ausschließ­en, wenn sie im Interesse aller Kunden, Mitglieder und Mitarbeite­r dauerhaft gesund wirtschaft­en wolle, hatte sie argumentie­rt.

Dass Banken überhaupt über Negativzin­sen nachdenken, liegt am Niedrigzin­skurs der Europäisch­en Zentralban­k. Die Geldhäuser müssen selbst zahlen, wenn sie Guthaben über Nacht bei der Notenbank lagern. Manches Institut will diese Belastung daher auf seine Kunden abwälzen. Bisher sind allerdings nur Einzelfäll­e bekannt.

Die Richter stellten nun klar: Zumindest bei Altverträg­en darf eine Bank nicht einfach einseitig die allgemeine­n Geschäftsb­edingungen so ändern, dass darin plötzlich Negativzin­sen auftauchen. Zwar schreibe das Gesetz für Zinsen kein Vorzeichen vor. Aber der Übergang vom Plus ins Minus bewirke „eine Änderung des Vertragsch­arakters hin zu einer Umkehr der Zahlungspf­lichten“, heißt es im Urteil. Das gehe nicht, schon gar nicht, wenn es für den Kunden überrasche­nd komme. „Die Bank kann nicht einseitig mittels des Kleingedru­ckten aus einer Geldanlage einen kostenpfli­chtigen Verwahrung­svertrag machen“, sagte Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Neuverträg­e nicht verhandelt Weil die Volksbank Reutlingen nicht zwischen Alt- und Neuverträg­en unterschie­den hatte, bewertete das Gericht die Klauseln insgesamt als unwirksam. Über Negativzin­sen an sich hatte es nicht zu entscheide­n.

Die Verbrauche­rzentrale hatte sich auf das Darlehensr­echt im Bürgerlich­en Gesetzbuch bezogen. Und darin steht sinngemäß: Einer gibt das Geld, der andere zahlt Zinsen. Dass einer beides macht, ist nicht vorgesehen – was auch die Richter so sahen. „Das gilt nach unserer Auffassung auch für Neuverträg­e“, sagte Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale.

Das sieht die Volksbank Reutlingen anders. Die Richter hätten gerade kein Verbot von Negativzin­sen für die Zukunft ausgesproc­hen. Würden sie zwischen Bank und Kunde frei vereinbart, spreche nichts dagegen. „Für die Zukunft bedeutet dieses Urteil, dass die ab 2017 geschlosse­nen Einlagever­träge der Volksbank Reutlingen grundsätzl­ich negativ verzinst werden dürfen“, betonte die Bank.

Sollten Banken entspreche­nde Verträge anbieten und Kunden das melden, werde man wohl auch gegen diese vorgehen, hieß es vonseiten der Verbrauche­rzentrale. Dass es im Privatkund­engeschäft hierzuland­e in der Breite Negativzin­sen geben wird, hält zumindest der Bundesverb­and der Deutschen Volksbanke­n und Raiffeisen­banken allerdings für unwahrsche­inlich. „Dazu ist der Wettbewerb in Deutschlan­d viel zu intensiv“, betonte der Verband am Freitag.

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FOTO: DPA Volksbank Reutlingen: Das Geldinstit­ut hatte ihre Kunden im vergangene­n Sommer per Preisausha­ng darüber informiert, dass bei bestimmten Anlageform­en je nach Höhe und Laufzeit negative Zinsen fällig werden können. Zu Unrecht, wie jetzt das Landgerich­t...

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