Trossinger Zeitung

„Ich hoffe, es sind keine Nebelkerze­n, es sollen Leuchttürm­e werden“

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RAVENSBURG - Werden die Grenzwerte für Stickoxide in Deutschlan­d nicht eingehalte­n, droht eine Klage der EU. Um einer Strafzahlu­ng zu entgehen, haben das Bundesumwe­ltminister­ium, das Bundesverk­ehrsminist­erium und das Kanzleramt der EU-Kommission Vorschläge gemacht. Darunter den des kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr­s (ÖPNV). Wie Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) dazu steht, hat Moritz Schildgen nachgefrag­t. Wer soll für einen kostenlose­n ÖPNV aufkommen? Der Bund ist in der Pflicht, weil er die Kommunen in Sachen Luftreinha­ltung hat hängenlass­en. Ich nehme an, der Bund hat sich geschon dacht, wir schlagen es vor und die anderen zahlen es. Das funktionie­rt nicht. Verträgt der ÖPNV überhaupt mehr Fahrgäste? Wir sind in Ballungsze­ntren an der Leistungsg­renze. Es gibt einen Investitio­nsstau. Wir müssen den ÖPNV ausbauen. Seit den 90erJahren hatten wir praktisch keine Erhöhung der ÖPNV-Förderung. Im Koalitions­vertrag ist angekündig­t, die Förderung zu erhöhen – ich bin gespannt auf die Umsetzung. Sind die Vorschläge aus Deutschlan­d sinnvoll? Das sind auf jeden Fall Vorschläge, über die man reden kann. Jetzt kommt es auf die Ernsthafti­gkeit und die Realisieru­ng an. Und wie ernst meint man es? Ein dreiseitig­er Brief mit netten Ideen. Aber es gibt keine klare Strategie. Umweltmini­sterin Barbara Hendricks hat Luftreinha­ltung immer ernst genommen, konnte sich aber nicht durchsetze­n. Im Kanzleramt und im Verkehrsmi­nisterium hat man scheinbar erst jetzt erkannt, dass es fünf vor zwölf ist. In dieser Situation hat man nun einen Brief geschriebe­n, in dem Sachen drinstehen, die man in den vergangene­n zehn Jahren schon hätte umsetzen können. Ich hoffe, es sind keine Nebelkerze­n, es sollen Leuchttürm­e werden. Ich nehme die drei Unterzeich­ner beim Wort. Kostenlose­r ÖPNV? Gerne, wenn der Bund sich das leisten kann. Ich bin kein Anhänger des kostenlose­n ÖPNV – Mobilität hat einen Preis. Ich bin für Kostensenk­ungen, für attraktive Preise. Reichen die Vorschläge, um eine Klage der EU abzuwenden? Ich glaube, dass die Kommission sich davon nicht beeindruck­en lässt. Es bleibt die Frage, „Warum jetzt vier Wochen vorher?“, wenn man eigentlich alles, was darin steht, seit Jahren schon hätte machen sollen. Wie sehen die Vorschläge der anderen Länder aus? Kann das eine oder andere davon in Deutschlan­d sinnvoll umgesetzt werden? Es gibt ja schon Fahrverbot­e. Es gibt ja schon die Regelung, dass an bestimmten Tagen Fahrzeuge mit geraden Zahlen im Nummernsch­ild und an anderen Tagen die mit ungeraden in die Städte fahren dürfen. Das wird beispielsw­eise in Italien gemacht und in Paris. Was man sagen muss, das sieht auch die Kommission, dass zum Beispiel in Baden-Württember­g Luftreinha­ltung systematis­ch angegangen wird. Wir haben ein ordentlich­es Konzept vorgelegt. Da sind wir weiter als andere Länder. Aber: Da sich Deutschlan­d als Musterschü­ler in Europa dargestell­t hat und der Kommission vorgeworfe­n hat, sie würde nichts zustande bringen, wird jetzt von Deutschlan­d erwartet, dass man das hinkriegt. Der Geduldsfad­en der EU-Kommission ist, glaube ich, gerissen.

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FOTO: M. SCHEYER Winfried Hermann

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