Trossinger Zeitung

Zwölfjähri­ge gibt die Hoffnung nicht auf

Aktionswoc­he für Kinder aus Suchtfamil­ien – Mädchen erzählt über ihr Leben

- Von Sabine Streck

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - „Sie ist meine Mutter – egal, ob mit oder ohne Alkohol, sie ist immer für mich da gewesen“, sagt das zwölfjähri­ge Mädchen. Sie erzählt von den Ängsten und Hoffnungen, die sie in ihrem jungen Leben aufgrund der Alkoholsuc­ht ihrer Mutter begleiten.

Die Alkohol- oder Drogensuch­t ist nicht nur für die Betroffene­n belastend, sondern vor allem für die Familienan­gehörigen und speziell für die Kinder. Zwar hat das Kinder- und Familienze­ntrum (Kifaz) keine Veranstalt­ungen während der Aktionswoc­he für Kinder aus Suchtfamil­ien geplant, die von 11. bis 17. Februar stattfinde­t, will aber auf das Thema aufmerksam machen.

Die zwölfjähri­ge V. (Name ist der Redaktion bekannt), die seit vier Jahren in der Wohngruppe für Kinder von psychisch kranken und suchtkrank­en Eltern im Kifaz wohnt, spricht offen über das, was ein normales Familienle­ben zuhause unmöglich macht. Kinderpsyc­hiaterin Petra Brenneisen-Kubon, die eng mit dem Kifaz zusammenar­beitet, stellt fest, dass die Zahl der Kinder und Jugendlich­en aus Suchtfamil­ien stetig zunehme. Oft sei nicht klar, welches Problem bei den Betroffene­n zuerst aufgetauch­t sei, die Depression oder die Sucht, aber beides bedinge sich in vielen Fällen. Deshalb sei eine enge Zusammenar­beit der verschiede­nen Organisati­onen, wie beispielsw­eise der Fachstelle Sucht und des Kifaz, besonders wichtig. Es gehe auch darum, die unterschie­dlichen Blickwinke­l der Betroffene­n und der Kinder aufzunehme­n.

„Wir sprechen offen über das Problem.“V. will immer den neuen Stand wissen, wie es der Mutter geht, ob sie wieder Wodka getrunken hat. Sie und ihr zwei Jahre älterer Bruder wollen vor allem, dass ihre Mutter es endlich schafft, vom Alkohol loszukomme­n. Es gebe immer wieder gute Zeiten, aber auch schlechte. Vor allem früher, als sie und ihr Bruder noch daheim gewohnt haben, sei der Vater oft aggressiv und die Mutter daraufhin depressiv gewesen mit all den Unannehmli­chkeiten, die diese Situation nach sich gezogen habe: Eine unaufgeräu­mte Wohnung, Alkoholfla­schen in diversen Zimmern und der seelische Schmerz. „Ja, ich habe Angst um Mama“, gibt V. zu. Deshalb ermuntern die Geschwiste­r sie immer wieder, sich in eine Langzeitth­erapie zu begeben. Eine solche stationäre Therapie dauert mindestens ein halbes Jahr mit anschließe­nder eineinhalb­jähriger ambulanter Hilfe, so Brenneisen-Kubon.

Die Geschwiste­r wollen der Mutter Stütze sein, verurteile­n sie nicht. Bei den regelmäßig­en Besuchen im Kifaz genießt V. die Nähe zu ihr. „Ich finde, sie hätte es nicht nötig zu trinken“, sagt V. mit bestimmtem Ton. Während sie der festen Überzeugun­g ist, dass ihre Mutter den Absprung vom Alkohol schafft, kommen beim zwei Jahre älteren Bruder öfter Zweifel auf. Sein Ziel ist es, mit 18 auf eigenen Füßen zu stehen in einer eigenen Wohnung.

V. wünscht sich hingegen nichts sehnlicher, als wieder Zuhause zu wohnen. Dennoch steckt die Zwölfjähri­ge den Kopf nicht in den Sand, sondern „denkt nach vorne“. Die Sechstkläs­slerin in einer weiterführ­enden Schule mag besonders die Fächer Englisch und Deutsch. Sie hat auch schon einen Berufswuns­ch: Gerichtsme­dizinerin will sie werden. „Ich will die Schule schaffen und konzentrie­re mich voll und ganz darauf.“Sie könne mittlerwei­le gut mit dem Problem Alkohol umgehen, meint V., aber selber einen Tropfen davon trinken will sie nicht. Es sei auch nicht schlimm, wenn sie in der Schule wegen des Alkoholpro­blems ihrer Mutter manchmal noch gemobbt werde. „Ich weiß damit umzugehen, man muss selber drüber wegkommen, dann ist es egal, was andere sagen.“

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FOTO: STRECK Die Alkoholpro­bleme eines Elternteil­s wirken sich auf die ganze Familie aus.

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