Geländelauf bis zum Zusammenbruch
Erneut steht die Pfullendorfer Staufer-Kaserne im Zwielicht, weil ein Ausbilder offenbar militärische Härte und Schikane verwechselt hat
ULM (mö) - Sechs Soldaten brechen einen Geländelauf ab, einer von ihnen wird ohnmächtig und kommt ins Krankenhaus: Schon wieder hat es neue Verfehlungen bei der Ausbildung junger Soldaten in der StauferKaserne in Pfullendorf gegeben. Am Dienstag bestätigte ein Sprecher des Heeres den Vorfall, über den Spiegel Online zuerst berichtet hatte. Politiker fordern eine genaue Aufklärung, die Staatsanwaltschaft prüft die Aufnahme von Ermittlungen.
Anfang Januar: Ein Ausbilder des Ausbildungszentrums für Spezielle Operationen ordnet einen 15-Kilometer-Lauf für 37 Teilnehmer an. Im Lehrplan ist das nicht vorgesehen. Erst am Tag zuvor haben die Soldaten, junge Unteroffiziersanwärter, ihre Fitness bei einem Sporttest unter Beweis gestellt. Mehrere Soldaten brechen bei dem Lauf zusammen. Dennoch lässt der Ausbilder die Gruppe zunächst unerbittlich weiterlaufen. Dass militärische Härte zur Ausbildung gehört, ist in Fachkreisen unbestritten, aber der Ausbilder hat an diesem Tag offensichtlich Härte mit Schikane verwechselt. Seine Vorgesetzten reagieren gereizt und entbinden den Mann von seiner Aufgabe in der Ausbildung.
Anfang Februar informieren sich der Inspekteur des Heers, Generalleutnant Jörg Vollmer, und Generalleutnant Frank Leidenberger aus dem Kommando Heer über die Ausbildung. Eigentlich hatten die beiden Generale bei ihrem seit Langem angekündigten Besuch einen anderen Empfang erwartet: Nachdem Anfang 2017 schockierende Berichte die Öffentlichkeit über angebliche sexuellsadistische Praktiken und qualvolle Aufnahmerituale in Pfullendorf erreicht hatten, war der Kommandeur des Ausbildungszentrums versetzt worden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte die Vorgänge als „abstoßend und widerwärtig“bezeichnet. Wegen der Aufnahmerituale wurden vier Soldaten entlassen. Mit Oberst Carsten Jahnel, einem motivierten Team und veränderten Ausbildungsmethoden sollte ein Neuanfang gemacht werden.
Bei ihrer Visite aber werden Vollmer und Leidenberger an einen Übungsmarsch im Juli 2017 im niedersächsischen Munster erinnert, bei dem ebenfalls mehrere Soldaten zusammengebrochen waren. Ein Offiziersanwärter starb damals an einem Hitzschlag, wie sich mittlerweile herausstellte. Nun steht die Staufer-Kaserne wieder im Fokus: „Das Heer nimmt den Vorfall sehr ernst und ist dabei, die Umstände, die dazu führten, umfassend zu ermitteln“, teilt das Heereskommando am Dienstag mit. Eine Untersuchungsgruppe sei eingerichtet worden. Nach Abschluss der Ermittlungen soll der Prozess für eine schrittweise Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit der Soldaten „auf Grundlage des individuellen Trainingszustands nach sportwissenschaftlichen Gesichtspunkten“verbessert und „die Ausbilder diesbezüglich sensibilisiert werden“.
Auch aus der Politik kommen Reaktionen: „Bei so gravierenden Vorwürfen muss Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wenigstens einmal schnell und konsequent für Aufklärung sorgen“, fordert die Ravensburger Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger: „Der Verteidigungsausschuss will die Neuaufstellung des Standortes Pfullendorf begleiten und erfährt schon wieder über neue Vorkommnisse nur aus der Presse und nicht von der Ministerin.“ Auch mehr als ein halbes Jahr nach dem schrecklichen Todesfall in Munster habe das Verteidigungsministerium noch immer keinen Abschlussbericht vorgelegt.
Die Linkspartei schließlich wirft Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wegen dieser und anderer Vorfälle vor, die Glaubwürdigkeit der Bundeswehr zu verspielen. Die Ministerin „bekommt die Ausbildung junger Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr nicht in den Griff“, erklärt der sicherheitspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Matthias Höhn. Es sei „ständige Aufgabe der Vorgesetzten, psychische und physische Überlastung zu erkennen und zu vermeiden“.