Die Autolobby feiert, wählt und übt sich in Selbstkritik
Verbandsmitglieder rechnen am Rande der Wahl von Bernhard Mattes zum VDA-Chef mit VW-Chef Müller ab
BERLIN (sz/dpa) - „Es war in den letzten zwei Jahren nicht immer einfach uns zur Seite zu stehen. Der eine oder andere bei uns hat es Ihnen nicht einfach gemacht.“Diese selbstkritischen Worte richtete der scheidende Präsident des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, an die Vertreter der Politik, die der Einladung zum Neujahrsempfang des Interessenverbands am Dienstagabend in Berlin gefolgt waren. Jene interne Kritik, am Abend eher vage gehalten, richtete sich Stunden zuvor auf einer VDA-Vorstandssitzung, wie das „Handelsblatt“berichtete, geballt gegen eine Person: VW-Chef Matthias Müller.
Zusammengekommen, um einen neuen Präsidenten zu wählen, geriet die Personalie schnell zur Nebensache. Das 19-köpfige Gremium schoss sich auf den Lenker von Volkswagen ein, sahen ihn doch einige Vertreter der Automobilindustrie als Schuldigen für die aktuell negativen Nachrichten über die Branche wegen der Abgasversuche an Affen. Auch der Unmut über den Vorschlag des VWChefs vor einiger Zeit, die Subventionen für Dieselautos für Elektrofahrzeuge zu verwenden, entlud sich heftig, fast schon an Beleidigungen grenzend. Kein Wunder, denn besonders die Autobauer Daimler und BMW sind auf den Verkauf von Dieselfahrzeugen angewiesen, um die Flottenwerte für Kohlendioxid einzuhalten und so empfindliche Bußgelder zu vermeiden. Bernhard Mattes neuer VDA-Chef Gewählt wurde auch – und zwar einstimmig: Der langjährige FordDeutschlandchef Bernhard Mattes übernimmt zum 1. März die Präsidentschaft des VDA. Der 61-Jährige hatte über 14 Jahre bis 2006 die FordWerke in Köln geleitet. Er sieht die Branche in einem historischen Umbruch. Mattes selbst verwies auf Elektroautos, Digitalisierung, autonomes Fahren und alternative Mobilitätskonzepte sowie die Herausforderung, Verbrauch und Schadstoffausstoß von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor weiter zu senken. „Es geht darum, die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Schlüsselbranche, die von zentraler Bedeutung für den Industriestandort Deutschland ist, zu sichern und auszubauen.“
Als Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschalnd hat Mattes zwar gute Kontakte in die USA, aber Skeptiker bemängeln, er sei politisch nicht so gut vernetzt wie Vorgänger Wissmann, der als ehemaliger Bundesverkehrsminister einen guten Draht zu Bundeskanzlerin Merkel (CDU) hat. Vergangenen Sommer hatte es das Gerücht gegeben, Wissmann solle vorzeitig abgelöst werden, was die Autobauer aber dementierten. Daimler-Chef Dieter Zetsche dankte Wissmann am Dienstagabend und hob hervor, er habe die Interessen der Industrie glaubwürdig vertreten und ihr eine starke Stimme verliehen.