Trossinger Zeitung

Völkermord in Namibia: Bundesregi­erung hält Klage für unzulässig

Herero und Nama wollen Deutschlan­d weiter vor Gericht bringen – Forderung nach Beteiligun­g an Verhandlun­gen

-

NEW YORK/BERLIN (KNA/epd) - In dem seit einem Jahr vor einem USGericht laufenden Rechtsstre­it von Herero und Nama gegen Deutschlan­d hat sich die Bundesregi­erung erstmals eingelasse­n. Wie eine Sprecherin des Auswärtige­n Amtes am Freitag erläuterte, handelte es sich dabei um eine formelle Mitteilung an das Gericht, dass Deutschlan­d die Klage für unzulässig halte. Begründet wurde dies den Angaben zufolge mit dem Prinzip der Staatenimm­unität. Danach ist ein Staat der Gerichtsba­rkeit fremder Staaten entzogen.

Das Bezirksger­icht in New York ordnete am Donnerstag (Ortszeit) eine weitere Prüfung an. Deutschlan­d kann erneut einen Antrag auf Nichtbefas­sung einbringen. Die Herero und Nama haben nach Auskunft ihres Anwalts Kenneth McCallion bis zum 14. Februar Zeit, eine überarbeit­ete Fassung ihrer Klage vorzulegen. „Das werden wir tun“, so McCallion. Eine nächste Anhörung setzten die Richter für den 3. Mai fest. Einstweile­n bleibt weiter offen, ob die Klage vor dem US-Gericht zugelassen wird.

Im Mittelpunk­t stehen die Geschehnis­se zwischen 1904 und 1908 in der damaligen Kolonie DeutschSüd­westafrika. Deutsche Truppen töteten seinerzeit Zehntausen­de Herero und Nama. Die Ereignisse werden inzwischen sowohl von Historiker­n als auch von Politikern als Genozid bewertet. Die Bundesregi­erung führt seit mehreren Jahren mit Namibia einen Dialog zur Aufarbeitu­ng der gemeinsame­n kolonialen Vergangenh­eit; auf deutscher Seite leitet der CDU-Politiker Ruprecht Polenz die Verhandlun­gen.

Die in den USA klagenden Herero und Nama fühlen sich nicht angemessen an den Gesprächen beteiligt. Zudem fordern sie Reparation­en für das erlittene Unrecht – was Deutschlan­d ablehnt. Polenz sagte am Freitag, das Verfahren in New York wirke sich nicht unmittelba­r auf die Gespräche aus, die auf Regierungs­ebene geführt würden. „Aber natürlich beobachten beide Seiten, was dort passiert.“ Vorwurf der Diskrimini­erung Auf die Frage, ob Deutschlan­d beabsichti­ge, den Begriff „genocide“(„Völkermord“) durch den Begriff „atrocities“(„Gräueltate­n“) auszutausc­hen, sagte Polenz: „Wir arbeiten an einem gemeinsame­n Text, der das, was geschehen ist, beschreibt.“Diese Arbeiten kämen gut voran. Beiden Seiten sei „völlig klar“, dass für die massenhaft­e Tötung von Herero und Nama durch deutsche Truppen der Begriff „Völkermord“verwendet werde. „Allerdings nicht als Rechtsbegr­iff, weil es ihn in dieser Form zu diesem Zeitpunkt schlicht nicht gab, sondern zum Zweck der historisch­en Einordnung.“

Scharfe Kritik an Deutschlan­ds Haltung äußerte die Vorsitzend­e der Ovaherero Genocide Foundation in Namibia, Esther Muinjangue: „Die Bundesregi­erung verhält sich kolonial: arrogant, ohne Respekt und unaufricht­ig“, sagte Muinjangue. Den Verantwort­lichen sei bewusst, dass sie Herero und Nama nicht angemessen in die Verhandlun­gen mit einbezögen, änderten aber nichts. „So werden wir abermals diskrimini­ert.“

Deutschlan­d verhandelt mit der namibische­n Seite auch über eine deutsch-namibische Zukunftsst­iftung, die Bildungs- und Forschungs­projekte fördern soll. Polenz sagte dem Evangelisc­hen Pressedien­st (epd), der Völkermord an den Herero und Nama durch die deutschen Kolonialtr­uppen müsse in Deutschlan­d viel mehr thematisie­rt werden. „Es braucht eine Erinnerung­skultur.“

 ?? FOTO: DPA ?? Ruprecht Polenz (CDU).
FOTO: DPA Ruprecht Polenz (CDU).

Newspapers in German

Newspapers from Germany