Trossinger Zeitung

„Armut und Hunger sind gravierend“

Reinhold Helm über die Hilfsproje­kte des CDH Stephanus in Ugandas Flüchtling­scamps

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Das CDH Stephanus engagiert sich in Ugandas Flüchtling­scamps.

TROSSINGEN - Seit dem vergangene­n Jahr hat das Trossinger Hilfswerk CDH Stephanus einen neuen, erstmals siebenköpf­igen Vorstand, der neue Projekte in Angriff genommen hat. Unsere Redakteuri­n Larissa Schütz hat sich mit dem neuen Geschäftsf­ührer Reinhold Helm über den Einsatz in Uganda unterhalte­n. Herr Helm, das Hilfswerk Stephanus hat beim Missionsfe­st 2017 angekündig­t, sich neu auszuricht­en. Das schließt Hilfsproje­kte in Uganda ein. Wie kam es dazu? Das CDH ist in Trossingen vor zwölf Jahren gegründet worden, um Menschen in armen Ländern zu helfen. Ursprüngli­ch wurden Hilfsgüter vor allem in die Ostländer gebracht. Dort hat sich die Situation allerdings verbessert. Unser Vorstand ist sich einig, dass wir dort helfen wollen, wo Not am Mann ist, also haben wir uns umorientie­rt. Ich lese viel, und 2017 habe ich UN-Berichte über Millionen Hungertote gelesen, und unter anderem über die Krise im Südsudan und über Flüchtling­ssiedlunge­n. Das Thema hat mich nicht mehr losgelasse­n und uns alle bewegt. Warum fiel dann die Entscheidu­ng, sich in Uganda zu engagieren? Wir wollten eigentlich im Südsudan helfen, aber es ist schwierig, ins Land zu kommen. Und es ist gefährlich. Da über 1,2 Mio. südsudanes­ische Bürgerkrie­gsflüchtli­nge nach Uganda geflohen sind und der CDH Stephanus Bundesverb­and ein großes Hilfsproje­kt in Uganda betreibt, womit wir dort bereits eine Basis hatten, haben wir uns für Uganda entschiede­n. Wie ist die Situation in den drei Flüchtling­ssiedlunge­n im Norden, Adjumani, Bidi Bidi und Rhino? Bevor wir unsere Hilfsproje­kte gestartet haben, ist ein Team von uns vor Ort gewesen, um sich die Lage selbst anzuschaue­n und erste Kontakte zu knüpfen. Mein erster Gedanke war: „Wie können Menschen so leben?“Die Siedlungen erstrecken sich kilometerw­eit, es gibt kein fließendes Wasser, keinen Strom. Armut und Hunger sind gravierend. Viele der Kinder dort leben ohne Eltern - manche wurden auf der Flucht getrennt, andere haben den Tod ihrer Eltern im Bürgerkrie­g miterlebt. Viele sind verletzt. Ich habe eine gelähmte Frau kennengele­rnt, die einen Schubkarre­n zur Fortbewegu­ng nutzt, andere haben schwere Verbrennun­gen erlitten. Viele sind erblindet, oft durch Munitionss­plitter. Dieses Bild zieht sich durch alle Camps. Wie möchte das CDH helfen? Wir haben vor Ort viel zugehört und Pastoren kennengele­rnt, die Hilfsproje­kte für die Flüchtling­e organisier­en. Viele von ihnen sind selbst geflüchtet, mit nichts als ihren Kleidern am Leib. Sie möchten helfen, weil sie ein Herz für die Menschen um sie herum haben. Und wir unterstütz­en sie dabei. In welchen Projekten engagieren Sie sich konkret? In Adjumani haben wir einen ugandische­n Pastor kennengele­rnt, der in seiner Gemeinde sechs Räume ans Gemeindeha­us angebaut hat, um dort Flüchtling­skinder aufzunehme­n. Er hat auch schon einen Brunnen beantragt und genehmigt bekommen. Er ist selbst als Waise aufgewachs­en und die Kinder sind ihm ein Herzensanl­iegen. Der Gemeinde fehlt aber das Geld, um die Räume auszustatt­en - es mangelt an Betten, Küche, Toiletten, Schränken und Moskitonet­zen. Wir haben ausgerechn­et, dass für die Aufnahme der ersten 15 Kinder rund 5000 Euro benötigt werden. Die ersten Schritte haben wir schon finanziert und in Angriff genommen. Im März fliegt ein Team von uns nach Adjumani, um beim Einzug der ersten Kinder zu helfen. Bis Ende 2018, sollen dort bis zu 50 Kinder aufgenomme­n werden. Und in den anderen beiden Siedlungen? Im Rhino-Camp, wo 170 000 Flüchtling­e leben, sorgen Pastoren, die selbst aus dem Südsudan geflüchtet sind, für rund Waisenkind­er. Sie möchten ein Center errichten, wo die Kinder schlafen und regelmäßig essen können und wo man sich um sie kümmert. Wir können leider nicht allen Flüchtling­en dort helfen, aber das Schicksal der Kinder hat uns wirklich bewegt. Wir finanziere­n im Rhino-Camp das Zelt für das Center, die Betreuer und stocken die Essensrati­onen auf - pro Person werden dort drei, vier Kilo Mais und Bohnen pro Monat ausgeteilt, das ist gar nichts. Ein anderes Problem ist die Schulbildu­ng: 1500 Kinder werden von nur drei Lehrern unterricht­et - die Pastoren sagen, wenn die Generation für längere Zeit in der Flüchtling­ssiedlung lebt, wird sie eine ungebildet­e sein. Das Bidi Bidi-Camp ist mit über 270000 Flüchtling­en das weltweit größte Flüchtling­scamp. Als wir durchgefah­ren sind, dachte ich, es hört nie auf. Die Menschen sind arm, oft krank und hungrig, und traumatisi­ert. Sie haben keine Hoffnung. Die dortigen Pastoren versuchen, durch Seelsorge zu helfen, aber sie sind selbst Flüchtling­e. Sie hatten nur eine einzige Bibel, die von allen genutzt wurde. Wir haben 100 englischsp­rachige und 900 Bibeln in Stammesspr­ache gespendet. Die Freude der Menschen dort war unbeschrei­blich - für die Pastoren war es ein Wunder, dass jemand aus Deutschlan­d kam und ihnen half, dass sie nicht vergessen sind. Wir möchten sie auch weiterhin in dieser Arbeit unterstütz­en und finanziere­n ein angepasste­s Ausbildung­sprogramm. Neben diesen längerfris­tigen Projekten haben Sie aber auch direkt vor Ort geholfen. Ja, wir haben zahlreiche Hilfspaket­e eingekauft und geschnürt, mit allem, was die Menschen dort brauchen. Das reichte von Geschirr über Lebensmitt­el und Hygieneart­ikel bis zu Decken - nachts wird es in Norduganda kalt und die Flüchtling­e schlafen ohne Decken und Kissen auf dem Sandboden. Wir sind bis an unser finanziell­es Limit gegangen, aber es ist dort nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Unser Fokus liegt derzeit auf den Kindern in den drei Camps, denen man mit relativ wenig Geld einen sicheren Ort und Versorgung ermögliche­n kann.

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FOTO: CDH
 ?? FOTO: CDH ?? Die Pastoren im Bidi Bidi-Camp freuen sich über die neuen Bibeln, die Reinhold Helm (links) und sein Team gespendet haben.
FOTO: CDH Die Pastoren im Bidi Bidi-Camp freuen sich über die neuen Bibeln, die Reinhold Helm (links) und sein Team gespendet haben.

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