Gericht spürt Umständen der Attacke nach
Zwei Zeugen erscheinen betrunken – Gutachter beschreibt Täter als umgänglich
SPAICHINGEN - Kein klares Bild vom Zustand des 28-jährigen des versuchten Totschlags beschuldigten Angeklagten, der mit einer Grillgabel auf einen ehemaligen Freund eingestochen hat, hat sich am zweiten Verhandlungstag ergeben. Vor dem Rottweiler Schwurgericht unter Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landgericht, Karl-Heinz Münzer, wurden am Mittwoch Mitbewohner der Spaichinger Flüchtlingsunterkunft, Polizisten, die Gerichtsmedizinerin und der Psychiater gehört.
Dieser beschrieb den Angeklagten als intelligenten, kontaktfreudigen und angenehmen Gesprächspartner. Im Gefängnis werde er als umgänglich beschreiben. Trotz schwieriger Lebensumstände sei keine posttraumatische Belastungsstörung zu erkennen. Die Frage der eingeschränkten Schuldfähigkeit durch Alkohol – den er nach seinen eigenen Angaben erst im Kontakt mit dem späteren Opfer zu trinken begonnen habe – beantwortete der Psychiater nicht eindeutig. Die Angaben passten nicht zusammen: Die angegebenen Alkoholmengen hätten rechnerisch bei knapp drei Promille gelegen, was nicht zur Verhaltensweise gepasst habe. Allerdings könne es in der Kombination von Alkohol und Cannabis, er hatte auch einen Joint geraucht, zu psychotischen oder unberechenbaren Reaktionen kommen. Was letztlich die heftige Reaktion nach der Schlägerei ausgelöst habe, sei unklar. Vielleicht, wenn das Opfer die Frau des 28-Jährigen geschlagen hätte, wie dieser angegeben hatte.
Die Gesamtumstände des beinahe tödlich endenden Angriffs im Juli 2017, der aus einem Streit der Familien der einstigen engen Freunde hervorgegangen ist, ergaben sich aus den Zeugenaussagen. Für sich sprach, dass einer der beiden als Zeugen geladenen Mitbewohner, der an jenem Julitag mit dem angeklagten getrunken hatte, vor Gericht nicht vernehmungsfähig war. Der Richter ordnete einen Alkotest an. Der zweite aus der Dreier-Trinkrunde hatte bei der Verhandlung 1,4 Promille, konnte als Zeuge zum Tattag aber nichts sagen. Auch ein weiterer junger Saufkumpan konnte nicht viel beitragen.
Genau schilderte den Ablauf des Streits mit Schlägerei, in den auch die Ehefrauen involviert war, ein Bewohner, der die Streithähne zunächst getrennt hatte. Den Angriff später im Beisein des Securitymitarbeiters habe er ebenfalls gesehen. Dass der Angegriffene 51-Jährige die Frau des 28-Jährigen geschlagen hat, habe er jedoch nicht gesehen. Ansich sei der Angeklagte eher lustig gewesen, wenn er getrunken habe, nicht aggressiv. Das Verhältnis der Freunde sei durch den Streit der Kinder und der Ehefrauen zerrüttet gewesen.
Dass der Angeklagte die Frau des 51-Jährigen geschlagen habe, will ein weiterer Zeuge gesehen haben.
Bei einem Vorfall im April machte der 28-Jährige bereits Bekanntschaft mit der Polizei: Mit im Spiel wieder: Alkohol. In der anderen Flüchtlingsunterkunft seien die Beamten zu einem Streit von vier Männern gerufen worden. Der jetzige Angeklagte habe bei der Überprüfung versucht, den Kopf an die Wand zu schlagen und später habe er im Streifenwagen dauernd „Kill me“gerufen. Zu dem Vorfall befragt sagte der Angeklagte, dass er sich nicht erinnert habe, warum er in einer Arrestzelle aufwache.
Eine Polizei-Hundeführerin schilderte den Tatabend und die Festnahme. Der Angeklagte habe sich erst ruhig verhalten, dann aber mit männlichen Kollegen sprechen und aufstehen wollen, die Hunde zum Bellen provoziert und sich inmitten einer Gruppe Männer nicht ruhig verhalten, worauf sie beiden Beamtinnen ihm eine Ohrfeige versetzt hätten.
Die Gerichtsmedizinerin, die den Angegriffenen Ende Juli untersuchte, berichtete über die Verletzungen. sie bestätigte, dass diese zu dem geschilderten Ablauf passten. Die Wunden seien eindeutig Folge schwerer Gewalteinwirkung gewesen. Vor allem die spritzende Wunde am Kopf hätte, so die Medizinerin, in wenigen Stunden zum Tod geführt. Ältere Narben auf dem Rücken seien Folgen von Folter durch Taliban, habe der 51-Jährige gesagt.
Der Angeklagte machte einen müden und kranken Eindruck, bekam während der Verhandlung eine Kopfwehtablette. Am Ende fragte der Richter nach seiner schwangeren Frau, die in einem Monat den Geburtstermin hat, und nach den Kindern. Die Tochter habe bald Geburtstag, sagte der junge Familienvater und weinte. Er bedankte sich bei der ehrenamtlichen Helferin, die sich um sie kümmere.