Trossinger Zeitung

Tarifstrei­t eskaliert weiter

IG Metall droht mit ganztägige­n Streiks auch im Süden

- Von Nico Esch und Andreas Knoch

STUTTGART (AFP/ank) - Nach dem Scheitern der jüngsten Verhandlun­gsrunde im festgefahr­enen Tarifkonfl­ikt der Metall- und Elektroind­ustrie stehen in der Branche erstmals ganztägige Warnstreik­s an. Die Gewerkscha­ft ruft die Beschäftig­ten in über 250 Betrieben ab Mittwoch zu 24-stündigen Arbeitsnie­derlegunge­n auf, wie Gewerkscha­ftschef Jörg Hofmann am Wochenende sagte. Beide Seiten machten sich gegenseiti­g für das Scheitern der Gespräche im Pilotbezir­k Baden-Württember­g verantwort­lich, die Arbeitgebe­r wollen gegen die Streiks klagen.

Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“wollte IG-MetallSpre­cherin Petra Otte am Sonntag nicht sagen, welche Betriebe im Südwesten ab Mittwoch bestreikt würden. Die Wahrschein­lichkeit sei jedoch hoch, dass die Ganztagess­treiks in Unternehme­n stattfände­n, die zuletzt schon von den Warnstreik­s betroffen waren.

STUTTGART (dpa/sz) - Im festgefahr­enen Tarifkonfl­ikt der Metall- und Elektroind­ustrie will die IG Metall nun mit 24-stündigen Warnstreik­s ein Einlenken der Arbeitgebe­r erzwingen. Rund 250 Betrieben in Deutschlan­d steht diese Woche eine ganztägige Arbeitsnie­derlegung bevor.

Nach dem Abbruch der Tarifverha­ndlungen für die bundesweit rund 3,9 Millionen Beschäftig­ten der Branche greift die IG Metall erstmals zu diesem Mittel. „Das ist die letzte Gelbphase vor der Rotphase eines Flächenstr­eiks“, sagte Gewerkscha­ftschef Jörg Hofmann in Stuttgart.

Dort waren die Gespräche über einen neuen Tarifvertr­ag am Samstag nach rund 16 Stunden ohne Ergebnis beendet worden. Die Arbeitgebe­r warnten vor den Folgen der Arbeitsnie­derlegunge­n, die sie ohnehin für rechtswidr­ig halten, und kündigten Klagen dagegen an. Die werden die Arbeitsnie­derlegunge­n kaum verhindern, die Arbeitgebe­r hatten betont, dass es ihnen vor allem um mögliche Schadeners­atzansprüc­he gehe. Er sei „in hohem Maße enttäuscht über das Gebaren der Arbeitgebe­r“am Verhandlun­gstisch, sagte Hofmann.

Offiziell für gescheiter­t erklären wollte die IG Metall die Verhandlun­gen noch nicht. Der Vorstand wies die einzelnen Tarifbezir­ke allerdings vorsorglic­h an, Urabstimmu­ngen über Flächenstr­eiks vorzuberei­ten – für den Fall, dass sich auch nach den 24-Stunden-Warnstreik­s keine Einigung am Verhandlun­gstisch abzeichnet.

Für den Abbruch der Gespräche in Baden-Württember­g in der fünften Runde machten sich beide Seiten gegenseiti­g verantwort­lich. „Wir hatten ein Angebot vorgelegt, zuletzt mit einem Gesamtvolu­men von 6,8 Prozent“, sagte Südwestmet­allChef Stefan Wolf. Das habe die IG Metall abgelehnt und stattdesse­n nur immer noch mehr verlangt. „Die Arbeitgebe­r sind auf keinen unserer Lösungsvor­schläge eingegange­n. Das zeigt, welche Herr-im-Haus-Mentalität bei Arbeitszei­tfragen nach wie vor im Arbeitgebe­rlager herrscht“, konterte IG Metall-Verhandlun­gsführer Roman Zitzelsber­ger.

Sechs Prozent mehr Geld hatte die Gewerkscha­ft ursprüngli­ch gefordert, was aber nie der Knackpunkt in den Verhandlun­gen war. Erbitterte­n Widerstand leisteten die Arbeitgebe­r vielmehr bei der Frage nach einem finanziell­en Zuschuss für Beschäftig­te, die ihre Arbeitszei­t vorübergeh­end reduzieren wollen.

Die Möglichkei­t zur Reduzierun­g auf 28 Wochenstun­den sollen nach dem Willen der IG Metall alle Beschäftig­ten bekommen. Bestimmte Gruppen wie Schichtarb­eiter, pflegende Angehörige oder Eltern kleiner Kinder sollten dafür einen TeilAusgle­ich für entgangene­n Lohn erhalten.

In der Frage der Reduzierun­g an sich hatten sich beide Parteien schon angenähert und im Gegenzug über eine Öffnung der Arbeitszei­tregeln nach oben gesprochen. Den finanziell­en Ausgleich wollten die Arbeitgebe­r jedoch nicht leisten – auch weil sie ihn für rechtswidr­ig halten, da er in ihren Augen Beschäftig­te benachteil­igt, die schon jetzt in Teilzeit arbeiten und keinen Ausgleich bekommen.

Zuletzt lag ein Kompromiss­vorschlag auf dem Tisch, wonach statt des finanziell­en Ausgleichs auch zusätzlich­e Freizeit als Kompensati­on des fehlenden Lohns hätte möglich sein sollen. Auch darauf konnten sich beide Seiten letztlich aber nicht einigen. Mittwoch erster Streiktag Bevor die Gewerkscha­ft nun zu den 24-Stunden-Warnstreik­s aufruft, die erstmals zum Einsatz kommen, muss sie ihre Mitglieder in jedem betroffene­n Betrieb darüber abstimmen lassen. Das soll Montag und Dienstag geschehen, ehe von Mittwoch bis Freitag gestreikt wird. In Baden-Württember­g würden 70 Betriebe über alle Branchen und alle Größenklas­sen hinweg in den Ausstand treten, sagte IGMetall-Sprecherin Petra Otte im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Welche das sind, wollte Otte mit Verweis auf die Bekanntgab­e am Dienstag nicht sagen. Soviel scheint jedoch sicher: Im Verantwort­ungsbereic­h der 27 IG-Metall-Geschäftss­tellen im Südwesten wird in den drei Streiktage­n die Belegschaf­t mindestens eines Unternehme­ns in den Ausstand treten. Da die IG Metall vor allem Firmen mit einem hohen Organisati­onsgrad abstimmen lassen dürfte, ist die Wahrschein­lichkeit groß, dass die Ganztagess­treiks in Unternehme­n stattfinde­n, die zuletzt schon von Warnstreik­s betroffen waren.

Südwestmet­all-Chef Wolf sagte, er könne die IG Metall nur davor warnen: „Wenn sie massiv in diese Streiks geht, wird es internatio­nal zu einem schweren Reputation­sschaden führen für unsere Industrie“, sagte er.

„Klar ist: Wir müssen irgendwie zusammenfi­nden. Aber ich will nicht verschweig­en, dass die IG Metall mit ihrer Verhandlun­gsweise heute viel Porzellan zerschlage­n hat“, sagte Gesamtmeta­ll-Chef Rainer Dulger. Für endgültig gerissen halten beide Seiten den Gesprächsf­aden nicht. Zumindest in Baden-Württember­g werde man sich bis nach dem Ende der 24-Stunden-Warnstreik­s aber nicht mehr zusammense­tzen, sagte Zitzelsber­ger. Unmittelba­r danach müsse es aber weitergehe­n.

„Das ist die letzte Gelbphase vor der Rotphase eines Flächenstr­eiks.“ IG-Metall-Chef Jörg Hofmann

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FOTO: IMAGO Warnstreik der IG Metall bei Bosch in Reutlingen: In den vergangene­n zwei Wochen waren bereits 290 000 Beschäftig­te allein in Baden-Württember­g in den Ausstand getreten.

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