Trossinger Zeitung

Nagelprobe für Ordensritt­er Kretschman­n

Der erste grüne Ministerpr­äsident wird wider den tierischen Ernst ausgezeich­net

- Von Elke Silberer

AACHEN (dpa) - Gut, dass Winfried Kretschman­n nicht auf seine Parteifreu­nde und „PR-Fritzen“gehört hat. Die wollten ihn mit „pazifistis­cher Gewalt“davon abhalten, tief im Westen den höchsten Orden anzunehmen, wie der Sigmaringe­r am Samstag erzählt: „Meine PR-Fritzen haben gesagt, ich bekäme die meisten Likes, wenn ich sage: Ich nehme den Preis nicht an.“Der erste und bisher einzige grüne Ministerpr­äsident in Deutschlan­d hat den Aachener Orden wider den tierischen Ernst für Humor und Menschlich­keit im Amt angenommen. Dafür steigt der eingefleis­chte Narr und stolze Träger des Froschkutt­elordens seiner Riedlinger Narrenzunf­t in die rheinische Bütt – und besteht die Nagelprobe. Er bekommt für seine mit Humor und Ironie gespickte Antrittsre­de als Ordensritt­er kräftigen Applaus.

Direkt vom Grünen-Parteitag in Hannover kommt er in den Aachener Karneval und schießt sich gleich mal warm. Den Grünen werfe so mancher vor, sie seien nur noch CDU plus Krötenwand­erung. „Ich seh das anders: Wenn mein Duzfreund Seehofer mit viel Gequake zur Merkel nach Berlin schleicht – das ist für mich CDU plus Krötenwand­erung. Plus Krötenschl­ucken.“

Als gestandene­r Katholik bete er für Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Und für den Schutz des Juchtenkäf­ers. Und für SPD-Chef Martin Schulz, „dass seine Achterbahn­fahrt nicht zur bundesdeut­schen Geisterbah­nfahrt wird“.

Schon ganz im Rheinland angekommen, duzt Kretschman­n seinen Laudator, den Linken-Politiker Gregor Gysi: Beide sind 70, beide seien sie in der Schule zu Besserwiss­ern ausgebilde­t worden, und beide seien in der Spätpubert­ät in den Sog linksextre­mer Kaderschmi­eden geraten: Er selbst sei Mao-Jünger im Kommunisti­schen Bund Westdeutsc­hland geworden, „Gysi Russenknec­ht der SED“. „Er hat immer gut geschwätzt und stets wenig bewirkt. Bei mir ist es bekanntlic­h genau umgekehrt.“

Gysi bleibt in seiner Laudatio beim Sie und bei „Herr Kretschman­n“. Ein wichtiges Pfund von Politikern sei die Glaubwürdi­gkeit, die Authentizi­tät. „Deshalb mag ich Sie besonders, wenn Sie unverhohle­n Ihren Ärger über Dinge zeigen, die quer laufen – wenn Sie leicht cholerisch schimpfen.“Man merke, dass das dann echt sei.

Im Gegensatz zu Kretschman­n hat sich sein nordrhein-westfälisc­her Amtskolleg­en Armin Laschet (CDU) voll kostümiert: Mit wilder Mähne und Rauschebar­t ist er als Pirat kaum wiederzuer­kennen. Er und sein Piratenfre­und, der Grünen-Politiker Cem Özdemir, wollten nach Jamaika. Sie warteten aber auf die „liberale Fönfrisur“, wie Özdemir sagt. Bis Laschet ruft: „Guck, da kommt der Christian Lindner und sagt, er kommt nicht mit: Lieber nicht segeln als falsch zu segeln.“Anders als in den Vorjahren fehlt Lindner diesmal bei der Ordensverl­eihung. Humorist Guido Cantz stichelt daher: „Christian Lindner hat abgesagt. Einen Tag vorher. Schneller als nach drei Wochen Sondierung.“

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FOTO: DPA Gruß an Peer Steinbrück vom politische­n Gegner, so geht korrekte Handakroba­tik: Der neue Ordensritt­er Winfried Kretschman­n (Mitte) zeigt mit anderen Narren den Aachener Gruß „Klenkes“.

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