Trossinger Zeitung

Nawalny erneut kurzzeitig in Haft

Kremlkriti­ker hatte zu landesweit­en Protesten gegen die Präsidente­nwahl aufgerufen

- Von Klaus-Helge Donath und dpa

MOSKAU - Knapp zwei Monate vor der russischen Präsidente­nwahl hat die Polizei den prominente­n Opposition­spolitiker Alexej Nawalny kurzfristi­g festgenomm­en. Polizisten ergriffen Nawalny am Sonntag recht ruppig, als er auf dem Weg zu einer Kundgebung im Zentrum Moskaus war, wie Videos im Internet zeigten. Kurz ging der 41-Jährige zu Boden, als die Beamten ihn in einen Polizeibus zerrten.

Am Abend wurde der 41-Jährige nach wenigen Stunden wieder freigelass­en. Er müsse sich aber zur Verfügung halten, sagte seine Anwältin Olga Michailowa der Agentur Tass. Nawalny hatte in rund 90 Städten zum „Streik der Wähler“aufgerufen. In Moskau und St. Petersburg waren die Routen nicht genehmigt worden. In mehreren Städten in der Provinz wurden sie erlaubt. Das Bürgerrech­tlerportal OVD-Info berichtete von mindestens 250 Festgenomm­enen bei Nawalnys „Wählerstre­ik“im ganzen Land. Massenfest­nahmen wie bei Protesten 2017 blieben aber aus. Zugriff mit Motorsäge Bereits am frühen Sonntag hatten sich die Sicherheit­skräfte mit einer Motorsäge Zugang zum Büro des Putin-Herausford­erers Nawalny verschafft. Der verhindert­e opposition­elle Präsidents­chaftsanwä­rter war jedoch nicht vor Ort. Die Polizeikrä­fte gaben vor, einer Bombenwarn­ung nachzugehe­n. Den Sprengstof­f suchten sie in dem Büro, von dem aus Mitarbeite­r des Opposition­ellen auf der Videoplatt­form Youtube über die landesweit­en Proteste berichtete­n.

Später am Tag meldete sich dann der untergetau­chte Herausford­erer. Ihn könne man an der Adresse finden, an der Präsidents­chaftskand­idat Wladimir Putin offiziell gemeldet sei, schrieb er auf seinem TwitterKan­al. Die Polizei wartete indes, bis sich Nawalny zur Wahlstreik­demo aufmachte. Dort wurde er schon erwartet und auf der Stelle festgenomm­en. „Die Festnahme eines einzelnen hat keinen Sinn, wenn es viele von uns gibt“, twitterte Nawalny.

Er hatte am Sonntag zu den Protesten aufgerufen, da er wegen einer fragwürdig­en Bewährungs­strafe an dem Urnengang am 18. März nicht teilnehmen darf und die Legitimitä­t der Wahl in Frage stellt. Durch niedrigere Wahlbeteil­igung hoffen die Gegner Putins auf das Ergebnis Einfluss nehmen zu können. In Moskau waren bei Minustempe­raturen etwa 1000 Demonstran­ten dem Aufruf gefolgt. Auch in Wladiwosto­k, Irkutsk, Nowosibirs­k, im sibirische­n Kemerowo und in Sankt Petersburg gingen Anhänger auf die Straße.

Diesmal waren erneut vor allem sehr junge Leute darunter. Im März 2017 hatte Nawalny Massenprot­este gegen die Staatsführ­ung organisier­t. Der massenhaft­e Jugendprot­est hatte landesweit für Überraschu­ng gesorgt und den Kreml verunsiche­rt. Dabei waren mehrere Hundert Menschen festgenomm­en worden. Der Staat hatte sich am Sonntag auf alles vorbereite­t. Die Seitenstra­ßen des Moskauer Prachtboul­evards Twersakaja glichen einem Heerlager. Aus dem ganzen Umland waren Sicherheit­skräfte in Moskau zusammenge­zogen worden.

In Moskau skandierte­n Demonstran­ten unter dem Denkmal des russischen Nationaldi­chters Alexander Puschkin „Nieder mit dem Zaren“. Ihre schwarzen doppelreih­igen Mäntel erinnerten an die damalige Mode. Eine ältere Dame warnte vor

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FOTO: DPA Der russische Opposition­spolitiker Alexej Nawalny saß kurzfristi­g erneut in Haft. In der vergangene­n Woche hat der Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte geprüft, ob Russland durch zahlreiche Verhaftung­en die Rechte Nawalnys verletzt hat.

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