„Wir brauchen eine bessere Forschungsförderung“
Isabella Heuser von der Hirnliga beklagt die Unwuchten in der Alzheimerforschung
RAVENSBURG - Die Euphorie, schon bald eine wirksame Behandlung der Alzheimer-Demenz zu finden, ist längst verflogen. Das liegt nach Ansicht von Isabella Heuser, Vorsitzende der Hirnliga, auch an falschen Forschungsschwerpunkten. Im Gespräch mit Andreas Knoch erklärt Heuser, was sich ändern muss. Frau Heuser, woran krankt die Alzheimer-Forschung? Sie krankt unter anderem an der Forschungsstrategie. Im Grunde bearbeiten wir seit Jahren nur die Amyloid-Tau-Hypothese und lassen anderen Ansätze keine Chance, weil sie nicht gefördert werden. Auch müssen wir der klinischen Forschung wieder mehr Gewicht verleihen. Wie ist das zu verstehen? Aktuell ist es so, dass wesentlich mehr Mittel in die Grundlagenforschung fließen. Das liegt unter anderem daran, dass präklinische Studien oftmals scheinbar klarere Ergebnisse hervorbringen. Die Präsenz dieser Ergebnisse in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften ist entsprechend höher, was wiederum dazu führt, dass mehr Gelder in die Grundlagenforschung fließen. Doch Tierversuche lassen sich eben sehr oft nicht auf den Men- schen übertragen. Die klinische Forschung mit Patienten dauert wesentlich länger, die Wissenschaftler müssen sehr viel mehr Sorgfalt an den Tag legen. Da muss sich etwas ändern. Die Krone der Forschung ist die klinische Forschung und nicht die Grundlagenforschung. Ergebnisse aus Tierversuchen bringen also kaum einen Erkenntnisgewinn? Es gibt sehr gute Tiermodelle, und sie sind auch eine wichtige Grundlage, um die Ursachen der Krankheit zu verstehen. Doch während die präklinische Forschung bislang immer positive Ergebnisse hervorgebracht hat, haben daraus entwickelte Therapien beim Menschen bisher immer versagt. Es stimmt einfach nicht, dass man von den Ergebnissen aus Tierversuchen auf eine erfolgreiche Therapiestrategie beim Menschen schließen kann. Mausmodelle sind eben ungeheuer simplizistisch. Das heißt mehr Forschung am Menschen? Wir müssen schneller und intensiver mit Patienten forschen – ohne dabei die Sicherheit zu vernachlässigen. Dafür brauchen wir vor allem eine bessere Forschungsförderung. Deutschland hat mit dem Aufbau des Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen zwar einen ersten Schritt getan, doch ist das angesichts der zunehmenden Dramatik der Krankheit immer noch deutlich zu wenig.