Trossinger Zeitung

Die Gewalt verunsiche­rt Cottbus

Zwischen Rechten und Flüchtling­en kommt es in der Stadt immer häufiger zu Auseinande­rsetzungen

- Von Yvonne Jennerjahn

COTTBUS (epd) - Überfälle auf Flüchtling­e, Messeratta­cken gegen Einheimisc­he: Cottbus ist nach mehreren Gewalttate­n in die Schlagzeil­en gerückt. „Manche Ausländer und manche Deutsche machen Probleme.“So beschreibt eine syrische Frau in Cottbus die Lage in der Stadt: „Das ärgert uns, das macht uns Angst“, sagt sie. Als sie vor zwei Jahren nach der Flucht aus ihrer Heimat nach Cottbus gekommen sei, habe sie „alles sehr gut gefunden“. Sie hat schnell Deutsch gelernt und arbeitet inzwischen als Übersetzer­in. „Wir hatten das gute Gefühl, wir sind hier jetzt in Sicherheit“, erzählt die 45-Jährige. Doch seit einigen Wochen sei alles anders und sie überlege nun, aus Cottbus wegzuziehe­n. „Das ist schade“, sagt sie: „Ich bin traurig.“

Überfälle auf Flüchtling­e und Attacken von Asylbewerb­ern gegen Einheimisc­he haben Cottbus in den vergangene­n Wochen in die Schlagzeil­en gebracht. Brandenbur­gs Kulturmini­sterin Martina Münch (SPD), deren Wahlkreis Cottbus ist, nennt die Vorfälle und den dadurch entstanden­en Eindruck von der Stadt verheerend. Cottbus sei nicht fremdenfei­ndlich, seit Jahren gebe es dort ein großes Engagement für Weltoffenh­eit.

Der Verein Opferpersp­ektive, der Opfer rechtsextr­emer und rassistisc­her Gewalt in Brandenbur­g unterstütz­t, zeichnet schon länger ein eher düsteres Bild von der Stadt und spricht von „enthemmter rassistisc­her Gewalt“. Cottbus ist seit langer Zeit eine Hochburg der Neonazisze­ne in Brandenbur­g. Die AfD ist dort bei der Bundestags­wahl mit gut 24 Prozent stärkste Partei geworden. Zugleich bemüht sich die hoch verschulde­te Stadt mehr als andere Orte um die Integratio­n von Flüchtling­en.

Der Anteil der Ausländer an den gut 100 000 Cottbusser Einwohnern ist nach Angaben der Stadt in den vergangene­n Jahren von 2,5 auf 8,5 Prozent gestiegen. Unter den rund 8500 Menschen mit nicht-deutscher Staatsbürg­erschaft sind knapp 4300 Flüchtling­e und rund 1600 internatio­nale Studierend­e der Brandenbur­gischen Technische­n Universitä­t BTU.

Die Stadt habe bei der Aufnahme von Flüchtling­en die Belastungs­grenze erreicht, sagt Oberbürger­meister Holger Kelch (CDU) und schildert Probleme unter anderem im Kita- und Schulberei­ch, darunter unzureiche­nde Deutschken­ntnisse der Kinder und mangelnden Respekt vor Frauen, die als Sozialarbe­iterinnen mit Flüchtling­en arbeiten. Bürger halten Kritik für überzogen „Es fallen zwar die vielen Ausländer auf, aber selbst habe ich noch keine Merkwürdig­keiten erlebt“, sagt ein 84-jähriger Mann, der in einem Café in der Fürst-Pückler-Passage sitzt: „Ich halte es für überzogen, was jetzt über Cottbus überall berichtet wird.“

„Ich habe welche im Haus, ich habe damit kein Problem“, sagt eine Frau zum Thema Flüchtling­e. Rund 15 Prozent seiner Kunden seien „Neu-Deutsche“, sagt ein Verkäufer im Einkaufsze­ntrum Blechen-Carré, wo es wiederholt zu Übergriffe­n kam: „95 Prozent davon empfinde ich als normal.“Einig sind sie sich die meisten, dass es nur mit wenigen Flüchtling­en Schwierigk­eiten gebe, nämlich mit jungen Männern in Gruppen. Die seien laut, auch respektlos, zum Teil aggressiv, machten keinen Platz, wenn jemand vorbei wolle, sagen sie.

Nach den Messeratta­cken hätten syrische Flüchtling­e dem Oberbürger­meister geschriebe­n, dass sie sich für ihre Landsleute schämen, erzählt die Superinten­dentin des evangelisc­hen Kirchenkre­ises Cottbus, Ulrike Menzel. Und die Gewalttate­n seien Einzelfäll­e. Das Bild, das jetzt von der Stadt verbreitet werde, sei „völlig überzeichn­et“, betont die Theologin.

Das Land hat nun mehr Sozialarbe­iter, mehr Geld und mehr Polizeiprä­senz angekündig­t und einen Zuzugsstop­p für neue Flüchtling­e verhängt. Solche Zuzugssper­ren gibt es bereits für die niedersäch­sischen Städte Salzgitter, Delmenhors­t und Wilhelmsha­ven. „Die Politik reagiert im Moment ein wenig nervös“, sagt Lothar Judith dazu: „Es ist ja nicht so, dass die Gewalt nur von einer Seite ausgeht.“Die Stadt sei bei der Betreuung der Flüchtling­e lange alleingela­ssen worden, kritisiert der Gewerkscha­fter, der dem Vorstand der Initiative „Cottbuser Aufbruch“gegen Rechtsextr­emismus angehört. Mehr Geld vom Land sei deshalb gut. Und: „Wenn jemand Verbrechen begeht, gehört er bestraft, egal wo er herkommt.“

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FOTO: DPA Einsatzkrä­fte von Polizei und Ordnungsam­t versuchen, Ruhe in die Cottbusser Innenstadt zu bringen.

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