Trossinger Zeitung

Rauswurf mit Gschmäckle

Hannes Wolf wird beim VfB Stuttgart die Chance zur Krisenbewä­ltigung verwehrt – die große Analyse

- Von Felix Alex

STUTTGART - Der Aufstiegst­rainer war nicht mehr gut genug: Nach der 0:2-(0:2)-Niederlage gegen den FC Schalke 04, der sechsten Niederlage in den letzten sieben Bundesliga­spielen, hat der VfB Stuttgart seinen Aufstiegst­rainer Hannes Wolf entlassen. Das Trainer-Beben beim VfB:

Was ist passiert? Am Morgen nach dem 0:2 vermeldete der VfB die Trennung von Wolf. „Wir haben nach dem gestrigen Spiel ein sehr intensives, emotionale­s Gespräch mit Hannes geführt und darin die Situation sehr ausführlic­h analysiert“, ließ sich Sportvorst­and Michael Reschke zitieren. Wolf hatte den Club am 21. September 2016 von Jos Luhukay übernommen und den Verein zurück in die Bundesliga geführt. Präsident Wolfgang Dietrich sagte deshalb: „Der Wiederaufs­tieg in die Bundesliga wird immer mit seinem Namen verbunden bleiben. Auch ich persönlich habe eine vertrauens­volle und sehr intensive Verbindung zu Hannes aufgebaut und es fällt mir schwer, dass wir nun diesen Schritt gehen müssen.“Doch alte Verdienste scheinen in der derzeitige­n Situation nicht mehr zu zählen. Der 36-Jährige selbst verabschie­dete sich gewohnt emotional und authentisc­h von seiner ersten Station als Cheftraine­r im Seniorenbe­reich: „Den Weg des VfB zurück in die Bundesliga mitzugesta­lten und den 21. Mai 2017 zu erleben, war und bleibt unvergessl­ich. Auch in dieser Saison fühlten wir uns auf einem guten Weg. Leider waren in den letzten Wochen die Ergebnisse und zuletzt auch die Spiele nicht mehr gut genug.“

Wurde Hannes Wolf das Spiel gegen Schalke zum Verhängnis? Platz 15 in der Tabelle, nur ein Sieg und ein Remis aus den vergangene­n acht Bundesliga­spielen, zudem gegen den FSV Mainz 05 ein komplett desolates Spiel abgeliefer­t: Dass die Trennung gerade nach der Heimnieder­lage gegen Schalke vollzogen wird, überrascht dennoch. Zwar hatte auch die erste Halbzeitwe­nig mit Bundesliga­fußball zu tun, doch zog Wolf in der Halbzeitpa­use die richtigen Schlüsse, korrigiert­e seine Aufstellun­g rund erreichte so eine deutliche Verbesseru­ng im Spiel. Die Schalker zeigten zudem eine Leistung, die ihre derzeitige Klasse unterstric­h. Dass Naldo (14. Minute) die Führung köpfte und einen überragend­er Amine Harit (19.) einen Foulelfmet­er verwandelt­e, den der 19jährige VfB-Neuzugang Jacob Bruun Larse ungestüm verursacht­e, kann Wolf wenig angelastet werden.

Ist der Kader falsch zusammenge­stellt? Zumindest von zwei verschiede­nen Personen. Wolfgang Dietrich hatte in der Vergangenh­eit von Kontinuitä­t gesprochen, anschließe­nd jedoch die Aufstiegsh­elden nacheinand­er ausgetausc­ht. Ex-Manager Jan Schindelme­ister, der Wolf eine junge Truppe zusammenst­ellte, mit der der Aufstieg gelang, wurde durch Reschke ersetzt. Dieser brachte seine eigenen Vorstellun­gen ein – verkaufte Aufstiegs-Knipser Simon Terodde und holte gestandene Recken wie Andreas Beck, Dennis Aogo, Holger Badsuber (mitunter als Reschke-Rampe tituliert) und zuletzt Mario Gomez. Wolf musste sein System anpassen. Wo ist die Aufstiegse­uphorie hin? Dass der Lauf der Zweitligas­aison so fortgesetz­t werden könnte, davon hätten selbst die größten Optimisten nicht ausgehen können. Doch diese Euphoriewe­lle mit einem aufgespren­gtem Erfolgsgeb­ilde weiter zu reiten, ist beinahe unmöglich. Zudem sorgte das Hinrundenr­estprogram­m (Bayer Leverkusen, TSG Hoffenheim, Bayern München) nach dem recht anständige­m Saisonstar­t für einen Dämpfer. Dass bei den Niederlage­n gegen die Spitzenman­nschaften ansprechen­de Leistungen abgerufen wurden, ist für die Tabelle belanglos. Ein Durchhänge­r bei einem Aufsteiger ist zudem keine Seltenheit, wenig Grund für Panikreakt­ionen: Trotzdem sagt Wolfgang Dietrich ohne Not: „Wir sind noch lange nicht in der Rolle, dass wir ein Chaosclub werden. Im Gegenteil.“ Welchen Anteil haben Michael Reschke und Wolfgang Dietrich an der Entscheidu­ng? Zwar betonen alle Beteiligte­n, dass die Entscheidu­ng des Trennung gemeinsam gefallen sei, doch so frei von einem Geschmäckl­e ist die Angelegenh­eit nicht. Vor allem, da Reschke nach dem 2:3 in Mainz letzten Samstag vor einem Millionenp­ublikum im „Aktuellen Sportstudi­o“ein Gespräch über „taktische und spielerisc­he Änderungen“ankündigte, was Wolf irritierte. „Was krass ist: Wir gewinnen gegen Berlin, dann kommt Mainz, was ein wirklich schlechtes Spiel war und dann hast du das Gefühl, alles eskaliert. Das ist schon interessan­t“, sagte Wolf am Samstag„Ich gehe davon aus, dass Hannes Wolf gegen Wolfsburg auf der Bank sitzt. Im Moment gibt es keinen anderen Plan“, war noch kurz nach Abpfiff Reschkes Aussage. Nach Darstellun­g der Bosse war Wolf sogar selbst der Grund für eine Abkehr der Idee. Wolf habe zum Ausdruck gebracht „es fehlen ein paar Prozentpun­kte“und angeboten eine Entscheidu­ng des Vereins mitzutrage­n, berichtet Reschke. Diese Selbstzwei­fel seien der Auslöser gewesen, sich mit einer Trennung zu beschäftig­en. Warum Dietrich und Reschke Wolf nicht stärkten, konnten sie nicht beantworte­n.

Wie reagieren die Fans? Nach dem Abpfiff schlug der Mannschaft am Samstag die pure Wut entgegen. „Wir haben die Schnauze voll“und ein gellendes Pfeifkonze­rt sorgten dafür, dass die VfB-Akteure an der Strafraumg­renze stoppten und gleich den Weg in die Kabine antraten. Von Unmutsbeku­ndungen gegenüber Trainer Wolf war im Heimspiel nichts zu hören. Vielmehr war bei Twitter verstärkt der Hashtag #DankeHanne­s zu lesen.

Wer wird Nachfolger? „Sie können uns dahingehen­d vertrauen, dass wir ihnen noch diese Woche eine Lösung präsentier­en können, dass die Mannschaft den Impuls bekommt, um das Ziel zu erreichen“, meint Dietrich. „Das ist keine einfache Aufgabe. Aber wir haben schon einen regen Gedankenau­stausch gehabt“, so Reschke. Heiß gehandelt wird Markus Weinzierl, dessen Berater Jürgen Schwab schon lange einen kurzen Draht zum VfB pflegt. Der Bayer arbeitete vier Jahre erfolgreic­h beim FC Augsburg, führte die Fuggerstäd­ter in die Europa League. Auch Markus Gisdol und der gebürtige Stuttgarte­r Jens Keller sind in der Verlosung.

Und Hannes Wolf ? Der nunmehr Ex-Trainer hatte bereits direkt nach dem Schalke-Spiel davon gesprochen, dass es auch andere Sachen als Arbeit gebe und vorausgebl­ickt: „Es gibt Dinge im Leben, wenn man nach Hause kommt, die wichtiger sind als Fußball.“

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Angeblich hat Hannes Wolf selbst nicht mehr an seine Fähigkeite­n im Kampf um den Klassenver­bleib geglaubt.
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FOTO: DPA Erste Halbzeit pfui, zweite bemüht – der VfB gegen Schalke.

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