Die Kulturszene in Aufruhr
Stadt will weg von der Hochkultur, hin zu Programmen von Vereinen und Institutionen
Stadt will hin zu Programmen von Vereinen und Institutionen.
TROSSINGEN - Die Trossinger Kulturszene ist in heller Aufregung. Grund dafür ist das Ansinnen des Bürgermeisters, das Kulturprogramm künftig vorrangig von „örtlichen Kulturschaffenden“auf die Konzerthausbühne bringen zu lassen. Die Hochkultur, so die Befürchtung der Kritiker dieses Vorhabens, würde dann in Trossingen nicht mehr stattfinden. Auf 18 Seiten legt Bürgermeister Clemens Maier dar, weswegen er „einen Prozess anstoßen“möchte, „der darin münden soll, ein städtisches Kulturprogramm zu schaffen, das vorrangig die örtlichen Kulturschaffenden einbezieht und sich dadurch vom Angebot anderer Städte abhebt“. Er setzt dabei auf Trossinger Institutionen und Vereine, die „auf höchstem Niveau Kulturarbeit leisten und die (...) es verdient haben, noch stärker sichtbar gemacht zu werden“. Gemeint sind damit unter anderem Musikvereine, die Musikhochschule, die Musikschule und die Bundesakademie. Für Volker Neipp, der, aufgeschreckt durch die Pläne des Bürgermeisters, nun zum Widerstand aufruft, ein Unding: „Die Übertragung der städtischen Kulturarbeit auf die Schultern der örtlichen Vereine wie Hohnerklang, Bläserbuben, Stadtkapelle und Liederkranz kann und wird keine Hochkultur ersetzen können.“Noch schärfer formuliert er: „Es scheint, als ob der Ausverkauf und die Vernichtung der städtischen Kronjuwelen weitergehen soll.“Konsterniert, aber gefasst hat Frank Golischewski die Entwicklungen zur Kenntnis genommen. Als Kulturbeauftragter der Stadt geht es bei Maiers Vorstoß um das von ihm entwickelte und umgesetzte Kulturprogramm. Solidaritätsbekundungen Golischewski ist gut vernetzt in Trossingen. Nachdem die Pläne einer Umstrukturierung bekannt geworden sind, erreichten ihn, so berichtet er im Gespräch mit der Trossinger Zeitung, eine Vielzahl von Solidaritätsbekundungen. „Keiner weiß, warum die Stadtverwaltung solche Pläne hegt“, sagt er. Kritik habe es für das Kulturprogramm, das er seit acht Jahren mit seinem Kulturbüro Südwest als externer Anbieter für die Stadt erstellt, plant und umsetzt, bisher nicht gegeben. „Ganz im Gegenteil. Vom Gemeinderat bekomme ich immer positives Feedback“, so Golischewski. Das Kulturbudget, mit dem Golischewski manövrieren kann, ist überschaubar. 80 000 bis 90 000 Euro stehen jährlich für die 17 Veranstaltungen bereit. „Als ich hier angefangen habe, waren es nur neun Veranstaltungen und das bei gleichem Budget.“Auch die Besucherzahlen würden stetig steigen. Kritik am Marketing der Stadt Dass es Verbesserungspotential gibt, das betont Frank Golischewski und sagt, er habe dafür bereits mehrfach den Kontakt zur Stadtspitze gesucht. Denn die Bewerbung des Kulturprogramms, die in Händen der Stadt liegt, sei stellenweise sehr unbefriedigend. Tatsächlich hatten sich Leser vor einigen Wochen an die Trossinger Zeitung gewandt, weil Karten für dieselbe Veranstaltung bei verschiedenen Vorverkaufsstellen unterschiedlich teuer waren. Auch war von Vorverkaufsstellen die Kritik laut geworden, dass Kulturinteressierte weggeschickt werden müssten, weil trotz begonnenen Vorverkaufs die Stadt die Karten nicht rechtzeitig ins Buchungssystem eingepflegt habe. Frank Golischewski möchte die Ideen des Bürgermeisters als konstruktive „Diskussionsgrundlage“sehen. Dass tatsächlich Trossinger Vereine und Institutionen das Kulturprogramm mit finanzieller Unterstützung der Stadt stemmen könnten, hält er für ausgeschlossen. „Die Musikhochschule ist keine Veranstaltungsagentur. Sie kann alle paar Jahre mal ein großes Musiktheater wie den ,Figaro’ auf die Bühne bringen, aber nicht jedes Jahr.“Und auch wenn er die Qualität der heimischen Orchester schätze, so könne man von Laien nicht erwarten, dass sie jedes Jahr ein hochqualitatives Programm bieten. „Ein Akkordeon-Orchester Beethovens Neunte spielen lassen, das kann man natürlich machen“, zeigt Golischewski mit einem Augenzwinkern die – seiner Meinung nach – Unmöglichkeit des Bürgermeister-Plans auf. Ganz davon abgesehen, seien die vom Bürgermeister ins Gespräch gebrachten Vereine und Institutionen völlig ahnungslos gewesen. „Sie wissen nichts über die Pläne.“Seit 1980 ist Frank Golischewski in Trossingen. Er betont, wie sehr ihm die Musikstadt am Herzen liegt. Deshalb hofft er, dass der Gemeinderat am Montag die Entscheidung über die Zukunft des Kulturprogramms vertagt: „Ich möchte gerne erst alle hören, die der Bürgermeister in die Pflicht nehmen will. Wir sollten eine Analyse und Beratung machen, wie das Marketing des Kulturprogramms verbessert werden kann.“Dazu habe sich Professor Martin Aichele aus Furtwangen bereits in Form einer Semesterarbeit bereit erklärt. Einfach die Segel streichen, das will Frank Golischewski nicht. „Ich bin beim Ehrgeiz gepackt. „Es ärgert mich, dass alles, was ich in acht Jahren aufgebaut habe, ohne Prüfung ersetzt werden soll. Wenn mich die Stadt das Marketing übernehmen lässt, zeige ich, dass es noch besser laufen könnte.“ Der Gemeinderat entscheidet über den Plan der Stadtverwaltung am Montag, 19. Februar, ab 17 Uhr im Rathaus Trossingen. Die Sitzung ist öffentlich.