Tarifstreit eskaliert weiter
IG Metall droht mit ganztägigen Streiks auch im Süden
STUTTGART (AFP/ank) - Nach dem Scheitern der jüngsten Verhandlungsrunde im festgefahrenen Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie stehen in der Branche erstmals ganztägige Warnstreiks an. Die Gewerkschaft ruft die Beschäftigten in über 250 Betrieben ab Mittwoch zu 24-stündigen Arbeitsniederlegungen auf, wie Gewerkschaftschef Jörg Hofmann am Wochenende sagte. Beide Seiten machten sich gegenseitig für das Scheitern der Gespräche im Pilotbezirk Baden-Württemberg verantwortlich, die Arbeitgeber wollen gegen die Streiks klagen.
Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“wollte IG-MetallSprecherin Petra Otte am Sonntag nicht sagen, welche Betriebe im Südwesten ab Mittwoch bestreikt würden. Die Wahrscheinlichkeit sei jedoch hoch, dass die Ganztagesstreiks in Unternehmen stattfänden, die zuletzt schon von den Warnstreiks betroffen waren.
STUTTGART (dpa/sz) - Im festgefahrenen Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie will die IG Metall nun mit 24-stündigen Warnstreiks ein Einlenken der Arbeitgeber erzwingen. Rund 250 Betrieben in Deutschland steht diese Woche eine ganztägige Arbeitsniederlegung bevor.
Nach dem Abbruch der Tarifverhandlungen für die bundesweit rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Branche greift die IG Metall erstmals zu diesem Mittel. „Das ist die letzte Gelbphase vor der Rotphase eines Flächenstreiks“, sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann in Stuttgart.
Dort waren die Gespräche über einen neuen Tarifvertrag am Samstag nach rund 16 Stunden ohne Ergebnis beendet worden. Die Arbeitgeber warnten vor den Folgen der Arbeitsniederlegungen, die sie ohnehin für rechtswidrig halten, und kündigten Klagen dagegen an. Die werden die Arbeitsniederlegungen kaum verhindern, die Arbeitgeber hatten betont, dass es ihnen vor allem um mögliche Schadenersatzansprüche gehe. Er sei „in hohem Maße enttäuscht über das Gebaren der Arbeitgeber“am Verhandlungstisch, sagte Hofmann.
Offiziell für gescheitert erklären wollte die IG Metall die Verhandlungen noch nicht. Der Vorstand wies die einzelnen Tarifbezirke allerdings vorsorglich an, Urabstimmungen über Flächenstreiks vorzubereiten – für den Fall, dass sich auch nach den 24-Stunden-Warnstreiks keine Einigung am Verhandlungstisch abzeichnet.
Für den Abbruch der Gespräche in Baden-Württemberg in der fünften Runde machten sich beide Seiten gegenseitig verantwortlich. „Wir hatten ein Angebot vorgelegt, zuletzt mit einem Gesamtvolumen von 6,8 Prozent“, sagte SüdwestmetallChef Stefan Wolf. Das habe die IG Metall abgelehnt und stattdessen nur immer noch mehr verlangt. „Die Arbeitgeber sind auf keinen unserer Lösungsvorschläge eingegangen. Das zeigt, welche Herr-im-Haus-Mentalität bei Arbeitszeitfragen nach wie vor im Arbeitgeberlager herrscht“, konterte IG Metall-Verhandlungsführer Roman Zitzelsberger.
Sechs Prozent mehr Geld hatte die Gewerkschaft ursprünglich gefordert, was aber nie der Knackpunkt in den Verhandlungen war. Erbitterten Widerstand leisteten die Arbeitgeber vielmehr bei der Frage nach einem finanziellen Zuschuss für Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit vorübergehend reduzieren wollen.
Die Möglichkeit zur Reduzierung auf 28 Wochenstunden sollen nach dem Willen der IG Metall alle Beschäftigten bekommen. Bestimmte Gruppen wie Schichtarbeiter, pflegende Angehörige oder Eltern kleiner Kinder sollten dafür einen TeilAusgleich für entgangenen Lohn erhalten.
In der Frage der Reduzierung an sich hatten sich beide Parteien schon angenähert und im Gegenzug über eine Öffnung der Arbeitszeitregeln nach oben gesprochen. Den finanziellen Ausgleich wollten die Arbeitgeber jedoch nicht leisten – auch weil sie ihn für rechtswidrig halten, da er in ihren Augen Beschäftigte benachteiligt, die schon jetzt in Teilzeit arbeiten und keinen Ausgleich bekommen.
Zuletzt lag ein Kompromissvorschlag auf dem Tisch, wonach statt des finanziellen Ausgleichs auch zusätzliche Freizeit als Kompensation des fehlenden Lohns hätte möglich sein sollen. Auch darauf konnten sich beide Seiten letztlich aber nicht einigen. Mittwoch erster Streiktag Bevor die Gewerkschaft nun zu den 24-Stunden-Warnstreiks aufruft, die erstmals zum Einsatz kommen, muss sie ihre Mitglieder in jedem betroffenen Betrieb darüber abstimmen lassen. Das soll Montag und Dienstag geschehen, ehe von Mittwoch bis Freitag gestreikt wird. In Baden-Württemberg würden 70 Betriebe über alle Branchen und alle Größenklassen hinweg in den Ausstand treten, sagte IGMetall-Sprecherin Petra Otte im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Welche das sind, wollte Otte mit Verweis auf die Bekanntgabe am Dienstag nicht sagen. Soviel scheint jedoch sicher: Im Verantwortungsbereich der 27 IG-Metall-Geschäftsstellen im Südwesten wird in den drei Streiktagen die Belegschaft mindestens eines Unternehmens in den Ausstand treten. Da die IG Metall vor allem Firmen mit einem hohen Organisationsgrad abstimmen lassen dürfte, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Ganztagesstreiks in Unternehmen stattfinden, die zuletzt schon von Warnstreiks betroffen waren.
Südwestmetall-Chef Wolf sagte, er könne die IG Metall nur davor warnen: „Wenn sie massiv in diese Streiks geht, wird es international zu einem schweren Reputationsschaden führen für unsere Industrie“, sagte er.
„Klar ist: Wir müssen irgendwie zusammenfinden. Aber ich will nicht verschweigen, dass die IG Metall mit ihrer Verhandlungsweise heute viel Porzellan zerschlagen hat“, sagte Gesamtmetall-Chef Rainer Dulger. Für endgültig gerissen halten beide Seiten den Gesprächsfaden nicht. Zumindest in Baden-Württemberg werde man sich bis nach dem Ende der 24-Stunden-Warnstreiks aber nicht mehr zusammensetzen, sagte Zitzelsberger. Unmittelbar danach müsse es aber weitergehen.
„Das ist die letzte Gelbphase vor der Rotphase eines Flächenstreiks.“ IG-Metall-Chef Jörg Hofmann