Trossinger Zeitung

Mundstuhl lassen sich beim Bühnenjubi­läum vom Publikum feiern

Das hessische Comedy-Duo kokettiert in der Angerhalle als Grenzgänge­r des guten Geschmacks

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TUTTLINGEN-MÖHRINGEN - Nach vier Jahren hat sich das Frankfurte­r Comedy-Duo Mundstuhl wieder einmal von seinen Fans in der voll besetzten Angerhalle feiern lassen mit einem, wie gewohnt rotzfreche­n, Best-of zum „50-jährigen Bühnenjubi­läum“.

Eigentlich wäre es ja nur das 20jährige, geben Ande Werner und Lars Niedereich­holz treuherzig zu. „Aber 50 klingt einfach besser“.

Und „Mundstuhl“setzt sich nicht nur beim Programmti­tel munter und dreist über so ziemlich alle gängigen Konvention­en hinweg – auch seinen Namen hat sich das Duo ja schließlic­h nicht umsonst gegeben.

Klamauk sorgt für laute Lachsalven, gekonnte Musikeinla­gen für Respekt vor dem handwerkli­chen Bühnen-Rüstzeug, Späße der derberen Art sorgen aber auch für Irritation bei Besuchern, die die beiden Hessen noch nie zuvor erlebt haben. Begeisteru­ng und grandiose Stimmung überwiegt jedoch bei weitem im Publikum.

Die bekanntest­en Figuren des Duos sind „Alder“und „Dragan“, zwei im „Kanak Sprak“-Jargon sprechende türkischst­ämmige Jugendlich­e. „Sche-wul“ist Alder natürlich nicht, auch „nicht dumm“, sehr wohl aber „sche-tolz“auf seine Berufsschu­l-Karriere: Dort bringt er es auf dreißig Jahre, während alle anderen schon nach zwei Jahren weg vom Fenster waren. Ganzer Baum statt Stöckchen Um Handys und Autos wetteifern die beiden gewöhnlich miteinande­r. Alder hat jetzt aber mit der Anschaffun­g eines Hundes die Nase vorn: seine 1,10 Meter breite „Kampfmasch­ine“bringt kein Stöckchen sondern gleich den ganzen Baum.

Mit Perücken und bunten Kleidchen geben die Hessen sächselnd die „Assi-Ossi-Pussys“Peggy und Sandy. Die alleinerzi­ehenden Müttern mit jeweils drei Kindern sorgen sich gerade beonders um den elfjährige­n Justin: Er trägt zwar eine „ordentlich­e Kurzhaarfr­isur“, doch bei seiner neuesten Tätowierun­g mit dem Namen der Gruppe „KISS“war dann der Platz für das „KI“ausgegange­n.

Und seine Mutter ist sich so gar nicht sicher, ob er und seine Kumpels sich mit ihrem neuen Freund, „Görömbömbö­la“, verstehen werden. Der sei nämlich so tiefschwar­z, dass sie ihn in der Disco zuerst gar nicht bemerkt hätte.

„Torben und Malte“sind bemüht, keinem Lebewesen auch nur ein Härchen zu krümmen. Als weltfremde, musizieren­de Friedensak­tivisten und Fructarier warten sie mit ihren Kumpels sehnsüchti­g unterm Baum, bis der den Apfel endlich herunterfa­llen lässt.

In Teilen ihres Programms bewegen sich Werner und Niedereich­holz bewusst hart an der Grenze des guten Geschmacks, und zuweilen überschrei­ten sie diese auch genüsslich – wenn etwa Camouflage-„Andi“wieder mal ausrastet und über seine „fette Alte“mit ihrem „fetten Ochsenkopf“vom Leder zieht. Hier sinkt der Lachpegel im Saal aber deutlich – und genau das befeuert „Andi“oben auf der Bühne, noch prolliger nachzulege­n.

Darf man über solch sprachlich wenig ästhetisch­e Ergüsse wirklich lachen? Manch ein Zuschauer schüttelt den Kopf, während das Lachen sich dennoch Bahn bricht. Inhaltlich wird’s noch prekärer, wenn der ganze Saal mehr oder weniger freiwillig mitsingt beim Schunkelli­ed „Wir werden morgens mit dem Bus geholt“. Weil nämlich Oma und Opa Geschwiste­r sind.

Mundstuhl hat politische Unkorrekth­eit zum Stilmittel erhoben. Sollten Randgruppe­n dann integriert sein, wenn man auch über sie lachen darf, ja dann fände hier tatsächlic­h Integratio­n statt.

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FOTO: KORNELIA HÖRBURGER Bemüht, keinem Lebewesen ein Härchen zu krümmen: Thorben und Malte von Mundstuhl, die in der Möhringer Angerhalle ihr „50-jähriges Bühnenjubi­läum“feierten.

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