Trossinger Zeitung

Statt in Therapie auf langen Warteliste­n

Psychother­apeutenkam­mer fordert von Kassen mehr Behandlung­splätze

- Von Michael Häußler

RAVENSBURG - Menschen mit seelischen Erkrankung­en bekommen statt einer Therapiesi­tzung oftmals einen Platz auf langen Warteliste­n. Zwar ist über die Terminverm­ittlung ein schneller Sprechstun­denbesuch möglich – der ersetzt aber keine Behandlung, sondern liefert eine erste Diagnose. Der Präsident der Bundespsyc­hotherapeu­tenkammer Dietrich Munz (BPtK) fordert deshalb, dass die Krankenkas­sen 4000 weitere Behandlung­splätze schaffen sollten.

Munz sieht die Probleme vor allem auf dem Land. Dort müssten psychisch Erkrankte „noch wochen- und monatelang auf eine Psychother­apie warten“, wie er der Nachrichte­nagentur dpa sagte. Psychische Erkrankung­en würden sich dadurch verschlimm­ern, Arbeitnehm­er unter Umständen lange Zeit ausfallen. Frühzeitig­e Behandlung­en helfen nicht nur den Patienten, sondern könnten zudem Krankengel­der langfristi­g verringern, die die Krankenkas­sen zahlen müssen. Rund ein Viertel der Kosten entstehen durch psychische Erkrankung­en.

„Es gibt ein Verteilung­sproblem“, sagt Florian Lanz vom Spitzenver­band Bund der Krankenkas­sen (GKV). „Viele bleiben in den UniStädten, in denen sie studiert haben.“Gerade bei akademisie­rten Berufen sei das ein strukturel­les Problem. In den vergangene­n 20 Jahren habe sich die Zahl der Psychother­apeuten zwar um rund 45 Prozent erhöht. Die Verteilung liege aber bei der Psychother­apeutenkam­mer und der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g, so Lanz.

Mehr Therapeute­n zuzulassen ist in vielen Landkreise­n in BadenWürtt­emberg gar nicht möglich. Der Gesetzgebe­r hat da klare Vorgaben gemacht. „Ein überversor­gter Landkreis wird dann für weitere Zulassunge­n gesperrt“, sagt Kai Sonntag von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­g. So sieht es beispielsw­eise auch im Kreis Ravensburg aus. Statt 53 Therapeute­n gibt es im Kreis rund 75. Der Gesetzgebe­r hat eine Anzahl von Einwohnern festgelegt, für die ein Arzt ausreichen­d sein soll. Je mehr Ärzte es gebe, desto mehr Rezepte würden verschrieb­en, so Sonntag. „Damit entstehen höhere Kosten für das Gesundheit­swesen.“Die Politik wolle mit dem festgelegt­en Versorgung­sgrad verhindern, dass die Beitragssä­tze steigen.

Über die sogenannte Terminserv­icestelle der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g soll gewährleis­tet werden, dass Patienten dennoch innerhalb von vier Wochen einen Sprechstun­dentermin beim Facharzt oder beim Psychother­apeuten bekommen. Letztere wurden erst im April 2017 aufgenomme­n. Laut der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung sind seither die Terminanfr­agen deutlich gestiegen. Bei rund 40 Prozent der Anrufe ging es um Termine für die Psychother­apie. Damit sind diese Patienten direkt zur meistvermi­ttelten Gruppe aufgestieg­en.

Zwar kann das Problem so eingedämmt werden, die Lösung ist es aber noch nicht. Die Psychother­apeutin Maren Dietrich aus Ravensburg plädiert ebenfalls für mehr Behandlung­splätze. „Für die Versorgung der Patienten bringt die Sprechstun­de nicht viel. Die Therapeute­n werden dadurch ja nicht mehr“, sagt sie. Eine Garantie für einen anschließe­nden Therapiepl­atz gebe es zudem auch nicht, ergänzt ihre Kollegin Gertrud Rimmele, ebenfalls aus Ravensburg. Eine Therapie würde dann aber mehrere Sitzungen – je nach Erkrankung – erfordern. In der Sprechstun­de, die von der Serviceste­lle vermittelt wird, kann eine Diagnose erstellt und ein erstes Vertrauens­verhältnis zwischen Therapeut und Patient hergestell­t werden. Wer sich in einer akuten Krise befindet, dem können Therapeute­n unter Umständen auch schon in einer der Sprechstun­den helfen.

Das bestätigt auch Sonntag. Bei den Psychother­apeuten müsse man außerdem beachten, dass die Behandlung­en – also die Therapie – längere Zeit in Anspruch nehmen, als beispielsw­eise der Besuch beim Hausarzt. Um die Warteliste­n zu umgehen, rät er: „Radius erweitern und eventuell weiter fahren.“

Aus Expertenkr­eisen kommt aber auch Kritik an den Therapeute­n. Manche hätten zu lange Behandlung­szeiten. Das Konzept sollte da – je nach Patient – eventuell überdacht werden, ob es angemessen sei. Vor allem bei den Psychoanal­ytikern, heißt es.

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FOTO: DPA Um auf die Couch zu kommen, müssen Patienten oft auf langen Warteliste­n ausharren.

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