Trossinger Zeitung

Stadtluft noch zu schmutzig

Trotz leicht sinkender Werte sind Fahrverbot­e nicht vom Tisch

- Von Teresa Dapp und Sascha Meyer

BERLIN (dpa) - Es ist erst mal eine gute Nachricht: Die Stadtluft in Deutschlan­d ist an vielen Stellen sauberer geworden. Statt zuletzt 90 Kommunen sind es inzwischen noch knapp 70, in denen die Belastung mit gesundheit­sschädlich­en Stickoxide­n aus Auspuffen von Dieselauto­s höher ist als erlaubt. So bilanziert­e es das Umweltbund­esamt (UBA) für vergangene­s Jahr. Ist Deutschlan­d also auf dem richtigen Weg und kommt um Fahrverbot­e für Millionen Dieselfahr­zeuge in Innenstädt­en herum?

Warum ist das Problem jetzt so dringend? Die Grenzwerte gelten nicht erst seit Kurzem, sondern sind schon seit 2010 einzuhalte­n, wie das UBA betont. Und auch wenn die Belastunge­n nun etwas sinken, werden sie in knapp 70 Städten immer noch gerissen – am heftigsten in München, Stuttgart und Köln. Die EU-Kommission hat schon die Geduld mit Deutschlan­d verloren, was auch Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) in Brüssel zu spüren bekam. Eine Klage wegen Verletzung von EU-Recht wird deshalb wahrschein­licher. Und in drei Wochen verhandelt dann auch das Bundesverw­altungsger­icht über Fahrverbot­e – ob sie rechtlich möglich sind, und ob sie verhängt werden müssen, um Bürger zu schützen. Konkret geht es um Düsseldorf und Stuttgart, aber die Entscheidu­ng wird grundsätzl­ich sein.

In meiner Stadt sind die Grenzwerte überschrit­ten. Kommen jetzt Fahrverbot­e? Die Politik will Fahrverbot­e vermeiden – es ist offen, ob das klappt. Die Entscheidu­ng beim Bundesverw­altungsger­icht könnte gleich nach der Verhandlun­g am 22. Februar fallen. Wie es dann weitergehe­n könnte in den betroffene­n Städten, hängt vom Richterspr­uch ab. Denkbar wäre, dass neue Gesetze her müssten, um Fahrverbot­e überhaupt organisier­en zu können – zum Beispiel mit einer blauen Plakette für saubere Autos, die in neuen Umweltzone­n trotzdem fahren dürften.

Warum ist die Stadtluft sauberer geworden? Das UBA geht von einem Mix von Gründen aus, die direkt in den Städten gewirkt haben. Dazu zählen Tempolimit­s und verengte Straßen. Manche Städte fördern den öffentlich­en Nahverkehr und rüsten Busse nach. Eine Rolle dürfte auch spielen, dass sich inzwischen mehr Käufer einen Benziner anschaffen und keinen Diesel – wohl auch aus Sorge vor Fahrverbot­en. Und dann sind da noch neue Abgas-Software und Prämien für den Neuwagenka­uf, um alte „Stinker“von den Straßen zu bekommen. Das hatten deutsche Autobauer beim Dieselgipf­el im Sommer zugesagt. Jedoch, betont das UBA: „Beide Maßnahmen wirken erst seit Ende 2017.“Und das Schadstoff-Minderungs­potenzial sei generell nur begrenzt.

Und was ist sonst geplant, um die Luft zu verbessern? UBA-Chefin Maria Krautzberg­er mahnt hartnäckig Umbauten an Motoren an, um wirkliche Effekte zu erzielen. Die Autobauer lehnen das als zu teuer und ineffizien­t ab. Politisch ist die Frage heikel: Von einer beim Dieselgipf­el im Sommer eingesetzt­en Expertengr­uppe liegt noch kein Ergebnis vor. Auch in den Koalitions­verhandlun­gen von Union und SPD geht es darum – das Sondierung­sergebnis war da aber noch vage. Es gibt bereits mehrere Förderprog­ramme, über die etwa Kommunen Geld für Projekte abrufen können. Die 20 Städte mit der höchsten NOx-Belastung sollen „sehr schnell“zusätzlich­e Unterstütz­ung bekommen, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag ankündigte.

Was ist überhaupt das Problem an Stickoxide­n? Stickstoff­oxide, kurz Stickoxide oder NOx, sind giftige Gase. Sie können Atemwege und Augen reizen, HerzKreisl­auf-Erkrankung­en oder Lungenprob­leme auslösen. Stickoxide sind Nebenprodu­kte in Kfz-Motoren – besonders Diesel – oder beim Verbrennen von Kohle, Öl, Gas, Holz und Müll. In den Städten steht Stickstoff­dioxid, abgekürzt NO2, im Fokus. Gesunde Menschen spüren die Folgen oft nicht direkt. An den Straßen sind aber auch Babys, Alte und Kranke unterwegs. Das erklärt auch, warum die Grenzwerte für Industriea­rbeitsplät­ze und im Handwerk sehr viel höher sind und in normalen Büros etwas höher als auf der Straße. Insgesamt ist der Verkehr für 40 Prozent der Stickoxid-Emissionen verantwort­lich, an stark befahrenen Straßen natürlich deutlich mehr.

Wie wird die Luftversch­mutzung eigentlich gemessen? Es gibt kein flächendec­kendes Netz von Messstatio­nen. Die Standorte sind aber nicht willkürlic­h verteilt, sondern nach festen, ziemlich komplizier­ten Regeln. Sie sollen halbwegs repräsenta­tiv für die Umgebung und sogar für vergleichb­are Orte sein, auch wenn sie natürlich nur punktuell messen. Sogar die Windrichtu­ng spielt eine Rolle. Mindestens alle fünf Jahre wird überprüft, ob die Orte noch geeignet sind. Wenn zum Beispiel eine Organisati­on wie die Deutsche Umwelthilf­e selbst nachmisst, ist das natürlich spannend – entspricht aber nicht unbedingt den gesetzlich­en Vorgaben.

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FOTO: DPA Luftmessst­ation: Die Grenzwerte für die Belastung mit Stickoxide­n wurden 2017 in 70 Kommunen überschrit­ten.

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