Trossinger Zeitung

US-Platzhirsc­h drängt auf deutschen Carsharing-Markt

Turo will bis zum Ende des Jahres zur Nummer 1 aufsteigen

-

o besonders und einzigarti­g, findet Andre Haddad, sei das gar nicht mit der Liebe der Deutschen zu ihren Autos. „Auch in den USA lieben wir unsere Autos“, sagt er. Und trotzdem hätten dort viele Menschen kein Problem damit, fremden Leuten gegen Geld für ein paar Tage die Schlüssel zu überlassen – so wie sie das ja auch mit ihren Wohnungen tun. Und Haddad ist überzeugt, dass die Deutschen da nicht viel skeptische­r sind als die Amerikaner. Seit wenigen Tagen versucht sich deshalb der große US-Anbieter Turo auch in Deutschlan­d auf diesem Markt.

Haddad ist der Chef dieser Peerto-Peer-Carsharing-Plattform, auf der Privatleut­e ihre Fahrzeuge tageweise an andere Privatleut­e vermieten können. Wer Airbnb kennt, wo Menschen ihre Zimmer, Wohnungen oder Häuser zeitweise Fremden aus der ganzen Welt überlassen, wird das System schnell wiedererke­nnen. Man gibt auf einer Internetse­ite oder in einer Handy-App ein, wann man wo für wie lange welche Art von Fahrzeug braucht, und die Plattform vermittelt einen Vermieter, der genau das im Angebot hat. Der wiederum bezahlt eine Art Provision an Turo. Die Allianz versichert die Autos für den Mietzeitra­um.

Allein sind die US-Amerikaner damit nicht auf dem deutschen Markt. Das französisc­he Unternehme­n Drivy etwa verweist auf 1,5 Millionen Nutzer und 45 000 Autos in Großbritan­nien, Frankreich, Deutschlan­d, Spanien, Österreich und Belgien. Die niederländ­ische Firma Snappcar zählt knapp 400 000 Nutzer und ebenfalls rund 45 000 Autos in den Niederland­en, Dänemark, Schweden und Deutschlan­d. Beide haben einen deutschen Anbieter übernommen, beide arbeiten ebenfalls mit der Allianz zusammen.

„Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklun­g von Drivy in Deutschlan­d“, sagt der verantwort­liche Manager Nils Roßmeisl. Mit mehr als 6000 Autos und gut 200 000 Nutzern sei die Bundesrepu­blik der zweitgrößt­e Markt nach der Heimat Frankreich und noch vor Spanien. Die Hauptaufga­be hierzuland­e sei, erst einmal ein Bewusstsei­n für Carsharing bei potenziell­en Vermietern und Mietern zu schaffen.

Auch Turo fängt nicht bei null an: Mit dem Start ging die Plattform Croove aus dem Hause Daimler darin auf. Der Stuttgarte­r Autobauer, zu dem auch der Carsharing-Anbieter Car2Go gehört, war vergangene­s Jahr bei Turo eingestieg­en. Wie groß Croove war, will Daimler nicht verraten. Nur so viel: Man sei zufrieden mit dem Wachstum.

Turo hat die Marktführe­rschaft in Deutschlan­d bis Ende des Jahres als Ziel ausgegeben. Mehr als fünf Millionen Mitglieder und 200 000 Autos hat die Plattform in den USA, Kanada und Großbritan­nien. „Das Geschäft wächst sehr schnell“, sagt Haddad. In sechs bis zwölf Monaten könne in Berlin und München die „kritische Masse“erreicht sein – sprich: so viele Nutzer, dass das System vernünftig funktionie­rt. In Städten wie Stuttgart, Frankfurt oder Köln dürften es wohl zwei bis drei Jahre werden, glaubt er.

Der hiesige Turo-Chef Marcus Riecke, früher unter anderem bei StudiVZ und zuletzt bei der Nachbarsch­aftsplattf­orm Nextdoor, hält Deutschlan­d unter anderem wegen des großen Automarkts für ein lohnendes Ziel. Außerdem sei es ein beliebtes Reiseland vor allem auch für Besucher aus dem Ausland. Und, das betont auch Haddad: Die sogenannte Sharing Economy, also die gemeinscha­ftliche Nutzung von Dingen anstelle von Besitz, laufe gut in Deutschlan­d.

Nach den Erfahrunge­n von DrivyChef Roßmeisl sind die Deutschen aber doch etwas anders als andere. „In Frankreich und Spanien gilt das Auto in erster Linie als Fortbewegu­ngsmittel, nicht als Statussymb­ol, wie es in Deutschlan­d eher noch der Fall ist“, sagt er. Auch werde das Angebot dort mehr von Urlaubern genutzt. „Bei uns ist Drivy vor allem für Städter attraktiv, die ein paar Tage aus der Stadt rauswollen oder ein Fahrzeug für einen Transport oder Umzug benötigen.“

Insgesamt – das haben auch die Autoherste­ller erkannt – ist der Besitz eines eigenen Wagens aber auch hierzuland­e für viele nicht mehr das Nonplusult­ra. Und das erklärt auch das wachsende Engagement der Hersteller auf dem Feld der Mobilitäts­dienstleis­tungen, auch wenn das streng genommen ihrem Kerngeschä­ft schadet, dem Verkauf von Autos. Es gilt offenbar das Motto: Wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer und verdient damit Geld.

Haddad sagt, letztlich hätten ja alle etwas davon: die Mieter, die ohne eigenes Auto mobil seien, und die Vermieter, die Geld mit ihrem Wagen verdienen könnten, der sonst die meiste Zeit nutzlos irgendwo herumstehe. Im Schnitt reichten neun Tage Vermietung im Monat, um die laufenden Kosten wieder hereinzuho­len, rechnet er vor. (dpa)

 ?? FOTO: DPA ?? Daimler engagiert sich mit Car2Go auf dem Carsharing-Markt.
FOTO: DPA Daimler engagiert sich mit Car2Go auf dem Carsharing-Markt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany