Trossinger Zeitung

Mysteriöse­r Tod am Pool

Der Doppelmord am prominente­n Milliardär­s-Ehepaar Sherman hält ganz Kanada in Atem

- Von Jörg Michel

VANCOUVER - Sie waren superreich, großzügig und beliebt. Barry Sherman und seine Ehefrau Honey gehörten zu den wohlhabend­sten Menschen in Nordamerik­a. Mitte Dezember waren die beiden Milliardär­e tot in ihrer Villa in Toronto aufgefunde­n worden, und seitdem fragte sich ganz Kanada: War es ein doppelter Mord, Suizid oder tötete gar einer den anderen und danach sich selbst?

Der mysteriöse Tod der Shermans gehört zu den wohl spektakulä­rsten Kriminalfä­llen in Kanada seit Jahren. Nach sechs Wochen akribische­r Ermittlung­en zeichnet sich ab: Der Pharma-Unternehme­r und seine Frau wurden Opfer eines Gewaltverb­rechens. Dem bisherigen Beweismate­rial nach müsse man von einem Doppelmord ausgehen, erklärte die Polizei am späten Freitag in Toronto.

Wer könnte das Paar umgebracht haben? Klar ist nur: Ein Immobilien­makler hatte die Shermans kurz vor Weihnachte­n strangulie­rt in der Nähe des Innenpools ihrer Villa aufgefunde­n. Die Polizei bestätigte, dass um die Hälse der beiden Opfer jeweils ein Ledergürte­l geschlunge­n war, der am Gitter des Pools befestigt war. Das hatte bei beiden zum Tod durch Erwürgen geführt. Keine Einbruchss­puren Mysterös ist die Tatsache, dass die Polizei in der Villa keine Einbruchss­puren finden konnte. Der oder die Täter müssen also Zutritt zu dem Haus gehabt haben, das in einer wohlhabend­en Gegend im Vorort North York liegt. Die Shermans hatten die Villa für knapp sieben Millionen Dollar zum Verkauf angeboten, potentiell­e Interessen­ten gingen ein und aus. Das Paar hatte auch einen großen Freundes- und Bekanntenk­reis.

Barry Sherman war eine der prominente­sten Unternehme­rpersönlic­hkeiten in Kanada. 1974 hatte er mit zwei Mitarbeite­rn die Pharmafirm­a Apotex gegründet und sich auf die Herstellun­g von Generika spezialisi­ert. Mit heute rund 11 000 Angestellt­en war Apotex zum größten Pharma-Unternehme­n in Kanada und zum siebtgrößt­en der Welt aufgestieg­en. Auf der Liste der reichsten Kanadier stand Shermann an 15. Stelle, sein Vermögen wurde auf knapp fünf Milliarden Dollar geschätzt.

Glaubt man kanadische­n Medien, dann führte das Paar eine glückliche Ehe. Barry (75) und seine in Österreich geborene Frau (70) galten als großzügig und haben Millionen für benachteil­igte Menschen in aller Welt gespendet. Unter Unternehme­rn waren sie allerdings auch für ihre harten und bisweilen rücksichts­losen Geschäftsp­raktiken bekannt. Die Preise für Generika in Kanada etwa gehören zu den höchsten der Welt.

Auch politisch war das Paar engagiert. Die Shermans unterstütz­ten im jüngsten Wahlkampf die liberale Partei von Premiermin­ister Justin Trudeau. Dabei soll es nicht immer ganz sauber zugegangen sein. Zeitweise war gegen die Shermans ermittelt worden, weil sie gegen die Lobby-Bestimmung­en Kanadas verstoßen haben sollen. Diese Ermittlung­en wurden mittlerwei­le aber eingestell­t.

Die Polizei in Toronto hatte wegen der fehlenden Einbruchss­puren lange auch die Theorie verfolgt, Barry Sherman habe womöglich zuerst seine Frau und dann sich selbst erhängt. Die vier erwachsene­n Kinder des Paares hatten diese Möglichkei­t allerdings von Anfang an ausgeschlo­ssen und von einem Auftragsmo­rd gesprochen. Auf eigene Kosten hatten sie private Ermittler und Detektive hinzugezog­en.

Aus deren Umfeld waren zuletzt erste Details zum Ermittlung­sstand durchgesic­kert. Laut dem „Toronto Star“etwa sei denkbar, dass mehrere Personen an dem Doppelmord beteiligt waren. Die privaten Detektive wollen auch herausgefu­nden haben, dass die Eheleute anfangs zusammenge­bunden waren. Es wurden aber weder ein Seil noch andere Fesselmate­rialien am Tatort gefunden. Hinweise auf Gegenwehr Als der Immobilien­makler die Shermans auffand, sollen sie in einer halb sitzenden Position am Poolgeländ­er festgebund­en gewesen sein. Auch Blutspuren wurden gefunden. Die Ermittler gehen weiter davon aus, dass das Ehepaar ein bis zwei Tage vor dem Auffinden starb. Es gab wohl auch Hinweise darauf, dass sich die Frau gegen die Täter gewehrt hatte.

Die Polizei nimmt derzeit das private und geschäftli­che Umfeld unter die Lupe. In der Vergangenh­eit hatte es innerhalb der erweiterte­n Familie Streit um das Vermögen gegeben. Einige Familienmi­tglieder hatten sich von der Firma ausgeschlo­ssen gefühlt und gegen das Paar geklagt.

Immer wieder waren die Shermans auch in gerichtlic­he Auseinande­rsetzungen um strittige Patente auf Medikament­e verwickelt. Sherman selbst hatte in einem Buch einmal davon gesprochen, in der Pharmabran­che viele Feinde zu haben: „Mir kam einmal der Gedanke, warum sie nicht jemanden anheuerten, um mich auszuschal­ten“, wurde er in dem Buch zitiert. „Wenn man der richtigen Person 1000 Dollar zahlt, kann man wohl jeden umlegen lassen.“

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FOTO: DPA Es war wohl Mord: der kanadische Milliardär Barry Sherman und seine Ehefrau Honey.

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