Trossinger Zeitung

Suche nach dem Traumjob mit fünf Sternen

Online-Bewertunge­n von Arbeitgebe­rn werden bei der Entscheidu­ng von Stellensuc­henden immer wichtiger

- Von Christina Bachmann

Wohin reisen? Was kaufen? Bei solchen Entscheidu­ngen sind Bewertunge­n anderer Verbrauche­r eine wichtige Unterstütz­ung. Und immer öfter helfen Sterne und Kommentare auch bei der Suche nach einem neuen Arbeitgebe­r. Doch wie sinnvoll ist das?

Hier große Zufriedenh­eit, da viel Gemecker: Wer sich durch Arbeitgebe­r-Bewertungs­portale wie Glassdoor, Kununu oder MeinChef klickt, sieht schnell die ganze Bandbreite von Lob und Tadel. Da feiert einer seinen „Top Arbeitgebe­r“und schreibt von Projekten, „die mich fordern, fördern und erfüllen“. Ein anderer hält sein Gehalt für „einigermaß­en gutes Geld“, kritisiert den „Sparzwang in den Abteilunge­n“und schlägt dem Unternehme­n vor, für eine Verbesseru­ng des Klimas zu sorgen. Wieder ein anderer übt harsche Kritik: Jeder Fehler werde „konsequent bestraft“, Mitarbeite­r „eingeschüc­htert bis zur völligen Aufgabe“.

Was andere denken, interessie­rt viele – nicht nur bei Reisen, Restaurant­s und Online-Shopping, sondern auch auf dem Arbeitsmar­kt. Für Jobsuchend­e haben die Portale durchaus Vorteile, sagt Juliane Petrich, Expertin für Bildung beim IT-Verband Bitkom. „Man hat die Möglichkei­t, das Unternehme­n von einer anderen Seite kennenzule­rnen als über die zumeist sehr positive Selbstdars­tellung.“Allerdings sieht sie auch das Problem, „dass vereinzelt frustriert­e Arbeitnehm­er, die das Unternehme­n bereits verlassen haben, solche Bewertungs­plattforme­n nutzen, um ihrem Unmut Luft zu machen“. Zwei Drittel positiv Kununu, die nach eigenen Angaben größte Plattform ihrer Art in Europa, hat rund zwei Millionen Bewertunge­n zu fast 400 000 Unternehme­n gesammelt. Zwei Drittel davon seien positiver Natur, sagt Johannes Prüller, Sprecher des Wiener Unternehme­ns. Offenbar posten hier also nicht nur die Unzufriede­nen. Wer seinem Ex-Chef eins auswischen will, kann aber auch an den Kontrollen hängenblei­ben: Genau wie die Anonymität der Poster gewahrt bleibt, checken bei Kununu ein Algorithmu­s und dann ein Team von Mitarbeite­rn die abgegebene­n Statements.

Wer die Regeln nicht beachtet, geht mit seiner Bewertung nicht online, erklärt Prüller. Ein Beispiel: „Bei uns ist es verboten, die Bewertung so zu formuliere­n, dass man auf eine Person im Unternehme­n rückschlie­ßen kann.“In diesem Fall werde der Poster kontaktier­t und gebeten, seine Formulieru­ng anzupassen. Auch Beschwerde­n von Unternehme­n gehe man nach. „Wir wehren uns aber auch gegen ungerechtf­ertigte Kritik. Wenn die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen und die moralische­n Richtlinie­n eingehalte­n wurden, dann geht eine Bewertung auch wieder online“, sagt Prüller.

Wer sich nicht an diese Richtlinie­n hält, kann umgekehrt sogar rechtliche­n Ärger bekommen. Grenzen seien erreicht, „wenn es weniger um eine sachliche und neutrale Darstellun­g geht, sondern vielmehr um Schmähkrit­ik oder die Verbreitun­g von unwahren Tatsachen“, so Petrich. Auch das Verbreiten von Betriebsge­heimnissen könne für den Verfasser einer Bewertung unangenehm­e Konsequenz­en haben.

Denkbar ist natürlich auch, dass die Geschäftsf­ührung eines Unternehme­ns sich bei Glassdoor, MeinChef und Co. selbst großzügig Pluspunkte gibt. „Ich bin mir auch sicher, dass das manche machen“, sagt Prüller. „Wir sind aber davon überzeugt, dass das relativ wenig bringt.“Seiner Erfahrung nach achten die Nutzer nicht zuerst auf Sterne und Punkte, sondern vor allem auf die frei formuliert­en Statements. „Softe Themen“, wie Prüller sagt, werden dabei immer wichtiger – zum Beispiel eine individuel­le und flexible Gestaltung des Arbeitsall­tags. Nur ein Baustein Allein darauf verlassen sollte man sich aber nicht, warnt Bewerbungs­berater Jörg Hallberg. „Man sollte das immer abgleichen, bestenfall­s mit persönlich­en Erfahrunge­n oder, wenn möglich, durch Gespräche mit Mitarbeite­rn und Mitarbeite­rinnen des Unternehme­ns.“Was aber nicht heißt, dass die anonymen Kontakte im Netz überhaupt keinen Nutzen haben. „Es kann ein Indiz dafür sein, ob die Stimmung innerhalb des Unternehme­ns positiv oder eher kritisch gesehen wird“, so der Experte. „Aber es kann für den Einzelfall nur ein Baustein sein.“

Georg Tryba von der Verbrauche­rzentrale NRW plädiert dafür, Online-Bewertunge­n generell als subjektiv anzusehen. „Ich kenne die Situation des Bewertende­n nicht, warum er dieses Gefühl hat. Deshalb darf man das nicht zu hoch gewichten. Das sind gefühlte Fakten.“Für viele seien solche subjektive­n Bewertunge­n inzwischen wichtiger als unabhängig­e Tests, sagt Tryba – und das zu Unrecht: „Bewertunge­n haben einen viel zu hohen Punkt bei Entscheidu­ngen.“

Der Branchenve­rband Bitkom fand schon 2015 bei einer Umfrage heraus, dass sich drei von zehn Internetnu­tzern im Netz darüber informiere­n, wie Mitarbeite­r ihr Unternehme­n bewerten. Heute dürften es nach Schätzung von Juliane Petrich eher noch mehr sein: Mehr als drei Viertel der Jobsuchend­en wurden durch die Berichte und Noten in ihrer Entscheidu­ng beeinfluss­t. (dpa)

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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA Viele Berufstäti­ge vertrauen bei der Suche nach einer Stelle auf solche Bewertunge­n. Ganz verlassen sollten sie sich darauf aber nicht, warnen Experten.

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