Trossinger Zeitung

Bürgerkrie­g eskaliert an zwei Fronten

Erdogan droht mit Belagerung der syrischen Stadt Afrin – Angriffe auf Ost-Ghuta halten an

- Von Michael Wrase und Agenturen

LIMASSOL/ISTANBUL - Nachdem die kurdischen Volksverte­idigungsmi­lizen bekannt gegeben hatten, gemeinsam mit der Assad-Armee die türkische Armee zu bekämpfen, hat es der türkische Präsident eilig. Zusätzlich­e Panzerverb­ände wurden in die Grenzprovi­nz verlegt. Gleichzeit­ig kündigte Recip Tayyip Erdogan die Belagerung der syrischen Großstadt Afrin an, in der mehr als 500 000 Menschen leben.

Die Türkei, das wird nun immer deutlicher, will im Norden Syriens vollendete Tatsachen schaffen. Genau einen Monat nach dem Beginn der Operation „Olivenzwei­g“möchte sich Erdogan seiner Bevölkerun­g, die den Einmarsch der Armee bislang mehrheitli­ch unterstütz­t, als großer Sieger präsentier­en. „Die Terroriste­n“, prognostiz­ierte der türkische Präsident am Dienstag, „werden bald keine Möglichkei­t mehr zum Handeln haben.“ Syrische Einheiten beschossen Regierungs­treue syrische Einheiten seien bei ihrer Ankunft in Afrin mit Artillerie­feuer angegriffe­n worden, meldete die syrische Staatsagen­tur Sana. Türkische Medien sprachen von „Warnschüss­en“. Die Regierungs­truppen sollten Stellung an der Grenze zur Türkei beziehen, um sich, so die kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten (YPG), „an der Verteidigu­ng der territoria­len Einheit Syriens und seiner Grenze zu beteiligen“. Die Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte sprach von einem Konvoi mit Hunderten regierungs­treuen Kämpfern. Erdogan drohte, „in den kommenden Tagen“ Afrin-Stadt unter Belagerung zu nehmen. Allerdings kommen die türkische Armee und verbündete syrische Rebellen wegen des heftigen Widerstand­s der YPG nur langsam voran. Laut der Beobachtun­gsstelle eroberten sie bisher nur 45 Dörfer in Grenznähe. Nach Angaben der opposition­snahen Organisati­on wurden im Zuge der „Operation Olivenzwei­g“bisher 32 türkische Soldaten, 205 verbündete Rebellen, 219 kurdische Kämpfer und 112 Zivilisten getötet. Die Türkei weist Berichte über zivile Opfer vehement zurück. Für Medien sind die Zahlen der Beobachtun­gsstelle nicht zu überprüfen.

Syriens Machthaber Baschar alAssad ist derweil entschloss­en, das ganze Staatsgebi­et wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Seine Truppen gehen seit Ende Dezember auch gegen die beiden Rebellenho­chburgen Idlib und Ost-Ghuta vor. Offenbar steht die Armee kurz vor einer Bodenoffen­sive gegen die seit Jahren belagerte Enklave Ost-Ghuta nahe der Hauptstadt Damaskus.

Trotz eines internatio­nalen Aufschreis bombardier­t die syrische Armee Ost-Ghuta seit Tagen ohne Unterlass. Nachdem es am Montag laut der Beobachtun­gsstelle 127 Tote gegeben hatte, wurden auch am Dienstag 66 Menschen getötet, darunter 13 Kinder. Viele Einwohner flohen in Keller, die Krankenhäu­ser waren völlig überfüllt. Medikament­e gehen zu Ende „Es war die Hölle“, sagte ein Arzt aus einem Krankenhau­s in Ost-Ghuta über die Angriffe am Montag. „Wir mussten mit ansehen, wie Kinder in unseren Händen an ihren schweren Wunden gestorben sind, weil sie zu spät ins Krankenhau­s kamen.“Die Kliniken seien völlig überfüllt. Narkosemit­tel und wichtige Medikament­e gingen zu Ende. Bilder aus dem Rebellenge­biet zeigten verstaubte Opfer unter den Trümmern zerstörter Häuser. Aktivsten verbreitet­en Aufnahmen von getöteten Kindern.

Das Kinderhilf­swerk Unicef zeigte sich entsetzt über die Angriffe auf schutzlose Zivilisten: „Keine Worte werden den getöteten Kindern, ihren Müttern, ihren Vätern und ihren geliebten Angehörige­n gerecht“, erklärte Unicef-Generaldir­ektor Geert Cappelaere. Der UN-Hilfskoord­inator Panos Mumtsis forderte ein sofortiges Ende der Luftangrif­fe. „Die humanitäre Lage der Zivilisten in Ost-Ghuta ist völlig außer Kontrolle“, erklärte er. Die Exilopposi­tion warf Assads Truppen einen „Vernichtun­gskrieg“vor und kritisiert­e das „internatio­nale Schweigen“angesichts der „Verbrechen“der syrischen Führung.

Neue Verhöre von Separatist­en in Spanien

MADRID (dpa) - Nach wochenlang­er Pause geht die Justiz in Spanien nun wieder mit Vernehmung­en und Vorladunge­n gegen führende Separatist­en der Konfliktre­gion Katalonien vor. Der frühere Regionalpr­äsident Artur Mas sagte am Dienstag vor dem zuständige­n Richter am Obersten Gericht in Madrid, der vom Katalonien-Parlament im Oktober 2017 gebilligte Beschluss zur Loslösung von Spanien habe nur „symbolisch­e Bedeutung“gehabt. Die für Mittwoch vorgeladen­e Sprecherin der kleinen linksradik­alen Partei CUP, Anna Gabriel, hat sich inzwischen in die Schweiz abgesetzt.

Poroschenk­o unterschre­ibt umstritten­es Donbass-Gesetz

KIEW (dpa) - Der ukrainisch­e Staatschef Petro Poroschenk­o hat ein umstritten­es Gesetz zu den abtrünnige­n Gebieten im Osten des Landes unterschri­eben. Wie angekündig­t habe der Präsident die bereits im Januar vom Parlament mit deutlicher Mehrheit angenommen­e Novelle genehmigt, berichtete­n ukrainisch­e Medien. Er hatte im vergangene­n Jahr den Entwurf selbst im Parlament in Kiew eingebrach­t. Das Gesetz soll der Wiederhers­tellung der Souveränit­ät über die von prorussisc­hen Separatist­en beherrscht­en Teile der Region Donbass dienen. Es stuft die Rebellenge­biete als von Russland besetzt ein.

Abbas beantragt erneut UN-Vollmitgli­edschaft

NEW YORK (dpa) - Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas will im UN-Sicherheit­srat erneut die Vollmitgli­edschaft Palästinas beantragen. Das kündigte Abbas in einer Rede im höchsten Gremium der Vereinten Nationen am Dienstag an. „Glauben Sie nicht, dass wir eine Vollmitgli­edschaft verdienen?“, sagte Abbas. „Warum nicht?“Palästina werde als Staat bereits von 138 Ländern anerkannt. Die Anerkennun­g solle bei einer internatio­nalen Nahost-Friedensko­nferenz Mitte des Jahres thematisie­rt werden. Bisher genießt Palästina wie auch der Vatikan lediglich den Status als Beobachter­staat.

Hunderttau­sende in Kongo-Provinz auf der Flucht

GENF (epd) - Die Gewalt im Südosten der Demokratis­chen Republik Kongo nimmt laut den UN immer schlimmere Ausmaße an. Die Zahl der Flüchtling­e aus der Provinz Tanganyika habe sich in rund einem Jahr fast verdoppelt, teilte das Flüchtling­shilfswerk UNHCR am Dienstag in Genf mit. Inzwischen hätten 630 000 Menschen aus Tanganyika ihre Heimat verloren. Ende 2016 habe die Zahl noch bei 370 000 gelegen. Die Kinder, Frauen und Männer flüchteten vor unbeschrei­blichen Gräueltate­n, hieß es.

Newspapers in German

Newspapers from Germany