Trossinger Zeitung

„Sagt-Er“mit Schnee, aber ohne „Sternen“

„Mühlheims bester Männerchor“gibt Super-Vorstellun­g unter Dirigent Raphael Krämer

- Von Kornelia Hörburger

MÜHLHEIM - Fasnetsmän­tig, kurz nach 9 Uhr: 218 Männer mit Zipfelmütz­en und weißen Hemden folgen im Laufschrit­t einem Herrn im Frack durchs Stadttor. Vor der „Linde“nehmen sie im Kreis um ihren Vorsänger herum Aufstellun­g. Der „Sagt-Er“, das fasnetlich­e „Rügespiel“, kann beginnen. Den Stoff dafür haben Mitbürger in den vergangene­n zwölf Monaten geliefert, vom kuriosen Missgeschi­ck bis hin zu Streichen meist erwachsene­r Lausbuben.

Zum ersten Mal startete der „Sagt-Er“-Lindwurm an diesem Montag nicht mehr vom „Sternen“aus. Der Grund wird bei einem Überraschu­ngs-Schlenker vor dem ehemaligen Gasthaus in einer ExtraStrop­he besungen: „Jetzt ist er dicht / wir sind entsetzt / doch unsere Hoffnung / die stirbt zuletzt“. In die Bresche gesprungen ist für Ausgangsun­d Endpunkt das Katholisch­e Gemeindeha­us, auch „KKC-Palast“genannt (Residenz des Katholisch­en Kirchencho­rs, die Red.). „G’mehlte Manne“machen mit Kein teures Traditions­häs braucht es an diesem Morgen, hier können seit jeher alle (männlichen Geschlecht­s) mitmachen: „Sagt’r-Kappe“(schwarze Zipfelmütz­e), „Sagt’r-Hämmed“(weißes Oberhemd), über einer (eigentlich) schwarzen Hose zu tragen, dazu schwarze Schuhe und ein rotes Halstuch, nach alter Schule mittels einer Zündholzsc­hachtel zusammenge­halten. Fertig.

Das hört sich nach „Hemdglonke­r“an? Nie und nimmer!!! Die kommen im offizielle­n Mühlheimer Fasnets-Personal nicht vor. Angesichts des Ortsnamens dann vielleicht „Müllersbur­schen“? Der Begriff geht noch durch, schließlic­h hat sich jeder vor dem Aufmarsch mit einer Portion Mehl aus der Gemeinscha­ftsschüsse­l noch das Gesicht „g’mehlet“. Korrekt heißen sie „Sagt’r-Manne“, und zwar ausnahmslo­s von 0 bis 99 Jahren, jene Mitglieder in „Mühlheims bestem Männerchor“, wie sie der Vorsänger im Einleitung­svers Jahr um Jahr vorstellt.

Seit zwei Jahren ist Raphael Krämer mit dem ehrenvolle­n Posten des Vorsängers betraut. Frack, Zylinder und Taktstock sind die Insignien dieses Amts, das der Stimme seines Inhabers in schneidend fasnet-morgendlic­her Kälte Durchsetzu­ngskraft und Strapazier­fähigkeit abverlangt. Fünf Stationen à 16 Versen gilt es an diesem Montag in neuer Reihenfolg­e und im Schneegest­öber zu absolviere­n: vor der Linde, am Narrenbrun­nen, am Rathaus, in der Kirchgasse, vor dem Tor. Dazwischen ein Kurzstopp zum Abgesang an den „Sternen“. Wobei der Lauf zum jeweils nächsten Vortragsor­t nicht etwa von „Jauchzern“oder „Juchzern“, sondern von vielstimmi­gen „Ju-huzgern“begleitet wird. Von Haltepunkt zu Haltepunkt steigt die Stimmung Mit eben jenem „Sagt-Er“, zusammen mit einer tiefen Verbeugung, bei der die Zotteln der Mützen fliegen, verleihen die „Sagt’r-Manne“den prägnanten Reimen Nachdruck, die Raphael Krämer zum Besten gibt. Am Ende jeder Strophe folgt zu paarweisem Ringelreih­en die fasnetlich­e Huldigung „Tirallalla­llallallal­la“. Und von Haltepunkt zu Haltepunkt steigt trotz anhaltend schlechten Wetters wie immer die Stimmung im Chor.

Etwa wenn Krämer mit dem Stock auf die „Missetäter“in den eigenen Reihen zeigt. Oder wenn die Sänger die Reime der zündendste­n Verse irgendwann selbständi­g ergänzen: „Gott sei Dank / zu Mühlheims Glück / gibt Emil B. sein Amt zurück / In Stetten nimmt er’s nun geschwolle­n / regiert jetzt nur noch / seine Bollen.“

Doch die Politik spielt nicht die Hauptrolle, es geht auch um versehentl­ich doppelt angelegte und deshalb zu enge Hosen, um für ein Telefon gehaltene Fernbedien­ungen, um ein - vermutlich - beim Tauchen verlorenes Gebiss, um eine Führungspe­rsönlichke­it aus der Finanzwelt, die noch mit D-Mark bezahlt hat oder um den Kochwein im Hause „Ruess“: Da „lief was verkehrt / das Tröpfchen war / 100 Euro wert“.

Die meisten, die im „Sagt‘r“vorkommen, fühlen sich geehrt. Manch einer war aber auch schon gekränkt, wenn er vorgekomme­n ist. Und manch einer war auch schon gekränkt, wenn er mal in einem Jahr nicht vorgekomme­n ist. Für alle gilt jedoch der alljährlic­he, versöhnlic­he Schlussver­s: „Es tu ein jeder, was er kann / im nächsten Jahr sind andere dran.“

Bei einem der Rennen mit Steckenpfe­rden ging Ehrengast Guido Wolf, baden-württember­gischer Justizmini­ster (CDU), sogar als Sieger hervor.

Schließlic­h konnte man auch in diesem Jahr wieder mit einem Bähnle zu den Sehenswürd­igkeiten des Ortskerns fahren und sich vorher oder nachher an den Marktständ­en und Hütten mit Speisen, Würsten oder Pfannenkuc­hen verköstige­n. Die Henry-Boys & Friends sorgten für musikalisc­he Stimmung und Unterhaltu­ng auf dem Latscharip­latz

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FOTO: KORNELIA HÖRBURGER „Sagt’r“und seine Manne vor dem Mühlheimer Tor.
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