Im Schatten der Betrugsaffäre
Dieseldebatte überschattet die Rekordzahlen von Daimler
STUTTGART - Bereits der erste Satz des Daimler-Chefs demonstrierte den Schlamassel, in den sich die Autoindustrie durch ihre Tricks und Gaunereien gebracht hat. Dieter Zetsche begann nicht mit dem Umsatzrekord des Konzerns, nicht mit den Bestwerten bei Absatz und Gewinn. Nein, der Manager begann mit einer demütigen Beteuerung. „Solche Methoden stehen im Gegensatz zu unseren Werten bei Daimler“, sagte der 64-Jährige bei der Jahrespressekonferenz am Donnerstag in Stuttgart und entschuldigte sich noch einmal für die Tierversuche, die am Wochenende bekannt geworden waren. Gemeinsam mit BMW und Audi hatte der Stuttgarter Autobauer die Lobbyorganisation EUGT finanziert, in deren Auftrag Affen über Stunden Dieselabgase einatmen mussten.
Nicht die Geschäftszahlen des vergangenen Jahres, nicht die Strategie der kommenden Jahre oder die Auswirkungen der geplanten Konzernaufspaltung standen im Mittelpunkt der Jahrespressekonferenz, wieder waren es die Folgen des Dieselskandals, bei dem vor allem deutsche Autobauer über Jahre systematisch Abgaswerte manipuliert hatten.
Dabei hatte Dieter Zetsche eindrucksvolle Ergebnisse zu verkünden. Daimler steigerte die Zahl der verkauften Fahrzeuge im vergangenen Jahr um neun Prozent auf nun 3,3 Millionen Fahrzeuge. Der Umsatz stieg um sieben Prozent und stärker als erwartet auf 164,3 Milliarden Euro. Der operative Gewinn erhöhte sich sogar um 14 Prozent auf 14,7 Milliarden Euro. Unterm Strich verdiente der Konzern 10,9 Milliarden Euro – das ist ein Plus von 24 Prozent. Absage an Hardware-Nachrüstung Dieter Zetsche betonte, dass nicht zuletzt auch Dieselfahrzeuge zu der positiven Entwicklung beigetragen haben. „Wir haben 2017 sogar mehr Diesel verkauft als 2016“, erklärte der Daimler-Chef. Zwar sei der Anteil der Dieselautos am Gesamtabsatz um zwei bis drei Prozent gesunken, was aber daran liege, dass Daimler insgesamt acht Prozent mehr Autos verkauft habe. Und von den 2,4 Millionen abgesetzten Personenwagen fahren noch immer mehr als 50 Prozent mit einem Dieselmotor.
„Für uns ist die Sicht der Kunden entscheidend, und da bemerken wir mit Ausnahme von leichten Rückgängen in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Frankreich in den übrigen Märkten keine Veränderung“, sagte Zetsche. Erneut lehnte er eine Nachrüstung von alten Dieselmotoren wegen technischer Schwierigkeiten ab. „Die neuen Dieselmotoren sind sauber und zukunftsfähig“, erläuterte der Manager. „Der richtige Weg ist es, die alten Dieselfahrzeuge so schnell wie möglich durch neue zu ersetzen.“Zurückhaltender reagierte der Daimler-Chef auf mögliche Fahrverbote und die drohende Klage der Europäischen Union, weil Deutschland geltende Regeln zur Luftreinhaltung nicht umsetzt. „Wir vertrauen darauf, dass am Ende Entscheidungen in einer Logik getroffen werden, die Autos, die die Emissionen senken, nicht vom Verkehr ausgeschlossen werden“, erklärte Zetsche. „Und auch unsere Kunden vertrauen darauf.“
Kunden, die sich im vergangenen Jahr vor allem für die neue E-Klasse und die im Frühjahr in Schanghai vorgestellte erneuerte S-Klasse entschieden haben. Zudem hat Daimler deutlich mehr Geländelimousinen, also Sport Utility Vehicles (SUVs), verkauft – der Absatz stieg um 16 Prozent auf nun 823 000 Fahrzeuge. Die operative Marge Autogeschäft sank dagegen aufgrund von Zukunftsinvestitionen unter die angestrebte Zehn-Prozent-Marke auf 9,7 Prozent. Daimler-Finanzchef Bodo Uebber äußerte sich dennoch zufrieden. „Wir haben unseren Trend vom profitablen Wachstum fortgesetzt.“
2017 verkaufte Daimler damit erneut deutlich mehr Autos als die direkten Wettbewerber BMW und Audi. Während Daimler unter seiner Marke Mercedes-Benz 2,2 Millionen Autos (ohne Smart) absetzte, kamen die Münchner auf 200 000 und die VW-Tochter auf 400 000 Fahrzeuge weniger. Die Wettbewerber, mit denen sich Daimler seit Jahrzehnten einen Kampf um die Spitze im Premiumsegment liefert, waren in der Vergangenheit genau die Partner, die gemeinsam mit dem Stuttgarter Konzern die für die Tierversuche verantwortliche Lobbyorganisation EUGT finanzierten. Zetsche, der am Mittwoch bereits den verantwortlichen Leiter Umweltschutz, Udo Hartmann, freigestellt hatte, kündigte eine umfassende Untersuchung des Vorgangs an. „Wir lehnen solche Versuche ab und verabscheuen sie.“ Verhaltener Ausblick auf 2018 In seinem Ausblick auf 2018 kündigte Zetsche die Vorstellung des neuen CLS-Coupés an, wies auf die Präsentation des erneuerten Lieferwagens Sprinter hin und erläuterte den Plan, den Konzern in drei eigenständige Aktiengesellschaften aufzuspalten. Zurzeit werde die Einführung einer Holdingstruktur geprüft, die der Hauptversammlung 2019 zur Abstimmung vorgelegt werden könnte. Unter einer Muttergesellschaft sollen dann die Töchter Auto, Nutzfahrzeuge sowie Finanzen und Dienstleistungen als rechtlich eigenständige Gesellschaften angesiedelt werden. Insgesamt erwarte Daimler für 2018 einen operativen Gewinn auf Vorjahresniveau.
Die zurückhaltende Prognose Zetsches stand in einem seltsamen Kontrast zu den sehr guten Zahlen der vergangenen Jahre. Die Anleger zeigten sich dementsprechend enttäuscht. Zeitweise rutschte die Aktie von Daimler um mehr als drei Prozent ab. Daran konnte auch die um 40 Cent auf 3,65 Euro angehobene Dividende pro Anteilschein nichts ändern. Die Diskussion um die Folgen der Dieselaffäre wird dazu ihren Teil beigetragen haben.