An Platz mangelt es nicht
Neues Obdachlosenheim hat noch Kapazitäten – Strenge Regeln bei der Aufnahme
VS-SCHWENNINGEN (sbo) - Gerade im Winter, gerade zur Vesperkirchenzeit ist das Thema Armut und Obdachlosigkeit in VillingenSchwenningen präsenter denn je. Seit einem Dreivierteljahr steht das neue Obdachlosenheim in der Schubertstraße bereit. Wie wird es mittlerweile angenommen?
Sie seien auf dem Weg zum Einkaufen, erzählen die Mutter und ihr erwachsener Sohn vor der Obdachlosenunterkunft in der Schubertstraße, in der sie von Beginn an leben. Die Frage, ob sie sich wohl fühlen, können sie nicht eindeutig beantworten.
„Natürlich ist es hier sauberer und neuer als in der Turnerstraße“, sagt der Mann, der Epileptiker ist und bisher stets mit seiner Mutter gemeinsam in einem Zimmer untergebracht war. „Aber das geht hier leider nicht mehr, die Auflagen sind streng und Frauen und Männer wohnen getrennt“, berichtet die ältere Frau. Auch der Besuch von Verwandtschaft müsse angemeldet werden, darauf hätte der städtische Mitarbeiter stets ein Auge.
Untereinander verstünden sich die Bewohner bis auf kleine Ausnahmen gut, wenngleich es in der neuen Unterkunft relativ anonym zugehe. Regelmäßig sei ein Sozialarbeiter vor Ort und vermittle leerstehende Wohnungen. „Wenn du einmal keine Wohnung mehr hast, bist du wie in einem Teufelskreis gefangen“, meint der Mann, der schon seit vier Jahren obdachlos ist. Seine Mutter wundert sich, dass das neue Heim nicht stärker ausgelastet ist. Viele Zimmer stünden leer. „Einzig als es richtig kalt war, waren mehr Menschen untergebracht, aber nur kurzfristig.“
Vor rund einem Jahr wurde das ehemalige Fabrikgebäude in der Schubertstraße 29, das zuvor als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber fungierte, zum Obdachlosenheim umgewandelt, um einen Ersatz für das marode und zu enge Gebäude in der Turnerstraße zu bekommen. Dort waren zum Schluss 50 Personen untergebracht. Platz ist in der Schubertstraße hingegen für 80 Personen.
„Die Belegung ist aber nicht voll ausgeschöpft, es sind mal mehr, mal weniger Bewohner“, berichtet Madlen Falke von der städtischen Pressestelle auf Anfrage. Derzeit sei ein Drittel ausgelastet. Die Kapazitäten könnten aber dennoch vorgehalten werden. „So kann die Stadt auch kurzfristig reagieren, wenn es zum Beispiel eine Räumungsklage gibt.“
Und wie läuft das Prozedere rund um die Aufnahme in der Unterkunft ab? Potenzielle neue Bewohner könnten nicht wahllos kommen, erklärt Falke weiter. Ihre Daten müssten polizeirechtlich erfasst und überprüft werden. Dann werde entschieden. „Sie müssen ohne eigene Schuld obdachlos geworden sein“, fügt die Pressesprecherin hinzu.
Die Fälle, bei denen es um Mietstreitigkeiten gehe und trotzdem noch ein Mietvertrag bestehe, müssten auf jeden Fall mit dem Vermieter geklärt werden. „Das Prozedere ist mit strikten Regeln verbunden“, fasst Falke zusammen. Es würden zudem nur Bürger aus Villingen-Schwenningen aufgenommen. Ausnahmen würden unter anderem wirksam, wenn jemand aufgefunden werde. Für auswärtige Nichtsesshafte gebe es andere Unterbringungsmöglichkeiten in der Stadt.
Was Anwohner rund um Schubertund Gewerbestraße bereits im Sommer als ersten Eindruck vermittelt hatten, wird auch im wiederholten Gespräch bestätigt: „Wir bekommen eigentlich gar nichts mit vom Obdachlosenheim“, berichtet eine Anwohnerin aus dem Haus, das genau an den Hof hinter der Unterkunft grenzt. Und ein anderer Nachbar berichtet, dass es nur selten etwas lauter zugehe, sodass die Polizei vor Ort sei. Vielmehr bemängelt er, dass das Haus durch Zaun und Überwachungskameras derart abgeschottet sei. „Das wirkt befremdlich auf alle Nachbarn.“
Auch dem Ordnungsamt der Stadt seien keine Beschwerden bekannt, weiß Madlen Falke. Das alte Gebäude in der Turnerstraße wird übrigens bald endgültig Geschichte sein: Es sei besichtigt und bewertet worden, so Falke, ganz leergeräumt ist es aber noch nicht. „Demnächst wird es schließlich zum Verkauf ausgeschrieben.“