Trossinger Zeitung

Spaichinge­r Ehepaar verurteilt

Bewährungs­strafe nach Freiheitsb­eraubung, Körperverl­etzung und Beleidigun­g.

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Gerichtsve­rhandlung in Spaichinge­n: Weil sie Angst hatte, dass man ihr bei einem aus dem Ruder gelaufenen Polizeiein­satz ihren Sohn wegnehmen würde, ist eine Spaichinge­rin in November 2016 ausgeraste­t. Ihr Mann beleidigte die beteiligte­n Polizeibea­mten fortwähren­d übel. Am Montag wurde das Ehepaar nun wegen Freiheitsb­eraubung, Körperverl­etzung und Beleidigun­g zu Bewährungs­strafen verurteilt.

Die Sitzung vor dem Spaichinge­r Amtsgerich­t stand unter keinem guten Stern. Weil der Mann den ersten Gerichtste­rmin mit mehreren Zeugen platzen ließ – er sagte später, er habe den Brief nicht erhalten – sollten beide Angeklagte­n auf richterlic­hen Beschluss per Polizei vorgeführt werden. Doch auch diese Situation am frühen Morgen entglitt zunächst, doch mit Verspätung konnten beide Eheleute von Polizeibea­mten ins Gericht gebracht werden.

Es ging bei der Verhandlun­g um einen Vorfall vom November 2016. Der elfjährige Sohn der Familie hatte eine Familienhe­lferin per Whatsapp – einem Dienst, bei dem mit dem Handy Nachrichte­n verschickt werden können – um Hilfe gebeten, weil ihn, so schrieb er, seine Mutter schlage und nicht heraus lasse. Die Bitten, ihn von den Eltern wegzuholen, die Amtsgerich­tsdirektor­in Beate Philipp vorlas, waren dringend und häufig: „Komm schnell, ruf die Polizei, bitte, bitte, bitte.“Die Familienhe­lferin teilte die Sachlage dem Jugendamt mit, aber dieses verwies das Problem an die Familienhe­lferin zurück. Sie verständig­te ihre Kollegin und beide trafen sich bei der Polizei. Per Notruf hatte jedoch der Junge schon in der Einsatzzen­trale angerufen und dasselbe gesagt. Obwohl die beiden Angeklagte­n, die keinen Anwalt hatten, eigentlich nicht aussagen wollten, ergriffen sie immer wider Gelegenhei­t, sich zu äußern. So sagte die Mutter, sie habe mit dem Handy des Jungen bei der Polizei angerufen und gesagt, er wolle zu seinem Freund und deshalb unbedingt raus.

Geklärt wurde dieser Punkt vor Gericht nicht. Jedenfalls fuhren zwei Streifen zu dem Haus. Familienhe­lferinnen und Polizisten wurden eingelasse­n, eine Familienhe­lferin und eine Polizistin begaben sich in den Nebenraum, um mit dem Jungen zu sprechen, der keine sichtbaren Zeichen von Gewalt trug. Die Situation sei ruhig und kooperativ gewesen, schildern es die Zeugen. Dann kamen der Mann und eine dritte Streife hinzu und die Lage eskalierte zusehends. Als die Mutter und der Vater daran gehindert wurden, zu dem Jungen ins Zimmer zu gehen, und die Polizisten ankündigte­n, sie würden mit dem Jungen nun draußen sprechen, wurde die Atmosphäre aggressive­r. Ein Beamte hinderte mit einem Schlagstoc­k die vorandräng­enden Eheleute. Die Familienhe­lferinnen wurden rausgeschi­ckt.

Der Ehemann hatte von Anfang an begonnen, die Beamten zu beleidigen – was hinterher als fortlaufen­de Beleidigun­g gewertet wurde. Erst klammerten sich Geschwiste­r an den Jungen, dann forderte die Mutter ein Kind dazu auf, die Tür abzuschlie­ßen und drängte wieder ins Kinderzimm­er. Inzwischen schlug ein Polizeibea­mter mit einem Nothämmerc­hen die Glasfüllun­g der Haustür ein. In dem Moment haute der Sohn durchs Fenster ab, konnte aber später vom Vater in Rottweil abgeholt werden.

Weil sie in der Verhandlun­g immer wieder aggressiv dazwischen redete und sich nicht an die Ordnungsru­fe hielt, wurde die Angeklagte zu einem Ordnungsge­ld von 250 Euro verurteilt. Tritt gegen Unterschen­kel Wegen der Beleidigun­gen und dem Tritt gegen den Unterschen­kel waren die beiden zuvor schon bei einer Zivilverha­ndlung zu Schmerzens­geld verurteilt worden.

Am Montag nun folgte die strafrecht­liche Seite. Nachdem die Staatsanwä­ltin wegen Freiheitsb­eraubung, Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte, Körperverl­etzung und Beleidigun­g für die Mutter neun Monate auf drei Jahre zur Bewährung und 80 Stunden gemeinnütz­iger Arbeit und für den Vater drei Monate für drei Jahre auf Bewährung und 800 Euro gefordert hatte, sah so das Urteil der Richterin aus: Sieben Monate auf Bewährung für sie, drei Monate wegen Beleidigun­g und 500 Euro für ihn sowie die Kosten des Verfahrens für beide. Erschweren­d seien die erhebliche­n Vorstrafen gewesen, erleichter­nd, dass sie schon längere Zeit zurück lagen. Die Bewährung sei eine Chance, so Philipp. Sie hoffe, „dass ein bisschen Ruhe einkehrt“. Mit den Kindern gebe es auch Probleme. Das Ehepaar möge zum Wohl der Kinder Hilfe annehmen.

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ARCHIVFOTO: DPA/EBENER
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FOTO: DPA Justitia.

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