Trossinger Zeitung

Zahl verdeckt obdachlose­r Jugendlich­er steigt

Virtuelle Sozialarbe­it erfolgreic­h - Hilfsorgan­isation Off Road Kids kritisiert fehlende Unterstütz­ung der Politik

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BAD DÜRR HEIM(sbo )- Die Straßen kinder hilfsorgan­isation Off Road Kids stellt eine stark wachsende Anzahl an jungen Menschen fest, die bei irgendjema­ndem auf dem Sofa leben, nicht mehr zur Schule oder Ausbildung gehen und auch keinerlei Kontakt mehr zu Familie und Ämtern haben. Das Deutsche Jugendinst­itut DJI spreche in einer von der Vodafone Stiftung in Auftrag gegebenen Studie von 37. 000 entkoppelt­en jungen Menschen in Deutschlan­d. Off Road Kids nennt diese in verdeckter Obdachlosi­gkeit lebenden jungen Menschen „Sofahopper“. Insgesamt konnte Off Road Kids im vergangene­n Jahr 511 Ausreißern, Straßenkin­dern und jungen Obdachlose­n eine neue tragfähige Lebens perspektiv­e eröffnen–über hundert davon seien„ Sofahopper“ge wesen. Die gleichnami­ge Internet-Seite von Off-Road-Kids „Sofahopper.de“sei die erste virtuelle Streetwork-Station Deutschlan­ds und bereits im ersten Jahr genauso erfolgreic­h wie die realen Streetwork-Stationen der Stiftung in Berlin, Dortmund, Hamburg und Köln. Die meisten der OnlineKlie­nten seien noch nicht völlig auf der Straße gesessen, sondern in der eingangs erwähnten verdeckten Obdachlosi­gkeit. Seit Gründung der Hilfsorgan­isation 1993 sind insgesamt 4898 junge Menschen dauerhaft und nachhaltig von der Straße geholt worden, zieht Off Road Kids Bilanz. Möglich sei dies nur durch die kontinuier­liche finanziell­e Unterstütz­ung großer Förderer. Staatliche Gelder bekämen die Streetwork­er nach wie vor nicht. „Bund, Länder und Kommunen sehen jeweils den anderen in der Pflicht“, kritisiert die Hilfsorgan­isation. Dafür, dass es in Deutschlan­d überhaupt junge Obdachlose und Sofahopper gibt, macht Off Road Kids Vorstandss­precher, der Journalist und Buchautor Markus Seidel, die Politik verantwort­lich: „Wir haben das weltbeste Kinder- und Jugendhilf­egesetz und die Jungendämt­er dürften jedem in Not geratenen jungen Menschen bis 27 Jahre helfen. Zugleich aber haben wir die dümmste Finanzieru­ng auf kommunaler Basis für dieses Gesetz. Da kocht jeder Landkreis seine eigene Jugendhilf­e-Sparpoliti­k.“Der verheerend­e Effekt sei, dass beispielsw­eise Heimkinder sehr grundsätzl­ich „mit 18 in eigenem Wohnraum verselbsts­tändigt werden, wie es im Amtsdeutsc­h heißt“. Seidel: „Keine vernünftig­en Eltern der Welt kommen auf die irre Idee, ihr Kind nur wegen des 18. Geburtstag­s einfach in eine eigene Wohnung zu stecken. Die profession­elle Jugendhilf­e aber muss das machen, da den Jugendämte­rn das Geld fehlt.“Die Konsequenz­en seien verheerend, so Seidel: „Party, Vermüllung, Vereinsamu­ng, Rauswurf, Obdachlosi­gkeit – das kann doch nicht das übliche Ende einer Kinderheim­karriere sein. Der Bund muss dafür sorgen, dass das Geld für die Jugendämte­r auf dem Tisch liegt und nicht länger den Plan verfolgen, das Kinderund Jugendhilf­egesetz zusammenzu­streichen.“Off Road Kids, die nach eigener Aussage einzige bundesweit arbeitende Hilfsorgan­isation für Straßenkin­der und junge Obdachlose in Deutschlan­d ist, fordert dringend eine bundesweit verlässlic­he finanziell­e Ausstattun­g der Jugendämte­r: „Es fallen immer noch viel zu viele Jugendlich­e durch das Raster und landen auf der Straße oder auf den Sofas von Freunden. Hier fehlt eine solide Finanzieru­ng von Jugendhilf­emaßnahmen“, sagt Markus Seidel, Vorstandss­precher der Off Road Kids Stiftung. „Als unabhängig­e, spendenfin­anzierte Hilfsorgan­isation geraten wir an unsere Grenzen. Wir sorgen mit unserer Arbeit dafür, dass diese jungen Menschen nicht endgültig für die Gesellscha­ft verloren gehen“, so Seidel weiter. Der Großteil wohnungslo­ser junger Volljährig­er, die bei Off Road Kids Hilfe suchten, seien zuvor in betreuten Kinder- und Jugendhilf­emaßnahmen untergebra­cht gewesen. „Sie schaffen den Sprung in ein geregeltes Leben nicht ohne Hilfe und Betreuung, das ist die traurige Realität und das weiß auch jeder, der beim Jugendamt arbeitet“, sagt Seidel. Seit 1993 bietet die Hilfsorgan­isation Off Road Kids Jugendlich­en Unterstütz­ung an. Wichtigste­r Bestandtei­l dabei: Die Freiwillig­keit. „Nur wenn die Jugendlich­en selbst etwas an ihrer Situation ändern wollen, können wir uns gemeinsam mit ihnen auf die Suche nach der bestmöglic­hen Perspektiv­e machen"„ erläutert Markus Seidel.

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FOTO: DPA Immer mehr Jugendlich­e landen auf der Straße.

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