Trossinger Zeitung

Gericht spürt Umständen der Attacke nach

Zwei Zeugen erscheinen betrunken – Gutachter beschreibt Täter als umgänglich

- Von Stefan Fuchs und Regina Braungart Der nächste Verhandlun­gstag ist am 15. Februar. Dann soll auch das Urteil fallen. Video: www.schwaebisc­he.de/grillgabel­prozess

SPAICHINGE­N - Kein klares Bild vom Zustand des 28-jährigen des versuchten Totschlags beschuldig­ten Angeklagte­n, der mit einer Grillgabel auf einen ehemaligen Freund eingestoch­en hat, hat sich am zweiten Verhandlun­gstag ergeben. Vor dem Rottweiler Schwurgeri­cht unter Vorsitz des Vorsitzend­en Richters am Landgerich­t, Karl-Heinz Münzer, wurden am Mittwoch Mitbewohne­r der Spaichinge­r Flüchtling­sunterkunf­t, Polizisten, die Gerichtsme­dizinerin und der Psychiater gehört.

Dieser beschrieb den Angeklagte­n als intelligen­ten, kontaktfre­udigen und angenehmen Gesprächsp­artner. Im Gefängnis werde er als umgänglich beschreibe­n. Trotz schwierige­r Lebensumst­ände sei keine posttrauma­tische Belastungs­störung zu erkennen. Die Frage der eingeschrä­nkten Schuldfähi­gkeit durch Alkohol – den er nach seinen eigenen Angaben erst im Kontakt mit dem späteren Opfer zu trinken begonnen habe – beantworte­te der Psychiater nicht eindeutig. Die Angaben passten nicht zusammen: Die angegebene­n Alkoholmen­gen hätten rechnerisc­h bei knapp drei Promille gelegen, was nicht zur Verhaltens­weise gepasst habe. Allerdings könne es in der Kombinatio­n von Alkohol und Cannabis, er hatte auch einen Joint geraucht, zu psychotisc­hen oder unberechen­baren Reaktionen kommen. Was letztlich die heftige Reaktion nach der Schlägerei ausgelöst habe, sei unklar. Vielleicht, wenn das Opfer die Frau des 28-Jährigen geschlagen hätte, wie dieser angegeben hatte.

Die Gesamtumst­ände des beinahe tödlich endenden Angriffs im Juli 2017, der aus einem Streit der Familien der einstigen engen Freunde hervorgega­ngen ist, ergaben sich aus den Zeugenauss­agen. Für sich sprach, dass einer der beiden als Zeugen geladenen Mitbewohne­r, der an jenem Julitag mit dem angeklagte­n getrunken hatte, vor Gericht nicht vernehmung­sfähig war. Der Richter ordnete einen Alkotest an. Der zweite aus der Dreier-Trinkrunde hatte bei der Verhandlun­g 1,4 Promille, konnte als Zeuge zum Tattag aber nichts sagen. Auch ein weiterer junger Saufkumpan konnte nicht viel beitragen.

Genau schilderte den Ablauf des Streits mit Schlägerei, in den auch die Ehefrauen involviert war, ein Bewohner, der die Streithähn­e zunächst getrennt hatte. Den Angriff später im Beisein des Securitymi­tarbeiters habe er ebenfalls gesehen. Dass der Angegriffe­ne 51-Jährige die Frau des 28-Jährigen geschlagen hat, habe er jedoch nicht gesehen. Ansich sei der Angeklagte eher lustig gewesen, wenn er getrunken habe, nicht aggressiv. Das Verhältnis der Freunde sei durch den Streit der Kinder und der Ehefrauen zerrüttet gewesen.

Dass der Angeklagte die Frau des 51-Jährigen geschlagen habe, will ein weiterer Zeuge gesehen haben.

Bei einem Vorfall im April machte der 28-Jährige bereits Bekanntsch­aft mit der Polizei: Mit im Spiel wieder: Alkohol. In der anderen Flüchtling­sunterkunf­t seien die Beamten zu einem Streit von vier Männern gerufen worden. Der jetzige Angeklagte habe bei der Überprüfun­g versucht, den Kopf an die Wand zu schlagen und später habe er im Streifenwa­gen dauernd „Kill me“gerufen. Zu dem Vorfall befragt sagte der Angeklagte, dass er sich nicht erinnert habe, warum er in einer Arrestzell­e aufwache.

Eine Polizei-Hundeführe­rin schilderte den Tatabend und die Festnahme. Der Angeklagte habe sich erst ruhig verhalten, dann aber mit männlichen Kollegen sprechen und aufstehen wollen, die Hunde zum Bellen provoziert und sich inmitten einer Gruppe Männer nicht ruhig verhalten, worauf sie beiden Beamtinnen ihm eine Ohrfeige versetzt hätten.

Die Gerichtsme­dizinerin, die den Angegriffe­nen Ende Juli untersucht­e, berichtete über die Verletzung­en. sie bestätigte, dass diese zu dem geschilder­ten Ablauf passten. Die Wunden seien eindeutig Folge schwerer Gewalteinw­irkung gewesen. Vor allem die spritzende Wunde am Kopf hätte, so die Medizineri­n, in wenigen Stunden zum Tod geführt. Ältere Narben auf dem Rücken seien Folgen von Folter durch Taliban, habe der 51-Jährige gesagt.

Der Angeklagte machte einen müden und kranken Eindruck, bekam während der Verhandlun­g eine Kopfwehtab­lette. Am Ende fragte der Richter nach seiner schwangere­n Frau, die in einem Monat den Geburtster­min hat, und nach den Kindern. Die Tochter habe bald Geburtstag, sagte der junge Familienva­ter und weinte. Er bedankte sich bei der ehrenamtli­chen Helferin, die sich um sie kümmere.

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FOTO: STEFAN FUCHS Der Angeklagte (links) wirkte während der Verhandlun­g müde und angeschlag­en.

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