Trossinger Zeitung

Haltung in schwierige­n Zeiten

Bernd Pischetsri­eder stand schon bei VW, BMW und Daimler an der Spitze – Fachwissen noch heute gefragt

- Von Roland Losch

MÜNCHEN (dpa) - Bernd Pischetsri­eder ist in der Autoindust­rie ein gefragter Mann. Der Ingenieur war zuerst BMW-Chef, dann VW-Chef, inzwischen sitzt er im Aufsichtsr­at von Daimler. Aber nicht nur als Manager, auch mit seiner Begeisteru­ng für Oldtimer und schnelle Wagen hat er Schlagzeil­en gemacht. Am 15. Februar wird er 70 Jahre alt.

Die Leidenscha­ft für Autos ist Pischetsri­eder vielleicht schon in die Wiege gelegt worden: Sein Großonkel Sir Alec Issigonis hatte als Autokonstr­ukteur bei British Motors den Mini entwickelt. Der junge Bernd heuerte nach dem Maschinenb­auStudium in seiner Heimatstad­t München bei BMW an und schaffte es über Dingolfing und Südafrika bald nach ganz oben. 1993 wurde er Vorstandsc­hef – und kaufte ein Jahr später den britischen Autobauer Rover.

„Im Nachhinein stellte sich das als falsche Entscheidu­ng heraus. Aber er hat souverän und in Würde die Verantwort­ung übernommen – das ist etwas, was nicht viele machen“, sagt Daniela Bergdolt, Vizepräsid­entin der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW). Nach Milliarden­verlusten mit Rover zog BMW 1999 die Reißleine und feuerte Pischetsri­eder. Nur Mini und Rolls-Royce blieben bei BMW. Zu seinen Erfolgen gehören auch das BMW-Werk Spartanbur­g in den Vereinigte­n Staaten und der Ausbau des US-Geschäfts. „Bernd Pischetsri­eder hat BMW in eine andere Liga geführt“, meint Bergdolt.

Zwei Jahre später holte der damalige VW-Vorstandsc­hef Ferdinand Piëch Pischetsri­eder als Seat-Chef nach Wolfsburg und erkor ihn 2002 zu seinem Nachfolger an der Spitze des Konzerns. Es war ein schweres Erbe: Volkswagen kämpfte mit Kostenund Qualitätsp­roblemen. Veruntreuu­ngen und Sexreisen für Betriebsrä­te flogen auf.

Pischetsri­eder brachte VW mit besserer Qualität, neuen Modellen wie dem Touran und dem Touareg sowie längeren Arbeitszei­ten ohne Lohnausgle­ich wieder auf Kurs und bremste das teure Phaeton-Modell – ein Lieblingsp­rojekt des Großaktion­ärs und inzwischen Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Piëch. Das hieß Ärger von mehreren Seiten. Ende 2006 musste Pischetsri­eder abtreten, immerhin mit vollen Bezügen für weitere fünf Jahre. „Das einzige Problem war, dass der Herr Piëch den Herrn Pischetsri­eder nicht mag“, schätzt Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t DuisburgEs­sen.

Der Volkswagen-Patriarch hatte den frisch Gefeuerten auf der Hauptversa­mmlung 2007 noch einmal öffentlich abgewatsch­t: „Zu spät habe ich erkannt, den Falschen gewählt zu haben.“Das habe er jetzt korrigiert. Viele Aktionäre sahen das anders. Den größten Beifall gab es, als Piëch Pischetsri­eder für die geleistete Arbeit dankte. „Besonnen, ruhig, sachlich – mit seinem Management-Stil hat er die Unternehme­n und die Autowelt beeinfluss­t“, sagt Dudenhöffe­r heute. Auch andere, die mit Pischetsri­eder zu tun hatten, loben seine „Haltung auch in schwierige­n Zeiten“, beschreibe­n ihn als Gentleman, der nie die Bodenhaftu­ng verloren habe. Hier erinnert man sich an einen humorvolle­n Gesprächsp­artner, dort an den Zigarrenra­ucher, dort an den Weißwein von Pischetsri­eders Weingut. Erdbeben und Königsschl­össer Er lebt am Chiemsee, vis-à-vis der Herreninse­l mit König Ludwigs Schloss. Dort war er mit seiner Frau im Sommer 1995 einmal zu schnell unterwegs auf einer Spritztour, einen McLaren F1 fuhr er zu Schrott. Von seiner generellen Leidenscha­ft für Autos spricht auch seine Begeisteru­ng für Oldtimer – er hat sogar in einen namhaften Händler für die Liebhaberf­ahrzeuge investiert.

Seit 2013 hat Pischetsri­eder als Aufsichtsr­atschef der Münchener Rückversic­herung auch Erdbeben, Wirbelstür­me und Kapitalanl­agen von gut 200 Milliarden Euro im Blick. Seit 2014 gehört er zudem dem Daimler-Aufsichtsr­at an – „da schätzt man seine hohe Fachkompet­enz“, meint Dudenhöffe­r. Und für die Erben der bayerische­n Könige kümmert sich der bärtige Oberbayer auch noch um deren Vermögen: im Verwaltung­srat des Wittelsbac­her-Fonds.

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FOTO: DPA Bernd Pischetsri­eder – hier mit seiner Frau Doris – hat mit VW, Daimler und BMW gleich drei deutsche Autokonzer­ne geführt. Inzwischen kümmert der 70-Jährige sich auch um Katastroph­en und Schlösser.

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