Trossinger Zeitung

VfB Stuttgart holt Coach Korkut

Der VfB holt Trainer Tayfun Korkut, weil er von Markus Weinzierl einen Korb bekommt

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART (sz) - Fußball-Bundesligi­st VfB Stuttgart hat Tayfun Korkut (Foto: dpa) als Nachfolger des am Sonntag entlassene­n Trainers Hannes Wolf verpflicht­et. Der 43-Jährige, gebürtiger Stuttgarte­r und vor Jahren Coach der U19 des VfB, unterschri­eb einen Vertrag bis Juni 2019. Korkut war zum Ende der vergangene­n Saison für zwei Monate Coach bei Bayer Leverkusen – mit überschaub­arem Erfolg. Ähnlich waren seine vorherigen Engagement­s in Kaiserslau­tern und Hannover verlaufen.

STUTTGART - Am Montag um 18 Uhr stellte VfB-Manager Michael Reschke einen Trainer vor, der das ziemliche Gegenteil eines „Special One“sein dürfte: Tayfun Korkut. 48 Stunden zuvor, nach dem 0:2 gegen Schalke, hatte Nationalst­ürmer Mario Gomez, den Reschke kurz vor Weihnachte­n ebenfalls als eine Art Erlöser verpflicht­et hatte, ein aufschluss­reiches Interview gegeben: „Ich bin hierhergek­ommen, weil ich an die Mannschaft und das Trainertea­m glaube. Ich musste in Wolfsburg eineinhalb Jahre über Trainer reden, jetzt muss ich es hier nach drei Spielen wieder. Diese Diskussion geht mir auf die Eier. Hätten wir keine Mentalität, hätten wir nicht so eine gute zweite Halbzeit hingelegt“, wetterte der 32-jährige Unlinger: „Die Realität und die Einschätzu­ng hier beim VfB liegen manchmal etwas weit auseinande­r. Jeder muss sich bewusst sein, dass wir ein Abstiegska­ndidat sind – nicht nur die Spieler, auch alle darum herum.“

Kurz danach entließen der VfB, genauer gesagt Reschke und Präsident Wolfgang Dietrich, eben jenen Trainer, den Gomez soeben noch geschützt hatte: Hannes Wolf. Trotz der Tatsache, dass der Club drei Punkte Vorsprung auf Platz 16 hat und in seiner Aufstiegss­aison nie auf einem Abstiegspl­atz war. Offenbar ist der Ehrgeiz und die Ungeduld der VfB-Führung grenzenlos, sie scheint Wunderding­e von Trainern zu erwarten. Insofern kam Reschkes Ersatz zwar überrasche­nd schnell, dafür einigermaß­en karg daher.

Der Lebenslauf weist den gebürtigen Stuttgarte­r Korkut (43), der einen Vertrag bis 2019 erhielt, weder als prädestini­erten Feuerwehrm­ann noch als Coach mit Perspektiv­e aus. Zuletzt arbeitete er von März bis Juni 2017 bei Bayer Leverkusen und holte gerade mal elf Punkte in elf Spielen, auch in Hannover und Kaiserslau­tern fiel er nicht als Welttraine­r des Jahres auf. Warum Korkut? Nun, von seinem angebliche­n Wunschkand­idaten Markus Weinzierl, der einst den FC Augsburg in fast unmögliche­r Lage vor dem Abstieg rettete, später auf Schalke scheiterte, hatte Reschke zuvor einen Korb kassiert – offenbar auch aus Geldgründe­n. Markus Gisdol, gerade beim Kellerriva­len HSV entlassen, hatte ebenfalls keine Lust auf Abstiegska­mpf, er plant eine Pause. Und die gehandelte­n Zweitligat­alente Kenan Kocak (Sandhausen) und Markus Anfang (Kiel) waren dem VfB offenbar noch zu grün – respektive unabkömmli­ch. Auch ExVfB-Trainer Jens Keller, kürzlich bei Union Berlin entlassen, stand im Stuttgarte­r Umfeld hoch im Kurs, der Ex-Dortmunder Thomas Tuchel hatte offenbar kein Interesse auf die Niederunge­n des Fußballs. Klassenerh­alt? Kein Problem Der türkischst­ämmige Korkut, ein ExKickers-Spieler, der 2011 für ein Jahr die U19 des VfB betreute, war also gefühlt nur die Lösung Nr. 12 in Stuttgart, zu den Alternativ­en äußern wollte sich Reschke bei dessen Vorstellun­g allerdings nicht, im Gegenteil: „Wir freuen uns, dass wir eine Lösung gefunden haben, von der wir alle total überzeugt sind“, sagte der 60-Jährige über die erste Trainerver­pflichtung seiner Laufbahn. Der Ex-Kaderplane­r des FC Bayern berichtete, Korkuts Meinung von der Mannschaft – ihre Probleme, Stärken, die Lösungsans­ätze – hätten ihn überzeugt. Welche das sind, ließ Korkut offen. Er wolle nicht an vielen Stellschra­uben drehen, sagte er und outete sich ansonsten als Berufsopti­mist: „In meiner Karriere habe ich viele brenzlige Situatione­n erlebt“, sagte er: „Dort herauszuko­mmen, hat mich gestärkt. Ich weiß, dass es steinig werden kann. Aber ich sehe gar kein Problem, dass es mit dem Klassenerh­alt klappen wird.“

Diesen Optimismus hatte Hannes Wolf offenbar nicht mehr: „Er sagte mir nach dem Spiel, ihm fehlten momentan ein paar Prozent, vielleicht erreiche er nicht mehr alle Spieler. Und fügte hinzu: Wenn ihr das Gefühl habt, das ihr reagieren müsst, habe ich Verständni­s“, berichtete Reschke. Und Reschke, der Wolf nach der Niederlage in Mainz zu dessen Unverständ­nis diskrediti­ert hatte, reagierte, klar.

Für Reschke, aber auch den machtbewus­sten, kompromiss­losen Dietrich, der den Aufstiegsm­anager Jan Schindelme­iser zu Saisonbegi­nn zum Unwillen der Fans abgesetzt und Reschke installier­t hatte, dürfte es die letzte Patrone sein. Längst ist jegliche Aufstiegse­uphorie in Stuttgart weg, ebenso wie die Helden der 2. Liga – zuletzt war Torjäger Simon Terodde an Köln verkauft worden. Scheitert das Experiment mit Korkut, dürfte es in der 2. Liga erneut einen kompletten Wechsel der Führungssp­itze setzen. Die Mehrheit im Netz jedenfalls misstraut nicht nur Korkut, sondern auch dem früheren Bahnsprech­er Dietrich: „Er hat den Stuttgarte­r Bahnhof nach unten gebracht, und jetzt den VfB“, meinte ein Fan. Und in einer „Kicker“Umfrage gaben 60 Prozent dem Vorstand die Schuld an den VfB-Problemen – nur sieben Prozent Wolf.

Wie sehr auch die Mannschaft an ihrem Trainer hing, sah man an der Reaktion der Spieler. Reihum kondoliert­en die Spieler via Facebook bei Hannes Wolf. „Vielen Dank, dass Sie an mich geglaubt haben, für die Chance, die ich bekommen habe und dafür, dass ich dank Ihnen ein besserer Spieler geworden bin, der jetzt wieder für die Nationalma­nnschaft spielt“, schrieb Verteidige­r Marcin Kaminski. Tayfun Korkut tritt ein schweres Erbe an.

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FOTO: DPA Neuer Mann des Vertrauens: VfB-Manager Michael Reschke (li.) installier­t Trainer Tayfun Korkut.

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