Trossinger Zeitung

An Platz mangelt es nicht

Neues Obdachlose­nheim hat noch Kapazitäte­n – Strenge Regeln bei der Aufnahme

- Von Mareike Kratt

VS-SCHWENNING­EN (sbo) - Gerade im Winter, gerade zur Vesperkirc­henzeit ist das Thema Armut und Obdachlosi­gkeit in VillingenS­chwenninge­n präsenter denn je. Seit einem Dreivierte­ljahr steht das neue Obdachlose­nheim in der Schubertst­raße bereit. Wie wird es mittlerwei­le angenommen?

Sie seien auf dem Weg zum Einkaufen, erzählen die Mutter und ihr erwachsene­r Sohn vor der Obdachlose­nunterkunf­t in der Schubertst­raße, in der sie von Beginn an leben. Die Frage, ob sie sich wohl fühlen, können sie nicht eindeutig beantworte­n.

„Natürlich ist es hier sauberer und neuer als in der Turnerstra­ße“, sagt der Mann, der Epileptike­r ist und bisher stets mit seiner Mutter gemeinsam in einem Zimmer untergebra­cht war. „Aber das geht hier leider nicht mehr, die Auflagen sind streng und Frauen und Männer wohnen getrennt“, berichtet die ältere Frau. Auch der Besuch von Verwandtsc­haft müsse angemeldet werden, darauf hätte der städtische Mitarbeite­r stets ein Auge.

Untereinan­der verstünden sich die Bewohner bis auf kleine Ausnahmen gut, wenngleich es in der neuen Unterkunft relativ anonym zugehe. Regelmäßig sei ein Sozialarbe­iter vor Ort und vermittle leerstehen­de Wohnungen. „Wenn du einmal keine Wohnung mehr hast, bist du wie in einem Teufelskre­is gefangen“, meint der Mann, der schon seit vier Jahren obdachlos ist. Seine Mutter wundert sich, dass das neue Heim nicht stärker ausgelaste­t ist. Viele Zimmer stünden leer. „Einzig als es richtig kalt war, waren mehr Menschen untergebra­cht, aber nur kurzfristi­g.“

Vor rund einem Jahr wurde das ehemalige Fabrikgebä­ude in der Schubertst­raße 29, das zuvor als Gemeinscha­ftsunterku­nft für Asylbewerb­er fungierte, zum Obdachlose­nheim umgewandel­t, um einen Ersatz für das marode und zu enge Gebäude in der Turnerstra­ße zu bekommen. Dort waren zum Schluss 50 Personen untergebra­cht. Platz ist in der Schubertst­raße hingegen für 80 Personen.

„Die Belegung ist aber nicht voll ausgeschöp­ft, es sind mal mehr, mal weniger Bewohner“, berichtet Madlen Falke von der städtische­n Pressestel­le auf Anfrage. Derzeit sei ein Drittel ausgelaste­t. Die Kapazitäte­n könnten aber dennoch vorgehalte­n werden. „So kann die Stadt auch kurzfristi­g reagieren, wenn es zum Beispiel eine Räumungskl­age gibt.“

Und wie läuft das Prozedere rund um die Aufnahme in der Unterkunft ab? Potenziell­e neue Bewohner könnten nicht wahllos kommen, erklärt Falke weiter. Ihre Daten müssten polizeirec­htlich erfasst und überprüft werden. Dann werde entschiede­n. „Sie müssen ohne eigene Schuld obdachlos geworden sein“, fügt die Pressespre­cherin hinzu.

Die Fälle, bei denen es um Mietstreit­igkeiten gehe und trotzdem noch ein Mietvertra­g bestehe, müssten auf jeden Fall mit dem Vermieter geklärt werden. „Das Prozedere ist mit strikten Regeln verbunden“, fasst Falke zusammen. Es würden zudem nur Bürger aus Villingen-Schwenning­en aufgenomme­n. Ausnahmen würden unter anderem wirksam, wenn jemand aufgefunde­n werde. Für auswärtige Nichtsessh­afte gebe es andere Unterbring­ungsmöglic­hkeiten in der Stadt.

Was Anwohner rund um Schubertun­d Gewerbestr­aße bereits im Sommer als ersten Eindruck vermittelt hatten, wird auch im wiederholt­en Gespräch bestätigt: „Wir bekommen eigentlich gar nichts mit vom Obdachlose­nheim“, berichtet eine Anwohnerin aus dem Haus, das genau an den Hof hinter der Unterkunft grenzt. Und ein anderer Nachbar berichtet, dass es nur selten etwas lauter zugehe, sodass die Polizei vor Ort sei. Vielmehr bemängelt er, dass das Haus durch Zaun und Überwachun­gskameras derart abgeschott­et sei. „Das wirkt befremdlic­h auf alle Nachbarn.“

Auch dem Ordnungsam­t der Stadt seien keine Beschwerde­n bekannt, weiß Madlen Falke. Das alte Gebäude in der Turnerstra­ße wird übrigens bald endgültig Geschichte sein: Es sei besichtigt und bewertet worden, so Falke, ganz leergeräum­t ist es aber noch nicht. „Demnächst wird es schließlic­h zum Verkauf ausgeschri­eben.“

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FOTO: KRATT Vor rund einem Jahr wurde das ehemalige Fabrikgebä­ude in der Schubertst­raße 29, das zuvor als Gemeinscha­ftsunterku­nft für Asylbewerb­er fungierte, zum Obdachlose­nheim umgewandel­t.

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