Trossinger Zeitung

Populist

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Ein souveräner Wahlsieg sieht anders aus. Miloš Zeman hat sich gerade noch eine zweite fünfjährig­e Amtszeit als Präsident Tschechien­s gesichert. Er brachte es bei der Stichwahl am Wochenende auf 51,5 Prozent, sein nicht gerade strahlende­r Herausford­erer, der Hochschulp­rofessor Jiri Drahor, kam auf 48,5 Prozent. Der Unterschie­d betrug letztlich rund 150 000 Stimmen. Hätten die Demokratie­anhänger eifriger gewählt (Beteiligun­g: 66,6 Prozent), hätte Zeman womöglich aus der Prager Burg ausziehen müssen. „Es ist mein letzter Wahlsieg“, meinte der 73-jährige Amtsinhabe­r Zeman ein bisschen wehmütig. Seine Bilanz: Er hinterläss­t ein tief polarisier­tes Land, Zeman verehrt man oder hasst man, beides blind. Ein Dazwischen gibt es kaum.

Grund sind nicht allein seine abschätzig­en bis zynischen Bemerkunge­n über Flüchtling­e, Frauen und Minderheit­en. Zeman wandelte sich in seiner ersten Amtszeit vom Sozialdemo­kraten und Pro-Europäer zu einem populistis­chen Autokraten und EU-Gegner. Die Korruption­sskandale der anderen Parteien nutzte er, um sich selbst als über allen politische­n Niederunge­n stehender „Staatsmann“aufzuspiel­en. Die Wahlanalys­e bestätigt, dass er Demokraten gleichsam geschlosse­n abschreckt: Gewählt haben ihn überwiegen­d Anhänger des mit dem Rechtsstaa­t im Konflikt stehenden populistis­chen Premiers Andrej Babiš, Kommuniste­n und Rechtsextr­emisten.

Wandlungsf­ähig war Zeman, 1944 im mittelböhm­ischen Kolin geboren, von Beginn seiner politische­n Karriere an. Als junger Mann hatte er sich mit den Kommuniste­n angelegt, dennoch gelang es ihm, ein Wirtschaft­sstudium abzuschlie­ßen. 1968 schloss er sich den Reformkomm­unisten des „Prager Frühlings“an, um danach der stalinisti­schen „Normalisie­rung“zum Opfer zu fallen. Nach dem Umsturz 1989 engagierte er sich erst im liberalen Bürgerforu­m, ehe er zu den Sozialdemo­kraten wechselte, deren Vorsitzend­er er viele Jahre war und 2007 im Streit verließ. Rudolf Gruber

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