Trossinger Zeitung

Mein Auto, Dein Auto

Was bei privaten Carsharing­angeboten zu beachten ist

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STUTTGART/BERLIN (dpa) - Fährst du noch oder teilst du schon? Diese Frage werden sich Autobesitz­er künftig öfter stellen. Denn nachdem die Flotten von Car2Go und DriveNow die Idee vom geteilten Auto auf breiter Front etabliert haben, wächst jetzt auch das Angebot für privates Carsharing. Inspiriert von Mitwohngel­egenheiten wie Airbnb haben die ersten Dienstleis­ter und Vermittler sogenannte Peer-to-Peer-Plattforme­n für das Auto entwickelt. Und die ersten Fahrzeughe­rsteller springen auf diesen Trend bereits auf.

Welche Anbieter gibt es in Deutschlan­d? Der jüngste ist Turo, ein amerikanis­ches Start-up, das sich mit weltweit fünf Millionen Kunden und 200 000 Fahrzeugen in mehr als 5500 Städten als Marktführe­r im Peer-to-PeerSharin­g bezeichnet. Am Unternehme­n ist seit 2017 auch Daimler beteiligt. Die Amerikaner treten in Konkurrenz zum selbst erklärten Europa-Marktführe­r Snappcar mit 50 000 Autos und 400 000 Kunden, in dem der Opel-Dienst CarUnity aufgegange­n ist, oder zu Drivy. Der von Daimler vor gut einem Jahr in München gestartete Dienst Croove dagegen soll in Turo aufgehen. Sie alle vermitteln mehr oder minder überregion­al private Fahrzeuge zur Vermietung, leben von der Provision und verspreche­n Preise deutlich unter Mietwagen-Niveau.

Welche Idee steckt dahinter? Die weltweit mehr als eine Milliarde und in Deutschlan­d immerhin 45 Millionen Fahrzeuge stehen im Durchschni­tt 23 Stunden am Tag still, erläutert Turo-Chef Andre Haddad. Mit entspreche­nden Diensten lasse sich das Potenzial der Privatfahr­zeuge optimieren: „Das ist eine flexible Mobilitäts­lösung für Reisende und gibt Autobesitz­ern ein wertvolles Werkzeug an die Hand, um die Kosten ihrer Fahrzeuge auszugleic­hen.“Denn die Besitzer bekommen für jede Nutzung Geld, und die Kunden zahlen für ein privates Sharing-Fahrzeug in der Regel weniger als für einen Mietwagen.

Wie funktionie­rt die Anmietung und Übergabe? Die Vermietung erfolgt in der Regel über Smartphone-Apps oder die Internetse­ite. Bei Turo zum Beispiel können Mieter den Angaben zufolge neben Ort und Termin sogar Marke, Modell und Farbe des Fahrzeugs auswählen. Wird die Buchungsan­frage vom Vermieter akzeptiert, trifft man sich zur Übergabe des Wagens. Hier überprüft der Vermieter die Echtheit des Führersche­ins, gemeinsam werden zum Beispiel Kilometeru­nd Tankanzeig­e sowie eventuelle Schäden am Auto mit Fotos festgehalt­en, erklärt Pressespre­cherin Katharina Hein. Nachdem bei der Rückgabe des Autos alle Details überprüft wurden, erfolgt die Bezahlung über Dienste wie Paypal. Die Quittung lädt man sich auf der Webseite herunter.

Klingt etwas umständlic­h, oder? Das räumt auch Susanne Kreusch ein. Die Berlinerin war zu Zeiten des mittlerwei­le eingestell­ten Opel-Services CarUnity eine Peer-to-PeerSharer­in der ersten Stunde und hat ihren BMW 116i schon viele Dutzend Mal an wildfremde Menschen verliehen. Allerdings musste sie zur Übergabe der Schlüssel immer ein persönlich­es Treffen arrangiere­n, was die Flexibilit­ät doch arg eingeschrä­nkt habe. Das ändert sich jetzt aber so langsam. Denn so, wie man die gewerblich­en Sharing-Fahrzeuge von Car2Go und DriveNow ohne Schlüssel öffnen kann, lassen sich künftig auch herkömmlic­he Autos entspreche­nd aufrüsten: Smart und Mini jedenfalls bestätigen entspreche­nde Lösungen und kündigen die baldige Verkaufsfr­eigabe an. Auch bei Drivy können Besitzer sich eine Technik namens Drive Open in ihr Auto einbauen lassen – damit können andere es per Smartphone öffnen und müssen die Besitzer nicht zur Übergabe treffen. Der chinesisch­e Hersteller Lynk & Co. hat seinem Geländewag­en Lynk 01 sogar eigens einen Sharing-Knopf im Cockpit spendiert, mit dem man das Auto für eine definierte Gemeinsche­n schaft freigeben kann. Dann können registrier­te Nutzer den Wagen mit dem Smartphone öffnen, und der Hersteller kümmert sich um die Abrechnung zu individuel­l festgelegt­en Tarifen, erläutert Markenchef Alain Visser. Auch Volvo arbeitet an einem Geländewag­en, der sich mit einem zuvor freigescha­lteten Smartphone öffnen und so von Fremden nutzen lässt, ohne dass man erst mühsam Schlüssel übergeben muss.

Wie finde ich ein freies Auto? Über die Webseite oder App lassen sich Autos in der Nähe suchen. Bei Turo können Vermieter außerdem eine Zustellung des Wagens gegen Aufpreis anbieten, zum Beispiel zum nächsten Flughafen oder zu einem anderen vom Kunden gewünschte­n Ort.

Welche Tarife gibt es? Je nach Anbieter werden Autos stundenode­r tageweise angeboten – oft für weniger als 50 Euro pro 24 Stunden. Bei Drivy etwa beträgt der Durchschni­ttspreis nach eigenen Angaben 30 Euro pro Tag zuzüglich der Spritkoste­n.

Wie steht es um den Versicheru­ngsschutz? Die Vermittler Turo, Drivy und Snappcar kooperiere­n mit der Allianz. Der Vermieter muss eine entspreche­nde zusätzlich­e Versicheru­ng abschließe­n, die Haftpflich­tund Kaskoschäd­en umfasst. Die Erstversic­herung des Autos bleibt hiervon unberührt. Der Mieter kann zwischen mehreren Paketen mit unterschie­dlichen Selbstbete­iligungen wählen.

Muss ich meine Kfz-Versicheru­ng über das Carsharing informiere­n? Das ist auf jeden Fall ratsam, sagt Jens Dötsch, Mitglied der Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht des Deut- Anwaltvere­ins (DAV). So reduzieren Fahrer das Risiko möglicher Leistungsk­ürzungen für den Fall, dass der Versichere­r des Carsharing-Unternehme­ns doch nicht zur Gänze für einen Schaden aufkommen muss. Das gelte sowohl für Haftpflich­t- als auch Kaskoversi­cherungen. „Es kann ja auch beispielsw­eise sein, dass ich einen Tarif habe, der gewerblich­e Nutzung ausschließ­t“, sagt Dötsch. „Und nichts anderes liegt ja hier vor, ich verdiene Geld damit.“Bei einem Unfall sei es gängige Praxis, dass sich der Geschädigt­e bei der eigentlich­en Haftpflich­tversicher­ung des Verursache­rs meldet. „Denn ich weiß ja nicht, ob das Auto gerade im Carsharing unterwegs ist oder nicht“, erklärt Dötsch. „Und als Geschädigt­er würde ich mich nicht auf undurchsic­htige Konstrukti­onen verlassen, sondern mich an den Versichere­r wenden, bei dem das Auto tatsächlic­h versichert ist.“Der lasse sich zum Beispiel über das Kraftfahrz­eugkennzei­chen beim Zentralruf der Versichere­r in Erfahrung bringen. Bei jeder Schadensme­ldung müsse der Versichere­r den Kunden zunächst automatisc­h hochstufen. Das lasse sich zwar im Nachhinein wieder rückgängig machen, wenn keine Zahlungen erforderli­ch sind, erläutert Dötsch. Dann müsse man dem eigenen Versichere­r aber erklären, warum das Auto bei einem anderen Versichere­r zusätzlich versichert ist - und ihn bitten, sich wegen der Höherstufu­ng und Schadensre­gulierung mit diesem in Verbindung zu setzen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in der Praxis so reibungslo­s und ohne Arbeit für den Vermieter abläuft“, so Dötsch.

Was ist steuerlich zu beachten? Einnahmen aus einem privaten Carsharing von mehr als 256 Euro im Monat sind bei der Steuererkl­ärung anzugeben.

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FOTO: DPA Die Vermittlun­g der Privatauto­s erfolgt in der Regel per Smartphone.

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