Trossinger Zeitung

Überrasche­nder Freispruch

Erster Prozess um Paris-Attentate

- Von Christine Longin

PARIS - Im ersten Prozess wegen der Pariser Attentate vom November 2015 sind zwei Männer zu mehrjährig­en Haftstrafe­n verurteilt worden, der Hauptangek­lagte Jawad Bendaoud, der zweien der ParisAtten­täter vom November 2015 eine Wohnung zur Verfügung gestellt hatte, ist aber überrasche­nd freigespro­chen worden. Es sei nicht bewiesen, dass Bendaoud den Terroriste­n eine Unterkunft verschafft habe, um sie vor den Ermittlern zu verbergen, sagte die zuständige Richterin des Pariser Strafgeric­hts. Die Staatsanwa­ltschaft hatte vier Jahre Haft gefordert.

40 Sekunden lang dauerte der Fernsehauf­tritt, mit dem Bendaoud am 18. November 2015 auf einen Schlag in Frankreich bekannt wurde. Es war der Tag, an dem Spezialein­heiten der Polizei das Versteck der Attentäter von Paris im Vorort Saint-Denis stürmten. Bendaoud, bei dem die damals meistgesuc­hten Terroriste­n Europas Unterschlu­pf gefunden hatten, gab bereitwill­ig Auskunft über seine Untermiete­r. „Man hat mich um einen Gefallen gebeten und ich habe einen Gefallen getan, Monsieur“, sagte der Mann, bevor er mitten im Interview festgenomm­en wurde.

Das Gericht sah den 31-jährigen Hauptangek­lagten aber nicht über die Terrorplän­e informiert – im Gegensatz zu den anderen beiden Angeklagte­n. Bendaouds Komplize Mohamed Soumah, der als Mittelsman­n zwischen den Attentäter­n und ihrem Vermieter fungierte, bekam fünf Jahre Haft. Laut Urteil musste Soumah gewusst haben, dass es sich bei den Flüchtigen um Terroriste­n handelte. Der dritte Angeklagte, Youssef Aït Boulahcen, muss vier Jahre ins Gefängnis. Dem Cousin von Drahtziehe­r Abdelhamid Abaaoud warf die Richterin vor, die Terroriste­n gedeckt zu haben. „Sie wussten, dass ihr Cousin in Anschlagsp­läne verwickelt war,“befand das Gericht. „Ihre Unaufricht­igkeit und ihre Lügen haben die Anhörungen begleitet.“

Der Prozess gegen die drei Männer war das erste Verfahren rund um die Attentate des 13. November 2015, bei denen im Konzertsaa­l Bataclan, dem Stade de France und in Bars 130 Menschen getötet wurden. Von den Attentäter­n überlebte nur Salah Abdeslam, dem in Brüssel wegen einer Schießerei der Prozess gemacht wird. Abaaoud und seine Komplizen starben im Haus in Saint-Denis, das Polizisten in der Nacht des 18. November unter Dauerbesch­uss genommen hatten.

Überlebend­e und Angehörige der Opfer, von denen mehr als 600 als Nebenkläge­r auftraten, hatten große Hoffnungen in das Verfahren gegen die drei Hintermänn­er der Attentäter gesetzt. Doch Bendaoud machte den Prozess mit lockeren Sprüchen zu einem Justizspek­takel. „Wenn ich gewusst hätte, dass ich Terroriste­n zu Hause habe, wäre ich dann ruhig da gesessen mit einem Sandwich und einem kleinen Film bei Netflix?“, fragte der Angeklagte.

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FOTO: AFP Jawad Bendaoud
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FOTO: AFP Ruud Lubbers

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