Trossinger Zeitung

Jugend in der Provinz

Philip Grönings Berlinale-Film „Mein Bruder Robert“ist im Kreis Tuttlingen entstanden

- Von Dieter Kleibauer

TUTTLINGEN - Im Wettbewerb der Berlinale läuft ein Film, der zum großen Teil in einem Ort bei Geisingen (Landkreis Tuttlingen ) gedreht worden ist. Und dessen Produktion­sgeschicht­e sich über viele Jahre erstreckt: „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“von Philip Gröning.

Eine Tankstelle an einer Landstraße, Wiesen und Getreidefe­lder ringsum. Werbefahne­n flattern, Reifen im Sonderange­bot, „Bild“-Zeitung im Aushang, Zapfsäulen. Ab und zu hält ein Autofahrer an – und stellt fest, dass er in einer Filmkuliss­e gelandet ist. Keine Bedienung, kein Diesel, kein Benzin, das Kassenhäus­chen leer.

Die Tanke stand hier, am Sträßchen zwischen den Dörfern Leipferdin­gen, einem Ortsteil von Geisingen, und Engen-Stetten, für gerade einmal zwei Jahre, als Drehort für den Spielfilm „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“. Eine Produktion mit langer Vorgeschic­hte. Erste Ideen gehen ins Jahr 2007 zurück: Ein Geschwiste­rpaar, in Hassliebe verbunden, bereitet sich aufs Abitur vor, Robert ist zudem in Elenas beste Freundin verliebt. Eine Dreiecksge­schichte vor einem philosophi­schen Hintergrun­d: Martin Heideggers Hauptwerk „Sein und Zeit“spielt eine wichtige Rolle. Kein Blockbuste­r, ein Film fürs Arthaus und für Arte.

Das Drehbuch stammt von Regisseur Philip Gröning und der Schweizer Schauspiel­erin Sabine Timoteo. Sie setzen sich auch mit dem Thema „junge Leute und Provinz“auseinande­r: bleiben oder ausbrechen? Das verlangt nach dem geeigneten Drehort. Die Suche dauert Monate. Praktisch jede Landstraße in BadenWürtt­emberg habe man sich angeschaut, sagt der eigenwilli­ge Gröning, der gerne lange an seinen Filmprojek­ten arbeitet. Auf die Dreherlaub­nis in einem Kartäuserk­loster zu seiner später mehrfach prämierten Doku „Die große Stille“wartete er 15 Jahre. Elf Jahre Vorarbeit Bei „Mein Bruder Robert“dauert das Projekt von der ersten Idee bis zur Premiere mehr als elf Jahre. 2007 schreibt Gröning das erste Treatment, dann geht es auf die langwierig­e Location-Suche. An der Kreisstraß­e 5926/6129 bei Leipferdin­gen wird er schließlic­h fündig. Zwischen Windrädern und Wiesen entsteht eine Avia-Tankstelle aus Sperrholz, die so echt aussieht, dass einzelne Autofahrer dort anhalten. Der Drehort ist eine einsame und windige Hochfläche mit Sicht auf Schwäbisch­e Alb, Schwarzwal­d und sogar bis zu den Schweizer Alpen.

2012 sollen die Dreharbeit­en beginnen, doch mehrere Mitarbeite­r erkranken, so dass Gröning entscheide­t, das Projekt um ein ganzes Jahr zu verschiebe­n – ihm ist es wichtig, dass die Handlung im Herbst spielt. Landratsam­t, Gemeinde und nicht zuletzt die Bauern, deren Land genutzt wird, stimmen zu. Die Leipferdin­ger Bauern haben rund um die Tanke Winterweiz­en und Triticale angebaut; zum Ausgleich für ungenutzte Flächen erhalten sie Silomais als Viehfutter. Der Ortschafts­rat von Leipferdin­gen wird in die Arbeiten eingebunde­n.

Die Kulisse wird eingemotte­t, mit Bauzäunen gesichert und ein Jahr später wieder geöffnet. Von August bis Oktober 2013 wird schließlic­h gefilmt. Das kleine Team rund um die Hauptdarst­eller Julia Zange und Josef Mattes, Sohn der großen Eva, sowie Stefan Konarske („Tatort“) lebt in einem Gasthaus ein paar Dörfer weiter. Es folgen noch ein paar weitere Arbeiten in Nordrhein-Westfalen und im Frühjahr 2014 in Bayern.

Dann verschwind­et das Material auf Jahre in Grönings Studio zur Postproduk­tion. In dieser Zeit ändert Gröning, der auch für Kamera und Schnitt verantwort­lich zeichnet, den Titel von „Mein Bruder Robert“in „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“und findet einen Verleih. Wann der Film ins Kino kommt, steht allerdings noch nicht fest. Seine Weltpremie­re erlebt er aber jetzt im Wettbewerb der Berlinale.

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FOTO: PHILIP GRÖNING Philip Gröning hat lange nach der Location für seinen Film mit Julia Zange und Josef Mattes gesucht. An der Kreisstraß­e bei Leipferdin­gen ist er fündig geworden und hat eine Tankstelle bauen lassen.

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