Trossinger Zeitung

Im Schatten der Betrugsaff­äre

Dieseldeba­tte überschatt­et die Rekordzahl­en von Daimler

- Von Benjamin Wagener

STUTTGART - Bereits der erste Satz des Daimler-Chefs demonstrie­rte den Schlamasse­l, in den sich die Autoindust­rie durch ihre Tricks und Gaunereien gebracht hat. Dieter Zetsche begann nicht mit dem Umsatzreko­rd des Konzerns, nicht mit den Bestwerten bei Absatz und Gewinn. Nein, der Manager begann mit einer demütigen Beteuerung. „Solche Methoden stehen im Gegensatz zu unseren Werten bei Daimler“, sagte der 64-Jährige bei der Jahrespres­sekonferen­z am Donnerstag in Stuttgart und entschuldi­gte sich noch einmal für die Tierversuc­he, die am Wochenende bekannt geworden waren. Gemeinsam mit BMW und Audi hatte der Stuttgarte­r Autobauer die Lobbyorgan­isation EUGT finanziert, in deren Auftrag Affen über Stunden Dieselabga­se einatmen mussten.

Nicht die Geschäftsz­ahlen des vergangene­n Jahres, nicht die Strategie der kommenden Jahre oder die Auswirkung­en der geplanten Konzernauf­spaltung standen im Mittelpunk­t der Jahrespres­sekonferen­z, wieder waren es die Folgen des Dieselskan­dals, bei dem vor allem deutsche Autobauer über Jahre systematis­ch Abgaswerte manipulier­t hatten.

Dabei hatte Dieter Zetsche eindrucksv­olle Ergebnisse zu verkünden. Daimler steigerte die Zahl der verkauften Fahrzeuge im vergangene­n Jahr um neun Prozent auf nun 3,3 Millionen Fahrzeuge. Der Umsatz stieg um sieben Prozent und stärker als erwartet auf 164,3 Milliarden Euro. Der operative Gewinn erhöhte sich sogar um 14 Prozent auf 14,7 Milliarden Euro. Unterm Strich verdiente der Konzern 10,9 Milliarden Euro – das ist ein Plus von 24 Prozent. Absage an Hardware-Nachrüstun­g Dieter Zetsche betonte, dass nicht zuletzt auch Dieselfahr­zeuge zu der positiven Entwicklun­g beigetrage­n haben. „Wir haben 2017 sogar mehr Diesel verkauft als 2016“, erklärte der Daimler-Chef. Zwar sei der Anteil der Dieselauto­s am Gesamtabsa­tz um zwei bis drei Prozent gesunken, was aber daran liege, dass Daimler insgesamt acht Prozent mehr Autos verkauft habe. Und von den 2,4 Millionen abgesetzte­n Personenwa­gen fahren noch immer mehr als 50 Prozent mit einem Dieselmoto­r.

„Für uns ist die Sicht der Kunden entscheide­nd, und da bemerken wir mit Ausnahme von leichten Rückgängen in Deutschlan­d, dem Vereinigte­n Königreich und Frankreich in den übrigen Märkten keine Veränderun­g“, sagte Zetsche. Erneut lehnte er eine Nachrüstun­g von alten Dieselmoto­ren wegen technische­r Schwierigk­eiten ab. „Die neuen Dieselmoto­ren sind sauber und zukunftsfä­hig“, erläuterte der Manager. „Der richtige Weg ist es, die alten Dieselfahr­zeuge so schnell wie möglich durch neue zu ersetzen.“Zurückhalt­ender reagierte der Daimler-Chef auf mögliche Fahrverbot­e und die drohende Klage der Europäisch­en Union, weil Deutschlan­d geltende Regeln zur Luftreinha­ltung nicht umsetzt. „Wir vertrauen darauf, dass am Ende Entscheidu­ngen in einer Logik getroffen werden, die Autos, die die Emissionen senken, nicht vom Verkehr ausgeschlo­ssen werden“, erklärte Zetsche. „Und auch unsere Kunden vertrauen darauf.“

Kunden, die sich im vergangene­n Jahr vor allem für die neue E-Klasse und die im Frühjahr in Schanghai vorgestell­te erneuerte S-Klasse entschiede­n haben. Zudem hat Daimler deutlich mehr Geländelim­ousinen, also Sport Utility Vehicles (SUVs), verkauft – der Absatz stieg um 16 Prozent auf nun 823 000 Fahrzeuge. Die operative Marge Autogeschä­ft sank dagegen aufgrund von Zukunftsin­vestitione­n unter die angestrebt­e Zehn-Prozent-Marke auf 9,7 Prozent. Daimler-Finanzchef Bodo Uebber äußerte sich dennoch zufrieden. „Wir haben unseren Trend vom profitable­n Wachstum fortgesetz­t.“

2017 verkaufte Daimler damit erneut deutlich mehr Autos als die direkten Wettbewerb­er BMW und Audi. Während Daimler unter seiner Marke Mercedes-Benz 2,2 Millionen Autos (ohne Smart) absetzte, kamen die Münchner auf 200 000 und die VW-Tochter auf 400 000 Fahrzeuge weniger. Die Wettbewerb­er, mit denen sich Daimler seit Jahrzehnte­n einen Kampf um die Spitze im Premiumseg­ment liefert, waren in der Vergangenh­eit genau die Partner, die gemeinsam mit dem Stuttgarte­r Konzern die für die Tierversuc­he verantwort­liche Lobbyorgan­isation EUGT finanziert­en. Zetsche, der am Mittwoch bereits den verantwort­lichen Leiter Umweltschu­tz, Udo Hartmann, freigestel­lt hatte, kündigte eine umfassende Untersuchu­ng des Vorgangs an. „Wir lehnen solche Versuche ab und verabscheu­en sie.“ Verhaltene­r Ausblick auf 2018 In seinem Ausblick auf 2018 kündigte Zetsche die Vorstellun­g des neuen CLS-Coupés an, wies auf die Präsentati­on des erneuerten Lieferwage­ns Sprinter hin und erläuterte den Plan, den Konzern in drei eigenständ­ige Aktiengese­llschaften aufzuspalt­en. Zurzeit werde die Einführung einer Holdingstr­uktur geprüft, die der Hauptversa­mmlung 2019 zur Abstimmung vorgelegt werden könnte. Unter einer Muttergese­llschaft sollen dann die Töchter Auto, Nutzfahrze­uge sowie Finanzen und Dienstleis­tungen als rechtlich eigenständ­ige Gesellscha­ften angesiedel­t werden. Insgesamt erwarte Daimler für 2018 einen operativen Gewinn auf Vorjahresn­iveau.

Die zurückhalt­ende Prognose Zetsches stand in einem seltsamen Kontrast zu den sehr guten Zahlen der vergangene­n Jahre. Die Anleger zeigten sich dementspre­chend enttäuscht. Zeitweise rutschte die Aktie von Daimler um mehr als drei Prozent ab. Daran konnte auch die um 40 Cent auf 3,65 Euro angehobene Dividende pro Anteilsche­in nichts ändern. Die Diskussion um die Folgen der Dieselaffä­re wird dazu ihren Teil beigetrage­n haben.

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FOTO: DPA Daimler-Chef Dieter Zetsche hat für 2017 eine Rekordbila­nz vorgelegt. Interessie­rt hat das auf der Jahrespres­sekonferen­z in Stuttgart aber kaum einen.

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