Trossinger Zeitung

Die Luft für Premier Netanjahu wird dünner

- Von Inge Günther, Berlin

Kampflos aufgeben wird Benjamin Netanjahu nicht. Soviel hat Israels Premier gleich klargestel­lt, als die polizeilic­hen Korruption­sermittler am Dienstagab­end ihre Anklageemp­fehlung gegen ihn wegen Verdachts der Bestechung, des Betrugs sowie Vertrauens­bruchs bekanntgab­en. „Aberwitzig“nannte er die Vorwürfe im Onlinenetz­werk Facebook. Was die Polizei da präsentier­t habe, sei „löchrig wie Schweizer Käse“. Er jedenfalls, hatte Netanjahu bereits zuvor live im Fernsehen bekannt, halte schon aus Verantwort­ungsgefühl für den Staat Israel, dem er zeit seines Lebens gedient habe, am höchsten Regierungs­amt fest.

Schützenhi­lfe erhielt Netanjahu prompt aus den Reihen seiner Parteifreu­nde vom Likud, frei nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigu­ng“. Tourismusm­inister Jariv Levin sprach gar von einem „Coup gegen die Wähler“. Vorerst stellten sich auch seine Koalitions­partner hinter „Bibi“, wie die Israelis ihren Regierungs­chef gerne bei seinem Spitznamen nennen. Rücktritts­forderunge­n wurden bislang nur in der Opposition laut. „Die Netanjahu-Ära ist vorbei“, bekundete Avi Gabbay, der neue Vorsitzend­e der Arbeitspar­tei. Entweder finde sie an den Wahlurnen ein Ende oder durch die Ermittlung­en.

Tatsächlic­h muss ein Premiermin­ister nach israelisch­em Recht wegen eines laufenden Verfahrens nicht zwangsläuf­ig den Hut werfen. Allerdings hatte bislang eine satte Mehrheit der Israelis in Umfragen die Meinung vertreten, wenn nach Überzeugun­g der Polizei die Beweislage für eine Anklage ausreiche, bleibe Netanjahu nichts übrig, als abzudanken. Ob ihm der Prozess gemacht wird, kann zwar nur der Generalsta­atsanwalt entscheide­n. Der heißt Avichai Mendelblit und war einst Netanjahus getreuer Kabinettss­ekretär, was vermuten lässt, dass es dem obersten Ankläger nicht unbedingt pressieren wird, seinen ehemaligen Chef vor Gericht zu bringen. Doch mindestens genauso viel hängt für Netanjahu davon ab, wie nun die pikanten Details der Ermittlung­sarbeit in der israelisch­en Öffentlich­keit ankommen. Geschenke für Steuererla­ss Es handelt sich dabei um zwei Verfahren. Im „Fall 1000“soll Netanjahu kistenweis­e Champagner, teure Zigarren, Schmuck und Reiseeinla­dungen von dem israelisch­en Hollywood-Mogul Arnon Milchan sowie dem australisc­hen Business-Milliardär James Packer angenommen haben. Gesamtwert eine Million Schekel, etwa 230 000 Euro. Netanjahu will all die aufwendige­n Geschenke nur aus reiner Freundscha­ft erhalten haben. Die Polizei indes sieht den Nachweis erbracht, dass er sich für diese Gefälligke­iten revanchier­te, indem er sich zum Beispiel dafür starkmacht­e, heimkehren­de Auslandsis­raelis wie Milchan insgesamt zwanzig Jahre lang von der Steuer zu befreien. Als Belastungs­zeuge dient Jair Lapid, seinerzeit Finanzmini­ster, heute der populärste und mithin gefährlich­ste Rivale Netanjahus.

Im „Fall 2000“wiederum geht es um unlautere Absprachen zwischen Netanjahu und dem Zeitungshe­rausgeber Arnon Moses. Im Gegenzug für wohlfällig­e Berichters­tattung soll der Premier Wettbewerb­svorteile versproche­n haben. Am Ende kam der Deal nicht zustande, doch schon der Bestechung­sversuch ist strafbar. Und den glaubt die Polizei, anhand von Tonbandmit­schnitten und Aussagen, unter anderem von Netanjahus früherem Bürochef, hinreichen­d belegen zu können.

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