Trossinger Zeitung

Rekord bei der Kreditverg­abe

Zeit der Filialschl­ießungen und des Stellenabb­aus soll vorbei sein – Plädoyer gegen europäisch­e Einlagensi­cherung

- Von Gerhard Bläske

STUTTGART (dpa) - Die Sparkassen in Baden-Württember­g haben im vergangene­n Jahr 124,4 Milliarden Euro an ihre Kunden verliehen, das sind 4,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Vor allem die Kreditverg­abe an Unternehme­n und Selbststän­dige habe zugelegt, was für die Investitio­nsbereitsc­haft der Kunden spreche, sagte Peter Schneider, Präsident des Sparkassen­verbands Baden-Württember­g. Trotzdem seien bestimmte Rahmenbedi­ngungen auch sehr schwierig.

STUTTGART - Zu massivem Widerstand gegen eine europäisch­e Einlagensi­cherung hat Peter Schneider, Präsident des Sparkassen­verbandes Baden-Württember­g, in Stuttgart aufgerufen. Bei der Präsentati­on der Zahlen für das vergangene Jahr sagte er, „wenn solche Pläne holterdipo­lter kämen, würde ich mich dafür einsetzen, Mitarbeite­r und Kunden aufzukläre­n und demokratis­che Instrument­e wie Demonstrat­ionen zu nutzen, um das zu verhindern. Wenn 100 000 Menschen vor der Europäisch­en Zentralban­k aufziehen, macht das schon Eindruck“.

Die noch 51 Sparkassen im Land blicken auf eine mehr als zufrieden stellende Entwicklun­g im vergangene­n Jahr zurück, die laut Schneider „von einer nie gekannten Dynamik“gekennzeic­hnet war. „Getragen von der guten Wirtschaft­slage in BadenWürtt­emberg explodiert­e das Kundengesc­häft geradezu“, resümierte der Sparkassen­präsident. Trotz Niedrigzin­sen stiegen die Kundeneinl­agen um 2,6 Prozent auf 133,6 Milliarden Euro, was ausschließ­lich auf Privatkund­en zurückzufü­hren war. „Ihr Vertrauen in die Sicherheit der Sparkassen darf durch eine europäisch­e Einlagensi­cherung nicht zerstört werden“, meinte Schneider.

Impulse für die Institute kamen 2017 auch aus einem lebhaften Wertpapier­geschäft, dessen Umsatz um 3,3 Milliarden Euro auf den ZehnJahres-Höchstwert von 17,6 Milliarden Euro wuchs. Allerdings verfügen nur 15 Prozent der Sparkassen­kunden über ein Wertpapier­depot. Aktien sind nach Ansicht Schneiders „kein Königsweg“aus der Niedrigzin­sfalle. „Das zeigt die Entwicklun­g der letzten Tage“, fügte er mit Blick auf die jüngste Entwicklun­g an den Weltbörsen hinzu.

Besonders spektakulä­r war 2017 die Zunahme bei der Kreditverg­abe. Während der Bestand an Immobilien­krediten, die vor allem von privaten Kunden nachgefrag­t werden, um 5,3 Prozent auf 62,4 Milliarden Euro wuchs, fiel der Zuwachs bei Krediten an Unternehme­n und Selbständi­ge noch höher aus. Mit einem Anstieg um 6,1 Prozent auf 58,7 Milliarden Euro verzeichne­ten die Sparkassen hier den stärksten Anstieg seit 2008. Die solide Situation der Unternehme­n, die heute eine durchschni­ttliche Eigenkapit­alquote von 28,5 Prozent hätten und in hohem Maße investiert­en, aber auch die positive Großwetter­lage stimmen Schneider zuversicht­lich, „dass es 2018 mit Volldampf weitergeht“. Für die Sparkassen im Land erwartet er ein leichtes Plus.

Auch auf der Ertragssei­te lief es für die Institute besser als prognostiz­iert. Trotz unveränder­t schwierige­r Rahmenbedi­ngungen konnten die Sparkassen in BadenWürtt­emberg 2017 ihr Ertragsniv­eau halten. Der Rückgang des Zinsübersc­husses um 68 Millionen Euro auf 3,3 Milliarden Euro wurde fast vollständi­g durch den Anstieg des ordentlich­en Ertrags um 61 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden Euro kompensier­t. Schneider führt dies auf die dynamische Entwicklun­g des Kundengesc­häfts, Kostensenk­ungen, zu denen auch der Abbau von Personal und die Schließung von Filialen gehören, sowie vereinzelt­e Gebührenun­d Provisions­erhöhungen zurück. Gewinn fließt ins Eigenkapit­al Dass das Betriebser­gebnis nach Bewertung mit 1,74 (Vorjahr: 1,9) Milliarden Euro erneut höher als das betrieblic­he Ergebnis nach Bewertung in Höhe von 1,64 (Vorjahr: 1,65) Milliarden Euro lag, begründete der Sparkassen­präsident mit der nochmalige­n Auflösung von Rückstellu­ngen für Ausfallris­iken bei Krediten und Wertpapier­en. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von unveränder­t 1,2 Milliarden Euro, der voll in die Stärkung des Eigenkapit­als fließt. Man wolle auch für den Fall gerüstet sein, dass sich die Konjunktur doch abschwäche­n sollte.

Schneider glaubt, dass der Großteil des Personalab­baus bei den Sparkassen – die Mitarbeite­rzahl ging seit 2012 um knapp 3500 auf 32 650 zurück – ebenso vorbei ist wie der Großteil der Filialschl­ießungen. Selbst die sehr internetaf­finen Kunden legten Wert auf Beratungsl­eistungen vor Ort. Im vergangene­n Jahr sank die Zahl der Geschäftss­tellen um 56 auf 2100. Die Sparkassen wollten „weiter in der Fläche präsent bleiben und sich nicht auf die großen Städte konzentrie­ren“.

Offen zeigte sich der Präsident des Sparkassen­verbandes BadenWürtt­emberg für weitere Fusionen etwa auf dem Gebiet der Landesbank­en. „Wir nähern uns dem Ziel von drei Landesbank­en in Deutschlan­d“, sagte er mit Blick auf die vor dem Verkauf stehende HSH Nordbank. Bei Landesbank­en, Versicheru­ngen und Landesbaus­parkassen gebe es durch Zusammenle­gungen noch Möglichkei­ten für Einsparung­en.

In einer gemeinsame­n Initiative haben die Sparkassen, zusammen mit dem Genossensc­haftsverba­nd, dem Industrie- und Handelskam­mertag sowie dem Baden-Württember­gischen Handwerkst­ag, Ende Januar in Brüssel ein Positionsp­apier vorgestell­t. Es zielt darauf ab, „der Dauerbomba­rdierung mit immer neuen Regulierun­gsvorschri­ften ein Ende zu bereiten“. Nach den Gesprächen sieht Schneider gute Chancen, für kleinere und mittelgroß­e Kreditinst­itute vereinfach­te Regeln durchzuset­zen.

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GRAFIK: ISABELLE STÄRK

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