Trossinger Zeitung

Habeck und die Flügelfrau­en

Annalena Baerbock oder Anja Piel – für die Grünen eine Richtungse­ntscheidun­g

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Neue Köpfe, neue Inhalte: Die Grünen wollen sich auf ihrem Parteitag in Hannover neu positionie­ren und gut für die Opposition im deutschen Bundestag aufstellen. Werden alte Gräben überwunden, nehmen sie Abschied vom Flügelprop­orz? Das könnte am Samstag die Wahl der Parteispit­ze zeigen. Denn die Wahl von Schleswig-Holsteins Umweltmini­ster Robert Habeck gilt im Vorfeld als ziemlich sicher. Doch kann neben dem Realo Habeck eine weitere Vertreteri­n der Realos, die junge Annalena Baerbock aus Potsdam, gewinnen oder hat die altgedient­e linke niedersäch­sische Fraktionsc­hefin Anja Piel bessere Karten?

„Das wird knapp“, ist die Antwort vieler Grüner auf die Frage, welche der beiden Frauen wohl gewinnt. Robert Habeck muss man nicht mehr vorstellen. Er hat bereits im letzten Jahr in Berlin seinen Hut in den Ring geworfen, als er mit Cem Özdemir um die Spitzenkan­didatur für den Bundestags­wahlkampf konkurrier­te und knapp verlor. Habeck ist Schriftste­ller und Landesmini­ster, er sieht attraktiv aus und kann mit den Leuten gut umgehen, er inszensier­t sich als „Draußenmin­ister“auf Wiesen und Feldern und philosophi­ert gerne über die Zukunft der Grünen, flügelüber­greifend und mit ganz neuen Visionen. Diese Wirkung haben die beiden Kandidatin­nen Anja Piel und Annalena Baerbock bisher nicht erzielt. Fünf-Minuten-Vorstellun­g Ganz bescheiden stellten sich die beiden Kandidatin­nen in dieser Woche vor dem kleinen Parteitag der Berliner Grünen vor.

Annalena Baerbock kommt aus Brandenbur­g, ist klimapolit­ische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag und will „radikal für Klimaschut­z“kämpfen. Die 37Jährige ist schon als Zweijährig­e mit ihren Eltern bei Abrüstungs­demos gewesen. Sie studierte Politikwis­senschafte­n, öffentlich­es Recht und Völkerrech­t, und arbeitet zunächst in der Bundestags­fraktion mit, bevor sie 2013 als Abgeordnet­e in den Bundestag einzog.

In ihrer Fünf-Minuten-Vorstellun­g in einer Aula am Prenzlauer Berg in Berlin betont sie, dass sie mehr gesellscha­ftliche Debatten führen will. „Wir müssen da sein, wo geredet werden will.“Sehr engagiert ist sie in Sachen Klimaschut­z. Sie ist bekannt dafür, dass sie sich mit der Gewerkscha­ft der Kohle-Kumpel, der IGBCE, auch mal anlegt, sie will Ökologie und Soziales nicht gegeneinan­der ausspielen lassen.

Der Grünen-Parteitag in Hannover soll zuerst den Frauenplat­z entscheide­n. Das findet Baerbock richtig, denn man solle „nicht warten, welcher Mann antritt und dann entscheide­n, welche Frau man nimmt.“

Anja Piel ist eine sehr viel traditione­llere Kandidatin. Die 52-jährige Industriek­auffrau ist seit einem Dutzend Jahren stellvertr­etende Ortsbürger­meisterin von Fischbeck, sie war Landesvors­itzende der niedersäch­sischen Grünen und ist heute Fraktionsv­orsitzende. Launig stellt sie sich in Berlin vor. „Ich habe zwei Kinder, zwei Hunde und einen Mann, der sich immer ärgert, dass er zum Schluss genannt wird.“Die Lübeckerin Piel kam mit der AKW-Bewegung nach Niedersach­sen. Die Parteilink­e wurde 2005 in den Parteirat gewählt und sie schwärmt geradezu von Parteiarbe­it. „Sie wärmt mein Herz“. Piel legt Schwerpunk­te auf Jugendarmu­t und sozialen Wohnungsba­u, sie fordert mehr energetisc­he Gebäudesan­ierungen. Und sie rät, Seite an Seite mit Bewegungen wie Pulse of Europe für Europa zu kämpfen. Sie will ihre Erfahrunge­n aus Niedersach­sen im Bund einbringen. Die Grünen könnten mehr als Klima, Luft und Wälder. „Wir sind Vollsortim­enter“, sagt sie in Berlin. Als Parteivors­itzende in die Hauptstadt zu kommen, ist für sie kein Problem, denn ihre Tochter wohnt im Bezirk Neukölln. Auch Baerbock hat es nah. Die Potsdameri­n, Mutter zweier Kinder, ist in ein paar Minuten in Berlin.

Annalena Baerbock gehörte dem Jamaika-Sondierung­steam an. Sie hat dafür geworben, das alte Flügeldenk­en zu überwinden. Ob die Parteilink­en aber ihre Zustimmung zu einer Parteispit­ze geben würden, die aus zwei Realos besteht, ist unsicher. Cem Özdemir hat für das Duo Habeck und Baerbock geworben. Doch auch dies wird nicht von allen Delegierte­n als Empfehlung verstanden.

 ?? FOTO: DPA ?? Vor der Wahl der Parteispit­ze bei den Grünen: Anja Piel (links), Annalena Baerbock, Robert Habeck.
FOTO: DPA Vor der Wahl der Parteispit­ze bei den Grünen: Anja Piel (links), Annalena Baerbock, Robert Habeck.

Newspapers in German

Newspapers from Germany