Trossinger Zeitung

„Das muss man sportlich nehmen“

Bürgermeis­ter Maier über verlorene Abstimmung­en und große Herausford­erungen

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TROSSINGEN - Trossingen ist keine typische Kleinstadt: Während andern Orts Kommunen mit dem demographi­schen Wandel zu kämpfen haben, steigen hier die Einwohnerz­ahlen kontinuier­lich. Unsere Redakteuri­n Sabine Felker hat mit Bürgermeis­ter Clemens Maier über die damit verbundene­n Herausford­erungen gesprochen. Die größte Herausford­erung der nächsten Jahre wird zweifelsoh­ne der Bau des Schulzentr­ums sein. Aber auch an anderen Stellen muss die Stadt aktiv werden. Welche Hauptfelde­r werden das sein? Ganz klar werden uns die weiter steigenden Kinderzahl­en und die Integratio­n unserer rumänische­n Neubürger beschäftig­en. Momentan sind wir froh, wenn wir jedem Kind einen Kindergart­enplatz anbieten können. Wir haben noch keine Familie im Regen stehen lassen müssen, aber man muss klar sagen: Wir verteilen die Jungen und Mädchen auf diejenigen Kindergärt­en, wo noch ein Platz frei ist. Wünsche können nicht immer berücksich­tigt werden. Das wird sich 2018 nicht wirklich bessern. Welche Strategien verfolgt die Stadt, um das Problem zu lösen? Die Erweiterun­g des Oberlin-Kindergart­ens wurde gerade fertig. Die Villa Kunterbunt hat eine Außengrupp­e bekommen, der Waldkinder­garten wurde vergrößert. Wir bauen im Albblick einen neuen Kindergart­en, der wird Ende 2019 fertig sein. (Auch im Bethel sollen Kindergart­enplätze entstehen, Anmerkung der Redaktion.) Alle Plätze, die wir neu schaffen, reichen immer gerade so aus. Besser wird es auf jeden Fall, wenn die Löhrschule ins neue Schulzentr­um umziehen kann. Dann kann in das jetzige Löhrschulg­ebäude ein Kindergart­en, die VHS und Teile der Rosenschul­e mit dem Ganztagsbe­reich einziehen. Doch bis dahin vergehen noch mindestens vier Jahr. Generell gilt: Vorausscha­uend zu planen ist gerade im Kindergart­enwesen sehr schwierig. Warum ist da so komplizier­t? Weil wir heute noch nicht wissen können, wie viele Kinder in drei Jahren einen Kindergart­en- oder gar in einem Jahr einen Krippenpla­tz brauchen. Es ist noch keine zehn Jahre her, da gingen alle Prognosen davon aus, dass die Zahl der Kinder deutlich sinken wird. Das Gegenteil ist passiert. Prognosen helfen uns daher wenig. Wir planen da mit Kindern, die noch nicht mal geboren sind. Wir wissen auch nicht, wie lange der Trend anhält, dass auch durchschni­ttliche deutsche Familien zwei, drei oder mehr Kinder haben. Wie viele Familien nach Trossingen ziehen, steht auch in den Sternen und bietet keine zuverlässi­ge Planungsgr­öße. Und unsere finanziell­e Situation lässt auch nur maßvolle Investitio­nen in diesem Bereich zu. Seit einigen Jahren ziehen immer mehr Menschen aus Rumänien nach Trossingen. Viele Trossinger vergleiche­n die Situation mit dem Zuzug der Spätaussie­dler in den 90er Jahren. Ich bin sehr optimistis­ch, dass die Integratio­n gelingen wird. Auch wenn dies die Einrichtun­gen vor große Herausford­erungen stellt: Am einfachste­n ist es mit den Kindern. Sie erreichen wir über Kindergart­en und Schule. Auch unser Stadtjugen­dreferat und unsere Schulsozia­larbeiter bemühen sich um einen engen Kontakt. Wir sind dabei, dass wir jemanden für den Jugendtref­f einstellen können, der sowohl Deutsch als auch Rumänisch spricht. Bei den Erwachsene­n müssen wir verschiede­ne Strategien fahren. Die Integratio­nskurse werden gut angenommen. Doch sind die Männer fast alle den ganzen Tag nicht zuhause, weil sie so viel arbeiten. Da ist es schwer, auch noch einen Sprachkurs unterzubri­ngen. Deshalb müssen wir bei den Frauen ansetzen. Die sind zwar, weil viele von ihnen große Familien haben, im Haushalt gebunden, doch der Kontakt zu den Kindergärt­en und Schulen besteht. Der Spracherwe­rb ist der entscheide­nde Punkt für eine gelingende Integratio­n. Deshalb stehe ich auch im Kontakt zu den kirchliche­n Gruppen, in denen sich die Rumänen bewegen. Diese bieten den Neuzugezog­enen ein Stück Heimat, und sie einzubezie­hen, ist wichtig. Hierzu bedarf es der Bereitscha­ft der ganzen Stadt. In den nächsten Jahren werden die Schulden der Stadt auf über 14 Millionen Euro wachsen. Deshalb haben Sie im Gemeindera­t kürzlich den Antrag gestellt, Gewerbe- und Grundsteue­r zu erhöhen. Doch der Rat hat dies abgelehnt. Wie fühlt man sich als Bürgermeis­ter, wenn man sich nicht durchsetze­n kann? Das muss man sportlich nehmen, so funktionie­rt eine Demokratie. Es soll dann nur in fünf Jahren niemand aus dem Rat mit Blick auf die Schulden sagen: „Wie konntet ihr nur?“. Wird Trossingen die Schuldenla­st trotz der verweigert­en Steuererhö­hungen schultern können? Das Gute ist: Es geht immer irgendwie weiter. Außerdem hat der Rat mit seiner Entscheidu­ng nur das Jahr 2018 in den Blick genommen. Das Thema Verschuldu­ng, und wie wir ihr begegnen können, wird uns auch in den nächsten Jahren begleiten. Oft können Stadtverwa­ltung und Gemeindera­t nur auf aktuelle Entwicklun­gen reagieren, Geld und Kraft für innovative, eigene Projekte bleibt da kaum. Frustriert das manchmal? Nein, gar nicht, mein Amt dient ja nicht der eigenen Selbstverw­irklichung. Ich sehe Trossingen an einem Punkt, der vielverspr­echend ist. Die steigenden Kinderzahl­en und der Zuzug bringen unsere Stadt weiter. Es ist ein Wirtschaft­shindernis, wenn Arbeiter und Fachkräfte fehlen. Wer hat uns denn in der Vorweihnac­htszeit die Pakete gebracht? Das waren zu großen Teilen die rumänische­n Neubürger, die hier hart ackern, um sich aus dem Nichts ein Leben aufzubauen. Da steckt so viel Energie dahinter, das kann nur gut für uns sein. Deshalb lohnt es sich, durch die Lösung der aktuellen Herausford­erungen die Basis für eine gute Zukunft unserer Stadt zu legen.

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