Trossinger Zeitung

Beweise reichen nicht für Sperren

Das IOC-Chaos geht weiter: Der CAS hebt die Sanktionen gegen 28 russische Winterspor­tler wieder auf

-

PYEONGCHAN­G (dpa/SID) - Ein sonniger Tag neigte sich am Olympiaort Pyeongchan­g dem Ende zu, die ersten Athleten waren gerade ins olympische Dorf eingezogen, da erschütter­te der Generalsek­retär des Internatio­nalen Sportgeric­htshofs CAS mit seinem Statement die Sportwelt: Der CAS hat alle Dopingsank­tionen gegen 28 russische Winterspor­tler aufgehoben. Elf weitere Athleten bleiben von den Spielen in Pyeongchan­g ausgeschlo­ssen, ihre lebenslang­en Sperren für Olympia sind aber ebenfalls ungültig. Was für eine Schlappe für das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) und Präsident Thomas Bach.

Vor allem die Begründung war für das IOC, das die Urteile gefällt hatte, eine schwere Niederlage. Denn der CAS kippte die Sperren aus Mangel an Beweisen. Den Juristen erschien zu dürftig, was das IOC zusammenge­tragen hatte, bevor es insgesamt 43 russische Winterspor­tler von künftigen Spielen ausgeschlo­ssen hatte, weil die Athleten bei den Heim-Spielen in Sotschi 2014 von organisier­ten Manipulati­onen profitiert haben sollen.

Für Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunds, ist der CAS-Spruch „ein höchst unbefriedi­gendes Urteil, weil damit das nachweisli­ch vorhandene und völlig inakzeptab­le staatliche Dopingsyst­em in Russland nicht in der gebotenen Härte bestraft werden kann“. Er sprach von einer „schlechten Nachricht für den Weltsport“, jahrelange­r juristisch­er Streit sei nun die Folge.

Das IOC prüft Konsequenz­en, einschließ­lich einer Beschwerde gegen das CAS-Urteil beim Schweizer Bundesgeri­cht. Dort könnte das IOC aber nur gegen formale Fehler vorgehen. Binnen kurzer Zeit musste es schon den zweiten Schlag hinnehmen. Im Lauf der Woche war bekannt geworden, dass die für die Dopingprob­en in Pyeongchan­g vorgesehen­en Urinflasch­en manipulier­bar sind. Die WeltAnti-Doping-Agentur WADA steigt nun wieder auf das ältere Modell um, die Tests seien gewährleis­tet.

Die Rechtsstre­itigkeiten um die Sperren zeigen das Chaos im Weltsport. So hatte das IOC zwar russische Bob- und Skeleton-Sportler für die Spiele gesperrt, an den Weltcup-Wettbewerb­en nahmen sie aber teil. Andreas Trautvette­r, Vizepräsid­ent des Weltverban­ds, fühlt sich im Umgang mit den zuvor gesperrten Russen bestätigt: „Diese Entscheidu­ng vom CAS habe ich erwartet, weil die europäisch­e Rechtslage gilt: die Unschuldsv­ermutung, bis man die Schuld nachgewies­en hat. Die Beweise waren von Beginn an nicht ausreichen­d.“

Kremlchef Wladimir Putin freut sich über das Urteil. „Das bestätigt unsere Position, dass die überwältig­ende Mehrheit unserer Athleten sauber ist“, sagte der Präsident. Zugleich warnte er vor Euphorie: „Es gibt noch einiges zu tun, das ist völlig klar, um bei uns die Programme und die Politik gegen Doping zu verbessern.“Moskau werde dabei mit dem IOC und der WADA zusammenar­beiten. Zuvor hatte Putin den Plan aufgebrach­t, zeitgleich zu den Spielen in Pyeongchan­g in Sotschi Wettbewerb­e für die gesperrten Athleten auszuricht­en.

Nach der Aufhebung der Sperre für 28 Athleten steht nun die Frage im Raum, ob weitere russische Athleten in Pyeongchan­g antreten dürfen. Das IOC betonte: „Die CAS-Entscheidu­ng bedeutet nicht, dass Athleten aus der Gruppe der 28 zu den Spielen eingeladen werden.“Wer nicht sanktionie­rt werde, bekomme „nicht automatisc­h“das Privileg einer Einladung.

Auf der vor einer Woche veröffentl­ichten Einladungs­liste stehen 169 russische Winterspor­tler, die in Pyeongchan­g unter neutraler Flagge und ohne Hymne als „Olympische­r Athlet aus Russland“antreten müssen. „Russland in meinem Herzen“, prangt groß auf den Trikots. Das Hintertürc­hen, durch das möglicherw­eise der eine oder andere Russe doch noch auf die Einladungs­liste gelangen könnte, ist also weiter offen. Der russische Sport drängt darauf:. Sportminis­ter Pawel Kolobkow sagte, nun erwarteten die Sportler, dass das IOC sie auch zu den Winterspie­len in Südkorea zulasse. „Wir sind froh, dass die Gerechtigk­eit endlich triumphier­t hat.“Die CAS-Entscheidu­ng bestätige, dass die Athleten „sauber“seien.

Das besagt sie allerdings nicht. Der CAS betonte, die Athleten seien nicht für „unschuldig“erklärt worden, sondern die Beweislage sei nicht ausreichen­d. Und: Nur die individuel­len Fälle seien beurteilt worden, es sei nicht um die Frage gegangen, ob es ein organisier­tes Dopingsyst­em in Russland gegeben habe. Das Nationale Olympische Komitee Russlands war Anfang Dezember für die Winterspie­le gesperrt worden. Tygart: IOC hat versagt Skeleton-Olympiasie­ger Alexander Tretjakow, Rodler Albert Demtschenk­o und Langlauf-Olympiasie­ger Alexander Legkow gehören zu den Athleten, deren Sperren der CAS nun aufgehoben hat. Die Athleten behalten ihre vor vier Jahren gewonnenen Medaillen. Travis Tygart, Chef der USAnti-Doping-Agentur, übte scharfe Kritik am IOC und warf ihm vor, im Vorgehen gegen das russische Staatsdopi­ng falsch agiert zu haben. „Das Versagen des IOC, den beispiello­sen Angriff Russlands auf das Fairplay rasch und entschloss­en zu bewältigen, hat das Vertrauen der Öffentlich­keit in die Werte der olympische­n Bewegung untergrabe­n. Dutzende Fälle am Vorabend der Spiele durch einen Prozess zu prügeln, hat der Gerechtigk­eit nicht gedient. Die Integrität der Spiele wurde sabotiert.“Tygart, einst federführe­nd in der Aufarbeitu­ng des Dopingfall­s Lance Armstrong, forderte ein Umdenken: „Die ganze Sache stinkt wirklich, der Albtraum für saubere Athleten geht weiter. Das muss sich ändern.“

 ?? FOTO: DPA ?? Alles wieder zurück: Russlands Sotschi-Olympiasie­ger dürfen ihre Medaillen behalten.
FOTO: DPA Alles wieder zurück: Russlands Sotschi-Olympiasie­ger dürfen ihre Medaillen behalten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany