„Müssen Regeln für Einwanderung definieren“
Tübingens OB Boris Palmer tritt am Dienstag, 30. Januar, in Tuttlingen auf
TUTTLINGEN - Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer ist am Dienstag, 30. Januar, um 18.30 Uhr in Tuttlingen und hält einen Vortrag mit dem Titel „Wir können nicht allen helfen“im katholischen Gemeindehaus St. Josef. Die Veranstaltung ist ausverkauft. Boris Palmer wurde 2001 Landtagsabgeordneter der Grünen in Baden-Württemberg und ist seit 2007 Oberbürgermeister von Tübingen. Seine Positionen über Flüchtlinge und sein Buch mit dem Titel „Wir können nicht allen helfen“lösten heftige Kontroversen zwischen AfD-Wählern und Grünen aus. Unsere Mitarbeiterin Valerie Gerards sprach mit ihm über seinen Vortrag in Tuttlingen. Herr Palmer, Ihnen wird nachgesagt, AfD-nah zu sein. Als Grüner muss das sehr weh tun, oder? Das halte ich für albern, das verweigert den Diskurs in der Sache. Wenn man jemanden in eine Ecke schiebt, dann braucht man mit ihm nicht mehr diskutieren. Wie sollten AfD-Wähler und -Gegner miteinander umgehen? Bisher beschimpfen sie sich. Wie sollte man miteinander umgehen? Respektvoll, die Meinungsverschiedenheiten in der Sache ausdiskutieren. Beide Seiten haben auch Ängste. Bei der AfD ist es die Angst vor Überfremdung, bei den AfD-Gegnern die Angst vor Diskriminierung. Das sind auf beiden Seiten berechtigte Ängste. Beide Seiten können miteinander ins Gespräch kommen, indem man diese Ängste ernst nimmt. Aber genau das findet nicht statt. Sie fordern ein Einwanderungsgesetz. Wie müsste es aussehen? Und warum hat die Bundesrepublik bisher keines? Wir haben keins, weil vor allem die Union nicht akzeptieren wollte, dass wir ein Einwanderungsland sind, also ein rein politisches Problem. Wir brauchen eins, weil wir Regeln für Einwanderung definieren müssen. Eines der Probleme des Asylrechts ist ja, dass es als Umweg zur Einwanderung benutzt wird. Kein Mensch flüchtet ohne Not – sehen Sie das genauso? Ohne Not flüchtet niemand – im Sinne von Armut und fehlender Perspektive ist das aber kein Asylgrund. Es gibt Milliarden von Menschen auf der Welt, die bitterarm sind. Aber das Asylrecht ist nicht für Menschen gemacht, die arm sind, sondern für die, die unter Krieg und Verfolgung leiden. Sind wir Industrienationen nicht auch für die Klimaflüchtlinge und Wirtschaftsflüchtlinge aus Afrika verantwortlich? Schließlich beuten wir den Kontinent seit Jahrzehnten aus und wir sind die Verursacher des Klimawandels ... Wir haben diese Verantwortung, die Sie beschreiben. Aber zahlenmäßig funktioniert es nicht. Das sind viel zu viele. Mitwirken können wir da nur, indem wir helfen, diese Länder aufzubauen, und nicht, indem wir die Menschen zu uns holen. Sehen Sie eine Lösung dieses Problems in den Herkunftsländern? Das dauert wahrscheinlich ein Jahrhundert. Wenn es einfach wäre, hätte man es schon lange gemacht. Es geht um fairen Handel, Entwicklungszusammenarbeit, Konfliktprävention, Ausbildung. Aber eine schnelle Lösung kann man da nicht erhoffen.