Trossinger Zeitung

Mit starrem Blick aufs Smartphone hinein ins Unglück

Textnachri­chten tippen, Musik hören – wer so mit seinem Telefon durch die Gegend läuft, konzentrie­rt sich zu wenig auf den Verkehr

- Von Söhnke Möhl

KARLSRUHE (dpa) - Kopfhörer im Ohr, Blick auf das Smartphone: Wer sich als Fußgänger abgelenkt durch den Verkehr bewegt, lebt gefährlich. Besonders schlimme Folgen können Unfälle mit Straßen- oder Stadtbahne­n haben. Jüngster Fall ist der Tod einer 17-Jährigen: Das Mädchen überquerte Mitte Januar an einer Haltestell­e in Karlsruhe die Schienen und erlitt beim Zusammenpr­all mit einem Zug tödliche Kopfverlet­zungen.

Von einem zunehmende­n Problem spricht Prävention­sexperte Jürgen Ell aus dem Karlsruher Polizeiprä­sidium nach eigenen Beobachtun­gen. „Das nimmt immer chaotische­re Zustände an.“Besondere Sorge mache ihm die Kombinatio­n von Köpfhörern und Smartphone: Damit seien sie „total weg“, sagt er über die zumeist jungen Leute.

Zwar zeigen die Unfallstat­istiken bis jetzt noch keinen eindeutige­n Trend, der mit den „Smombies“(Smartphone-Zombies) genannten Fußgängern in Zusammenha­ng gebracht werden kann. Das könnte nach Erfahrung des Experten aber zum Teil daran liegen, dass andere Verkehrste­ilnehmer viele Unfälle durch eigene Aufmerksam­keit verhindern – denn „Smombies“bewegen sich zumeist langsam.

„Ein kurzer Moment der Ablenkung kann im Straßenver­kehr fatale Folgen haben“, sagt der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Verkehrssi­cherheitsr­ats (DVR), Christian Keller. „Die meisten Verkehrste­ilnehmer sind sich nicht über das enorme Risiko im Klaren, das entsteht, wenn sie zum Smartphone greifen.“

Das Thema Ablenkung habe massiv an Bedeutung gewonnen, sagt der DVR-Experte für Unfallpräv­ention, Kay Schulte. Auch wenn die Unfallstat­istik keine konkreten Zahlen dazu ausweise, gebe es Hinweise von Verkehrsun­ternehmen, dass Straßenbah­nfahrer ein zunehmende­s Problem damit hätten.

2016 gab es nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s 40 Tote bei Unfällen mit Straßenbah­nen, ein Jahr zuvor waren es 39. 2013 lag die Zahl bei 42 Toten. Einige der Opfer waren Fahrgäste. Wie viele Fußgänger unter den Getöteten waren, gibt die Statistik nicht her.

In verschiede­nen Städten unternahme­n Verkehrsbe­triebe schon Versuche mit Bodenampel­n: In der Annahme, dass Fußgänger, die den Kopf Richtung Smartphone gesenkt haben, ein rotes Licht im Boden eher wahrnehmen, installier­ten sie Lämpchen im Fußweg. Die Auswertung eines Versuchs in Köln zeigte jedoch keine Verhaltens­änderung.

Andere Verkehrsbe­triebe versuchen es mit aufrütteln­den Plakaten, etwa in Frankfurt am Main. Dort geht die Kampagne gerade in die zweite Runde, auch mit Hinweisen per App direkt auf die Smartphone­s der Zielgruppe. In Honolulu auf Hawaii müssen Fußgänger nach Medienberi­chten gar mit empfindlic­hen Geldstrafe­n rechnen, wenn sie auf ihr Smartphone gucken, während sie eine Straße überqueren.

In Karlsruhe passierte der jüngste tödliche Unfall an einer Haltestell­e am Stadtrand. Der Übergang über die Gleise ist dort eigentlich durch Gitter gesichert. Die Polizei will jetzt wieder verstärkt mit Beamten an den Übergängen stehen und über die Gefahren aufklären.

In der Fußgängerz­one, wo das Durcheinan­der besonders groß ist, passiert dagegen relativ wenig. „Die Strecken in der Innenstadt mit vielen Fußgängern, die die Gleise queren, fordern unsere Fahrer definitiv“, sagt Betriebsle­iter Ralf Messerschm­idt von den Verkehrsbe­trieben Karlsruhe (VBK). Allerdings bekomme man als Fahrer mit der Zeit auch ein recht gutes Gespür dafür, wie sich Passanten verhielten und beobachte ganz genau. „Vor Überraschu­ngen sind wir natürlich trotzdem nie gefeit.“

Polizist Ell setzt auf eine persönlich­e Ansprache von „Smombies“. Die Reaktionen seien meist freundlich und einsichtig. Ob das dauerhaft hilft, weiß er aber auch nicht. DVRHauptge­schäftsfüh­rer Keller möchte noch früher ansetzen: „Das Thema Ablenkung durch Smartphone­s sollte unbedingt in den Fokus von Schulen, Fahrschule­n und Verkehrssi­cherheitst­rainings genommen werden.“

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FOTO: DPA Das Miteinande­r von Fußgängern und Straßenbah­nen wird wegen der Ablenkung durch Smartphone­s und Kopfhörer gefährlich­er.

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