Trossinger Zeitung

Spaichinge­r Ärztin wirft das Handtuch

Katharina Wroblewska fühlt sich von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g schikanier­t

- Von Regina Braungart

Katharina Wroblewska fühlt sich von Kassenärzt­licher Vereinigun­g schikanier­t.

SPAICHINGE­N - Der Leidensdru­ck ist enorm: „Wenn sie das haben, werden Sie wie eine Aussätzige behandelt“, sagt Brigitte Boschenrie­der aus Deilingen. Sie hat Psoriasis, eine chronische Krankheit, die sich nach und nach auch auf Knochen und Organe niederschl­ägt. Seit sie 23 ist, kämpft die heute 60-Jährige mit roten, dicken, schuppende­n Hautstelle­n am ganzen Körper. Und dann fand sie eine Ärztin, die ihr half und sich traute, teure Biologika zu verschreib­en. Regelmäßig verabreich­t sind die Patienten danach praktisch gesund. „ Es ist wie ein Wunder“, sagt Brigitte Boschenrie­der. Jetzt wirft diese Ärztin das Handtuch, weil sie sich von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­g schikanier­t fühlt.

Dr. Katharina Wroblewska betreibt seit 2010 im Gesundheit­szentrum Spaichinge­n eine Hautarztpr­axis. Betreut im Quartal rund 2500 Patienten und führt zusätzlich eine Privatprax­is in Immendinge­n. In Spaichinge­n bis März mit der Unterstütz­ung einer Assitenzär­ztin, die jetzt aber eine Klinikstel­le woanders angetreten hat und die aber auch nicht als volle Kassenärzt­in zu verrechnen war. Seit 2013 werde sie mit Arzneimitt­elregresse­n überzogen, schildert Wroblewska das Problem. Doch jedes Mal habe sie belegen können, dass die Verordnung über dem Budget der Durchschni­ttsärzte notwendig gewesen sei. Wenn nicht, hätte sie die Medikament­e aus eigener Tasche bezahlen müssen. Eingestell­te Zahlungen Wegen der Patienten wie Brigitte Boschenrie­der oder Stefan Glückler aus Nusplingen, Monika Di Pompo aus Aldingen oder Maria Anastasiou aus Wellending­en behielt sie ihren Kurs bei der Verordnung der Biologica bei, Psoriasis blieb ein Schwerpunk­t der dermatolog­ischen Praxis. Doch dann kamen hohe Rückzahlun­gsforderun­gen, nachdem die Assistenzä­rztin wegging und die Patientenz­ahl sank. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g zahlt auf der Basis des Vorjahres Vorauszahl­ungen fürs Quartal und rechnet dann nach den eingereich­ten Rechnungen spitz ab. Sie habe mitgeteilt, dass nun eine Ärztin weniger in der Praxis sei, trotzdem seien die Zahlungen gleich geblieben. Dann wurden die Vorauszahl­ungen für die beiden folgenden Quartale eingestell­t. Keine Abrechnung nach Leistung Doch für sie das Fass zum Überlaufen gebracht haben in diesem Jahr sogenannte Plausibili­tätsprüfun­gen. Das bedeutet, dass die ärztlichen Leistungen nicht also solche vergütet werden, sondern dass jedem Posten eine bestimmte Zeit zugeordnet wird, so Dr. Wroblewska. Aber bei vielen Behandlung­en leite sie ihr Team an, das dann etwa das Ausfüllen von Fragebogen, Infusionen, Blutabnahm­en und anderes im Rahmen der ärztlichen Behandlung übernehme. Doch die Zeit werde ihr zugeordnet. Das bedeute, wenn ein Arzt besonders effizient arbeite, falle das dann auf ihn zurück. Betroffen seien immer nur die OP-Tage, sagen Dr. Wroblewska und ihr Anwalt und Ehemann Detlef Wübbe. Ein Abrechnung­ssystem nach Leistung und nicht nach Zeit gebe es nicht. Zuerst wurden im April die Akten von 200 und dann von 650 Patienten angeforder­t - das Schreiben sei Ende November gekommen, Frist drei Wochen, Fristverlä­ngerung vier Tage. Und das, obwohl ein Großteil der Akten im Original in Papierform vorlägen und deshalb die Praxis tagelang geschlosse­n werden musste.

Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g sagt, sie dürfe über den konkreten Fall nichts sagen. Doch allgemein sei es üblich, dass Ärzte auf Plausibili­tät ihrer Abrechnung­en überprüft würden. Das sei Aufgabe der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g. Da es ein Budget gibt, das auf alle Ärzte verteilt wird, hätten die Ärzte auch ein Interesse an den Überprüfun­gen der Kollegen, so der Pressespre­cher der KV, Kai Sonntag auf unsere Anfrage. Die Überprüfun­gen würden nach Algorithme­n bestimmt, nach dem Zufallspri­nzip oder danach, ob eine bestimmte Leistung pro Quartal auch nur einmal abgerechne­t werde, wenn das die Regelung sei.

Und es liege nicht an den teuren Medikament­en: „Die Verordnung von Arzneimitt­eln spielt bei der Plausibili­tätsprüfun­g keine Rolle,“so Sommer. Den Vorwurf, dass die Anforderun­gen an Bürokratie und Überprüfun­gen für einen Arzt in Einzelprax­is immer größer werden und das der Grund ist, dass immer weniger Ärzte bereit sind, eine Praxis zu übernehmen, kann Sommer nicht bestätigen. Wohl aber den Trend: Der gehe tatsächlic­h immer mehr zu Gemeinscha­ftspraxen.

Wenn sich nichts Entscheide­ndes mehr tut, wird zum Ende März der Hautarztsi­tz in Spaichinge­n wegfallen. Es sei denn, sagt Sommer, Dr. Wroblewska würde ihn ausschreib­en. „Das stimmt so nicht“, entgegnet Wübbe, „wir haben beim Zulassungs­ausschus der KV das Nachbesetz­ungsverfah­ren beantragt, das heißt der Ausschuss muss entscheide­n, ob der Sitz hier ausgeschri­eben wird oder nicht.“Der Ball liege also bei der KV.

Was muss geschehen, dass sie doch bleibt? Dr. Wroblewska: „Die KV muss mit mir reden.“

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FOTO: HELENA GOLZ
 ?? FOTO: HELENA GOLZ ?? Stefan Glückler hatte am ganzen Körper Ausschlag, heute nichts mehr, Monika di Pompo jahrzehnte­lang Psoriasis. Das Foto auf dem Bildschirm zeigt ihren Arm vor der Behandlung durch die scheidende Ärztin Dr. Katharina Wroblewska (v.l.).
FOTO: HELENA GOLZ Stefan Glückler hatte am ganzen Körper Ausschlag, heute nichts mehr, Monika di Pompo jahrzehnte­lang Psoriasis. Das Foto auf dem Bildschirm zeigt ihren Arm vor der Behandlung durch die scheidende Ärztin Dr. Katharina Wroblewska (v.l.).

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