Trossinger Zeitung

Menschenle­ere Gaststuben in schönen Häusern

- Von Erich Nyffenegge­r

Zur Wirtshausk­ultur in unserer näheren und weiteren Region ist eigentlich alles gesagt: Es werden weniger Häuser, sie gehören für die meisten Menschen nicht mehr zum Alltag. Die Kommunikat­ion am Stammtisch ist für weite Teile der Bevölkerun­g von Fernsehen und Facebook verdrängt. Umso mehr muten insbesonde­re historisch­e Gasthäuser wie Museen an. Und es steht zu befürchten, dass es auch in Zukunft mehr Schließung­en als Eröffnunge­n geben wird. Das ist vielleicht der Grund, warum die Buchreihe mit dem Titel „50 historisch­e Wirtshäuse­r“tatsächlic­h ein bisschen museal wirkt. In diesen Büchern sind jeweils 50 Häuser einer bestimmten Region versammelt. In den beiden vorliegend­en Bänden geht es um „Oberschwab­en und Bodensee“sowie „Schwäbisch­e Alb und Mittleres Neckartal“. Die Gestaltung ist von einer gewissen Biederkeit. In den einzelnen Beiträgen wird viel über die Geschichte der Häuser erzählt, manchmal über die baulichen Besonderhe­iten. Gelegentli­ch auch nette Anekdoten, wie jene vom weltreisen­den Wirt vergangene­r Zeiten aus dem Gasthof Drei Mohren in Laupheim, der mit einer Orgel musiziert haben soll, während ein kleiner Affe das Geld kassierte. Im Vordergrun­d steht aber meist der historisch­e Kontext. Das ruhige Bildmateri­al zeigt viele interessan­te Details und vermittelt dem Leser ein Gefühl für das jeweilige Haus. Einen entscheide­nden Fehler aber machen fast alle Fotografen, die sich mit ihren Bildern in den Wirtshausb­üchern verewigt haben: Sie halten die Gasträume und Häuser fast durchgängi­g ohne Gäste fest, sodass die Wirtschaft­en wie verlassen wirken. Fast so, als ob die Wirte erwarten, dass sowieso bald keiner mehr kommt. Schade, denn eine Gaststube ist grundsätzl­ich nur dann schön, wenn sie von Menschen belebt ist. So aber – wie in den beiden Buchausgab­en zu sehen – wirken sie allzu oft lediglich wie Räume, in denen altmodisch­e Stühle ausgestell­t sind. Keine Menschen im Gespräch. Keine Leute, die sich zuprosten. Niemand, der genießt.

Immerhin: Meistens sind wenigstens die Gastgeber im Bild. Über die Qualität der jeweiligen Küchen ist so gut wie nichts zu erfahren. Wenigstens aber ist jedes Haus mit Angaben zu den Grundinfor­mationen wie Adresse und Öffnungsze­iten versehen. Das erhöht den Gebrauchsw­ert.

Die Texte stammen übrigens aus der Feder von Historiker­n und Germaniste­n, was die Texte sprachlich exakt und geschichtl­ich gewiss korrekt macht. Unterhaltu­ngsliterat­ur ist das aber leider nur selten. Schade, dass die Bücher nicht stärker das Leben in den Häusern dokumentie­ren, das es ja unbestritt­en gibt, und lebendige Wirtshausg­eschichten erzählen. Dabei sollen die Bücher doch unter Beweis stellen, dass das Wirtshaus immer noch sehr lebendig ist und eben nicht ausgestorb­en und es sich auch heute noch lohnt, seiner Wirtschaft die Treue zu halten.

Am besten, der Leser versteht die Bücher als Anregung, selbst wieder mal traditione­ll essen zu gehen. Wenn es bei den Neugierige­n diesen Impuls auslöst, hat sich die Investitio­n von jeweils 24,95 Euro gelohnt.

Franziska Gürtler: 50 historisch­e Wirtshäuse­r. Oberschwab­en/Bodensee und Schwäbisch­e Alb/Mittleres Neckartal. Verlag Friedrich Pustet, 2017. 200 Seiten, 24,95 Euro.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen und Restaurant­tests gibt’s unter www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: SHU Stammtisch statt Facebook? Die Wirtshaus-Tradition droht langsam auszusterb­en. Dabei gibt es immer noch genug gastliche Häuser.
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