Trossinger Zeitung

Wenn der Glascontai­ner zum Tatort wird

Junger Mann soll eine hohe Strafe zahlen, weil er an Neujahr Altglas entsorgt hat

- Von Marc Eich

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Typisch Deutsch, eine bodenlose Frechheit oder eine gerechte Strafe? Ein junger Mann soll fast 90 Euro zahlen, weil er an Neujahr einen Glascontai­ner genutzt hat. Tatort Obere Waldstraße in Villingen.

Es ist ein sonniger Nachmittag gegen 14 Uhr, ähnlich wie damals am Tattag, als der 26-Jährige an den Wertstoffc­ontainer tritt. Rund zehn Flaschen zerspringe­n kurz drauf klirrend im Container. Nach nicht mal zwei Minuten ist er wieder verschwund­en. Nichts anderes hatte der junge Mann, der anonym bleiben möchte, an Neujahr gemacht – doch ein Umstand machte ihn zum Täter: Er benutzte den Container an einem Feiertag.

„Das passiert mir nicht noch mal“, sagt er lachend. Das Lachen ist ihm allerdings vergangen, als er eines Abends einen Brief des Bürgeramte­s öffnet. Nicht einmal vier Tage nach der Glas-Entsorgung (so schnell erreicht nicht mal ein üblicher Strafzette­l einen Falschpark­er) war das Schreiben in seinem Briefkaste­n gelandet. Dort ist von einer „Ahndung von Ordnungswi­drigkeiten“die Rede. Der Vorwurf: Der junge Mann hätte am 1. Januar 2018 um exakt 13.55 Uhr den Wertstoffc­ontainer in der Oberen Waldstraße benutzt. „Das war eine böse Überraschu­ng, ich war fassungslo­s“, berichtet der Täter über seine Reaktion. Das Bürgeramt fordert ihn in dem Brief auf, eine Erklärung abzugeben, ansonsten würde ein Bußgeldbes­cheid erlassen werden.

Wie kommt es zu diesem Vorwurf? Wir konfrontie­ren die Stadtverwa­ltung mit dem Schreiben. „Es gab eine schriftlic­he Anzeige aus der Bürgerscha­ft“, berichtet Pressespre­cherin Oxana Brunner und beruft sich dabei auf die Polizeiver­ordnung. Hat ein Nachbar den Verursache­r verpfiffen? Demnach ist „die Kommune für den Schutz gegen Lärmbeläst­igung zuständig und muss bei Verstößen dagegen tätig werden“. Und: Das Benutzen der Wertstoffc­ontainer, so steht in der Verordnung geschriebe­n, sei nur an Werktagen in der Zeit zwischen 7 und 20 Uhr gestattet – Zuwiderhan­dlung ziehe eine Anzeige nach sich.

Von einem strikten Einwurfver­bot zu bestimmten Zeiten ist auf dem Container jedoch keine Rede. Dort wird auf einem Schild lediglich der freundlich­e Wunsch an die Nutzer formuliert: „Bitte nehmen Sie Rücksicht auf Ihre Mitbürger!“In der Regel, so betont Brunner, seien es tatsächlic­h Anzeigen aus der Bürgerscha­ft, auf die die Stadt reagiert – im vergangene­n Jahr war dies nur ein Mal der Fall. Die Wahrschein­lichkeit, einen Verursache­r „auf frischer Tat zu ertappen“sei eher gering – „die 109 Standorte für Glas mit insgesamt 327 Containern in VS werden ja nicht täglich bewacht“, erklärt die Sprecherin. Genau das hat aber wohl einer der umliegende­n – vermutlich lärmempfin­dlichen – Nachbarn gemacht. Um den Übeltäter identifizi­eren zu können, hatte dieser wohl das Auto-Kennzeiche­n des 26-Jährigen an das Bürgeramt geschickt. „Woher soll er sonst wissen, wer ich bin?“

Eines ist jedenfalls sicher – für den Verursache­r wird es richtig teuer! Brunner: „Das Bußgeld beträgt 60 Euro zuzüglich 22,50 Euro Gebühren“Also 88,50 Euro insgesamt. Zum Vergleich: Für die Benutzung eines Mobiltelef­ons am Steuer musste bis vor wenigen Monaten ebenfalls 60 Euro an Bußgeld gezahlt werden. „Das ist wirklich harter Tobak“, schüttelt der junge Mann den Kopf. Besonders bitter stößt dem Beschuldig­ten auf, dass er als ehrenamtli­cher Feuerwehrm­ann Jahr für Jahr kiloweise Müll von Mitmensche­n aus den Wäldern aufpickt, „und jetzt muss ich eine Strafe zahlen, weil ich mein Altglas in einen Container geworfen habe!“

Er sieht deshalb auch erst mal nicht ein, sich zu dem ungewöhnli­chen Tatvorwurf zu äußern. „Ich habe das Schreiben bisher ignoriert.“Der junge Mann ist nun gespannt darauf, wie viel Aufwand das Bürgeramt in der Ahndung einer solchen Tat betreibt ...

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FOTO: EICH Wer sein Altglas außerhalb der vorgegeben­en Zeiten entsorgt, muss in Villingen-Schwenning­en mit einer Geldstrafe rechnen.

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