Trossinger Zeitung

Keine normale Goldmedail­le

Nach durchwachs­enem Winter bündelt Kombiniere­r Eric Frenzel rechtzeiti­g zu Olympia alle seine Stärken

- Von Joachim Lindinger

PYEONGCHAN­G - Hermann Weinbuch macht den Job schon ein bisschen länger. Er hat sie alle trainiert, die Ackermanns, Baackes, Hettichs, die für Deutschlan­d mit Erfolg nordisch kombiniert haben in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n. Derzeit aber gibt es unter seinen Sportlern einen, den selbst der Bundestrai­ner mit seinem Fachwissen, seiner Menschenke­nntnis und seinen 57 Jahren Lebensalte­r nicht richtig zu fassen, sprich: zu erklären, bekommt – ein Phänomen: Eric Frenzel.

Die Art und Weise, wie der 29-Jährige vom WSC Erzgebirge Oberwiesen­thal in Pyeongchan­g seinen Olympiasie­g von Sotschi wiederholt, wie er sich mit einem Sprung von der Normalscha­nze und zehn Kilometern auf der Loipe Gold nach bisher durchwachs­ener Saison geholt hatte, kommentier­te Hermann Weinbuch so: „Unglaublic­h, für so ein klein’s Mannderl, was für a Energie er hat. Im Kopf vor allem, da ist er brutal stark. Aber auch sonst. Das hat man ja heute gesehen, dass das auch wahnsinnig ist.“Einzig logische Folgerung: „Kein normaler Mensch in dem Sinn!“

Sondern: ein mit jetzt zweimal Olympiagol­d dekorierte­r fünfmalige­r Weltmeiste­r, der fünfmal Gesamtwelt­cup-Gewinner in Serie war. Wie ein Außerirdis­cher wirkte Eric Frenzel übrigens nicht, als er nach diversen Freudensch­reien, Juchzern, Siegerfäus­ten ganz ruhig selbst darüber sinnierte, was da eigentlich gerade passiert war. Geschehen also ist erst einmal ein Vorbereitu­ngslehrgan­g in Oberstdorf, bei dem Eric Frenzel wieder Vertrauen fasste. In seinen Sprung (denn der vor allem hakte), in sich. „Ich wusste, dass das irgendwann ins Laufen kommt.“Es lief schon im Allgäu. Und im Gepäck für Südkorea war eine gehörige Portion „Geht doch!“.

Geschehen ist dann, dass man Eric Frenzel zum Fahnenträg­er gewählt hat. Die Kolleginne­n und Kollegen aus dem deutschen Olympiatea­m, die interessie­rte Öffentlich­keit. „Viel Euphorie, viel Positives“habe er aufsaugen können aus dem Zuspruch, aus dem Erlebnis Eröffnungs­feier. Die trug ein Stück weit mit, bei den Trainingss­prüngen, von denen der letzte der beste gewesen ist. Auf einer Schanze, die, das war diesen Wettkampf nicht anders, massiv launisch wechselnde­n Winden ausgesetzt ist. Eric Frenzel hatte da zumindest kein Pech, bekam Zusatzpunk­te für zwei Luken Anlaufverk­ürzung, landete bei 106,5 Meter – und war im Sprungklas­sement letztlich Fünfter. Mit 36 Sekunden Rückstand auf den führenden Österreich­er Franz-Josef Rehrl, die laufstarke­n Akito Watabe (Japan) und Lukas Klapfer (Österreich) nur um Haaresbrei­te vor sich.

Johannes Rydzek aus Oberstdorf hatte nach 101 Meter bei gleichem Wind bereits 1:26 Minuten aufzuholen, für seinen Vereinskol­legen Vinzenz Geiger (103,5, besserer Wind) waren es 1:41. Am ärgsten spielten Luft und Jury Fabian Rießle mit. Der Schwarzwäl­der erwischte Seitenwind, flog 94,5 Meter und lag 2:03 Minuten zurück. Entspreche­nd angesäuert war er. „Da kriegt man schon ’nen leichten Hals. Man kann sich doch auch noch fünf Minuten mehr Zeit nehmen, damit der eine oder andere noch einmal vom Balken runtergeht.“Weinbuch sollte später feststelle­n: „Der ,Rio‘ hatte schlicht keine Chance gehabt.“ Attacke am letzten Anstieg Ortswechse­l, Langlaufst­recke: Vier Zweieinhal­b-Kilometer-Schleifen warten, 27 Meter Höhenunter­schied, Anstiege, die eher giftig denn gemütlich aussehen. Und ein noch amtierende­r Olympiasie­ger, der das gerne bleiben würde und einen Plan hatte. Nach 400 Metern war der fürs Erste aufgegange­n, fortan gab es die Arbeitsgem­einschaft Watabe/Klapfer/ Frenzel, die die feindliche Übernahme der Spitze vorbereite­te. Nach dem Vollzug wechselte die Führungsar­beit, wurde belauert, taktiert – bis Eric Frenzel attackiert­e. Am letzten besagter Anstiege. Vorher schon hatte er den Druck erhöht, mürbe machend, jetzt zog er davon. Zu Gold, 4,8 Sekunden vor Akito Watabe, 18,1 vor Lukas Klapfer. Randnotiz fast (aber eine feine): Johannes Rydzek war im Ziel Fünfter (27,9 Sekunden zurück), Fabian Rießle Siebter (1:05,3 Minuten) und Vinzenz Geiger Neunter (1:05,5).

Hermann Weinbuch strahlte. „Der Eric“, sagte er alsbald, „hat genau in sich hineingehö­rt, hat genau gewusst, wie viel er sich zumuten kann, wie stark er ist.“

Kein normaler Kombiniere­r!

 ?? FOTO: DPA ?? Urschrei auf der Linie: Eric Frenzel ist am Ziel seiner Träume, seinem zweiten Olympiasie­g.
FOTO: DPA Urschrei auf der Linie: Eric Frenzel ist am Ziel seiner Träume, seinem zweiten Olympiasie­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany