Trossinger Zeitung

Polen erntet viel Kritik wegen des umstritten­en Holocaust-Gesetzes

Regelung zur Falschdars­tellung von NS-Verbrechen schafft Spannungen mit Israel – Scharfe Reaktionen auch aus Brüssel

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WARSCHAU (dpa) - Das polnische Parlament hat das umstritten­e Holocaust-Gesetz verabschie­det und damit internatio­nal Besorgnis und Protest ausgelöst. Mit dem Gesetz könne Polen die eigene Verantwort­ung abstreifen und seinen Anteil am Holocaust an den Juden verleugnen, sagte der israelisch­e Geheimdien­stminister Israel Katz. Mit dem Warschauer Senat hatte auch die zweite Parlaments­kammer für die Vorlage gestimmt. Sobald Polens Präsident Andrzej Duda das Gesetz unterschre­ibt, tritt es in Kraft. Vor allem Israel und die USA übten scharfe Kritik.

Die Vorschrift sieht Geldstrafe­n oder bis zu drei Jahre Haft vor, wenn jemand unter anderem „öffentlich und entgegen den Fakten“dem polnischen Volk oder Staat die Verantwort­ung oder Mitverantw­ortung für vom „Dritten Reich“begangene Nazi-Verbrechen zuschreibt. Dies gilt auch für andere Verbrechen gegen den Frieden oder die Menschheit oder für Kriegsverb­rechen.

Das polnische Außenminis­terium erklärte: „Das Hauptziel der Reform ist der Kampf gegen alle Formen des Abstreiten­s und der Fälschung der Wahrheit über den Holocaust, darunter fällt auch die Schmälerun­g der Verantwort­ung der wahren Täter dieser Verbrechen.“

Polen sollte auf historisch falsche Darstellun­gen nicht mit Straf-, sondern verstärkte­n Bildungsma­ßnahmen reagieren, kritisiert­e die israelisch­e Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem. „Das vom Senat verabschie­dete Gesetz gefährdet die freie und offene Diskussion über die Rolle Polens bei der Verfolgung von Juden zu der Zeit“, hieß es in einer Stellungna­hme. Der Sprecher des israelisch­en Außenminis­teriums, Emmanuel Nachschon, schrieb: „Israel betrachtet mit äußerster Ernsthafti­gkeit jeden Versuch, die historisch­e Wahrheit infrage zu stellen. Kein Gesetz wird die Fakten verändern.“

Das US-Außenminis­terium zeigte sich ebenfalls besorgt. „Wir verstehen, dass Begriffe wie „polnische Todeslager“falsch, irreführen­d und verletzend sind“, erklärte Sprecherin Heather Nauert. Man sei aber besorgt darüber, dass das Gesetz die freie Meinungsäu­ßerung und den akademisch­en Diskurs untergrabe­n könne, wenn es in Kraft trete. Zudem könne es die Beziehunge­n zwischen Polen und anderen Ländern beeinträch­tigen, darunter die USA und Israel.

Gegner des Gesetzes bemängeln, es sei unpräzise formuliert. Dies könnten polnische Regierende nutzen, um Fälle, bei denen die Verantwort­ung von Polen bei Verbrechen an Juden nachgewies­en wurde, zu leugnen. Polens Regierung streitet das ab und argumentie­rt, man wolle sich unter anderem gegen die oft nachlässig gebrauchte historisch falsche Bezeichnun­g „polnische Todeslager“für deutsche Vernichtun­gslager der Nazis im besetzten Polen während des Zweiten Weltkriegs wehren. Tusk: Gegenteil erreicht Der polnische EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk kritisiert­e, genau das Gegenteil sei erreicht: „Die Autoren des Gesetzes haben die niederträc­htige Verleumdun­g (die historisch falsche Bezeichnun­g polnische Todeslager) in die ganze Welt hinausgetr­agen, so effektiv wie niemand zuvor“.

Der EU-Vizekommis­sionspräsi­dent Frans Timmermans forderte alle einst von den Nationalso­zialisten besetzten Länder auf, sich historisch­en Fakten zu stellen. „In allen Ländern unter Nazi-Besatzung gab es viele Helden, die Widerstand geleistet und gegen diese Besatzung gekämpft haben, aber leider fanden sich in all diesen Ländern auch Menschen, die mit den Nazi-Besatzern kollaborie­rt haben, um deren grauenhaft­e Pläne umzusetzen“, sagte Timmermans in Brüssel.

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FOTO: DPA Das POLIN Museum zeigt die Geschichte der polnischen Juden. Das neue polnische Holocaust-Gesetz löst internatio­nal Protest aus.

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