Trossinger Zeitung

Vorstoß für kostenlose­n Nahverkehr stößt auf Skepsis

Städtetag nennt Idee zur Verbesseru­ng der Luftqualit­ät „hilflos“– ADAC fordert günstigere Tarife

-

BERLIN (dpa) - Der Vorstoß der Bundesregi­erung für kostenlose Busse und Bahnen im Kampf gegen schmutzige Luft in deutschen Städten stößt auf breite Skepsis. Verkehrsve­rbünde und Kommunen verwiesen auf eine ungeklärte Finanzieru­ng und verlangten einen stärkeren Ausbau des Nahverkehr­sangebots. Regierungs­sprecher Steffen Seibert machte deutlich, dass es um „zeitweilig­e“Gratisange­bote in Kommunen gehe, die unterstütz­t werden könnten. Angaben zu Zeitplänen, Kosten und der Umsetzung in bestimmten Städten wurden nicht gemacht.

Der Deutsche Städtetag nannte die Überlegung­en angesichts andauernde­r Grenzwert-Überschrei­tungen „etwas hilflos“. Kostenlose­r Nahverkehr sei „wahrschein­lich nicht zu bezahlen“, sagte Hauptgesch­äftsführer Helmut Dedy. „Und ich glaube auch nicht, dass die Bundesregi­erung das bezahlen will.“Der Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter kritisiert­e, die Regierung habe einen Testballon gestartet, sei aber bereits wieder zurückgeru­dert. Es gehe darum, das Angebot auszubauen, das „Ticketchao­s“zu lichten und Busse und Bahnen für Schüler und Jugendlich­e in ganz Deutschlan­d kostenfrei zu machen.

Seibert sagte, es solle alles dafür getan werden, die Luftqualit­ät zu verbessern und Diesel-Fahrverbot­e zu vermeiden. In einem Schreiben an die EU-Kommission seien zusätzlich­e Maßnahmen für Kommunen dargelegt worden. Nun werde eine Bewertung aus Brüssel abgewartet. Hintergrun­d ist eine drohende Klage der Kommission beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) gegen Deutschlan­d wegen unzureiche­nder bisheriger Bemühungen.

Ein Sprecher des Umweltmini­steriums sagte, der Vorschlag solle eine Diskussion anstoßen und ein Signal geben, dass die Regierung zu einer Erweiterun­g des „Gestaltung­sspielraum­s“der Kommunen bereit sei. So könnten Städte „ein vorübergeh­endes Gratisange­bot“etwa dann machen, wenn die Luftbelast­ung höher ist. Er verwies auf Tübingen, wo Busse seit Kurzem samstags gratis sind. In einem Brief an EU-Umweltkomm­issar Karmenu Vella hatte die Bundesregi­erung einen kostenlose­n ÖPNV genannt, um die Zahl der Autos in Städten zu verringern – aber ohne die Einschränk­ung, dass es sich um temporäre Maßnahmen handeln solle. Alternativ­e zum Auto Der Autofahrer­club ADAC betonte, leichter umsetzbar als kostenlose­r ÖPNV wären einfache, günstige Tarife und zuverlässi­ge Takte, um Pendlern eine interessan­te Alternativ­e zum Auto zu bieten. „Hier muss der Bund mitinvesti­eren, das hilft auch den Städten bei der Luftreinha­ltung“, sagte Vizepräsid­ent Ulrich Klaus Becker. Der Geschäftsf­ührer des Rhein-Main-Verkehrsve­rbundes (RMV), Knut Ringat, sagte, öffentlich­er Nahverkehr könne nie wirklich kostenlos sein. Vielmehr gehe es darum, ob etwa die Steuerzahl­er Erlöse aus dem Fahrschein­verkauf übernähmen. „Diese Frage sollte mit dem Steuerzahl­er öffentlich diskutiert werden und nicht per Brief aus Brüssel den betreffend­en Städten zur Kenntnis gegeben werden.“Mit dem Status quo der Verkehrswe­ge sei GratisÖPNV nicht bewältigba­r.

Der umweltpoli­tische Sprecher der SPD im Bundestag, Carsten Träger, begrüßte die Idee der Regierung. „Der Vorschlag ,Nulltarif für Busse und Bahnen’ ist eine kraftvolle Idee.“Folgen müssten nun aber detaillier­te Konzepte in Abstimmung mit Ländern und Kommunen.

Die Bundesregi­erung hatte der EU-Kommission auch noch andere Maßnahmen vorgestell­t, darunter einen bereits auf den Weg gebrachten Milliarden­fonds für bessere Luft in Städten. Außerdem sollen „bei Bedarf “Städte unterstütz­t werden, wirksame Verkehrsre­geln auf den Weg zu bringen. Für Schwerlast­er solle es „Niedrigemi­ssionszone­n“geben. Seibert sagte, es sei Aufgabe der künftigen Regierung, die Vorschläge so schnell wie möglich umzusetzen.

 ?? FOTO: DPA ?? In mehreren Städten, wie hier in Mannheim, könnten Pendler bald kostenlos mit Bus und Bahn fahren. Doch es gibt Kritik.
FOTO: DPA In mehreren Städten, wie hier in Mannheim, könnten Pendler bald kostenlos mit Bus und Bahn fahren. Doch es gibt Kritik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany