Kontroverse um geplantes Baukindergeld
Eigentümer- und Mietervertreter glauben, Zuschuss würde das Bauen teurer machen
BERLIN (dpa) - Mit 1200 Euro pro Jahr und Kind will der Staat helfen, Häuser und Wohnungen abzuzahlen. So planen es Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag. Wer ein Haus oder eine Wohnung baut oder kauft, soll zehn Jahre lang je Kind und Jahr den Zuschuss erhalten. Das gilt für Haushalte mit einem zu versteuernden Einkommen bis 75 000 Euro zuzüglich 15 000 Euro je Kind. Doch der Geldsegen stößt nicht bei allen auf Gegenliebe.
Mieter- und Eigentümervertreter halten dieses Mittel für ähnlich unwirksam wie die 2005 abgeschaffte Eigenheimzulage. Die Beihilfe werde vermutlich von den Bauunternehmen abgeschöpft, indem sie die Preise entsprechend erhöhen, hieß es vom Verband Haus und Grund und vom Mieterbund. „Das wird eins zu eins auf diese Kosten aufgeschlagen“, sagte Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz. Haus- und Grund-Präsident Kai Warnecke meint: „Die ganz ähnlich konstruierte Eigenheimzulage, die von 1995 bis Ende 2005 gezahlt wurde, sollte ein mahnendes Beispiel sein.“Für die, die ohnehin bauen oder kaufen wollten, wäre das Baukindergeld demnach zwar ein nettes, aber kein notwendiges Plus.
Haus und Grund erklärte, es gebe effektivere Mittel, um den Weg in die eigenen vier Wände zu ebnen, etwa eine geringere Grunderwerbsteuer. „Wir brauchen keine Subventionierung, damit irgendjemand Eigentumswohnungen kauft“, sagte Ropertz vom Mieterbund. „Wir haben ein quantitatives Problem: Uns fehlen Wohnungen, insbesondere preiswerte.“In den Städten und Ballungsräumen fehle dafür der Baugrund.
„Die Entwicklung der Immobilienpreise folgt der Nachfrage auf den Märkten, nicht aber den Baupreisen“, teilte der Zentralverband Deutsches Baugewerbe mit. Der Bundesverband Deutscher Fertigbau sieht im Baukindergeld eine große Chance für Familien speziell mit mittleren Einkommen. „Schließlich ist ein Eigenheim auch eine wichtige Stütze für die sichere Altersvorsorge.“
Der Immobilienausschuss erwartet dagegen steigende Preise durch die Beihilfe und beschreibt eine weitere Gefahr: Ärmere Haushalte, die sich eine Wohnung jetzt nur wegen niedriger Zinsen und des Baukindergeldes leisten könnten, gerieten in Schwierigkeiten, wenn die Zinsen wieder steigen.
Für Mieter in deutschen Städten werden die Wohnkosten nach einer Branchenstudie in den nächsten Jahren nicht mehr so stark steigen wie zuletzt. Mit den hohen Mietzuwächsen 2017 dürfte der seit acht Jahren andauernde Immobilienboom seinen Höhepunkt überschritten haben, heißt es in einem Gutachten des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA). „Die Party ist noch nicht vorbei, es kehrt aber Stabilität ein“, sagte Verbandspräsident Andreas Mattner.
„Die Nachfrage nach Wohnungen wächst derzeit deutlich langsamer als noch vor Kurzem“, heißt es im Gutachten. Es zögen weniger Flüchtlinge und EU-Bürger nach Deutschland, gleichzeitig würden mehr Wohnungen gebaut. Der Mieterbund widersprach: „Die Mietpreisspirale dreht sich weiter und immer schneller“, sagte Bundesdirektor Lukas Siebenkotten. Er sieht keine Anzeichen dafür, dass sich die Lage beruhigt. Anstieg nicht mehr so stark Die Deutsche Bundesbank hatte erst am Dienstag vorgerechnet, dass zwar die Wohnkosten deutschlandweit 2017 nicht mehr so stark stiegen wie zuvor, dass sich aber in den Städten die Preise unvermindert erhöhten – mit einem Plus bei Kaltmieten in Neuverträgen von sieben bis neun Prozent in einem Jahr. Ähnlich war es bei Eigentumswohnungen: Nach dem Gutachten mussten Wohnungskäufer im Bestand im Schnitt 2120 Euro je Quadratmeter ausgeben – 7,9 Prozent mehr als im Vorjahr.
Der „Mietpreiszyklus“nähere sich derweil seinem Ende, heißt es im ZIA-Gutachten. „Wir könnten 2018 an dem Punkt kommen, wo Angebot und Nachfrage ungefähr im Gleichschritt wachsen“, sagte Mitautor Harald Simons, Vorstand des Forschungsinstituts Empirica. In Städten könnten die Preise für Wohnungen in den nächsten vier Jahren kräftig sinken, in Berlin, München und möglicherweise Stuttgart um bis zu 30 Prozent.
Dazu trage auch bei, dass diese Städte für junge Zuzügler zu teuer geworden seien. „Berlin ist vielleicht noch sexy, aber nicht mehr arm. Die jungen Schwärmer meiden diese zu teuer gewordenen Städte und ziehen lieber in andere.“Im Osten profitiere nun vor allem Leipzig, auch Cottbus und Rostock. In Westdeutschland sei es weniger eindeutig, viele in Bayern zögen jetzt in Städte wie Passau, Bamberg, Fürth und Ingolstadt.
Aus Sicht des Mieterbunds bleiben Wohnungen dagegen knapp. „Statt der benötigten 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr sind 2016 nur 278 000 und 2017 etwa 300 000 Wohnungen fertiggestellt worden“, erklärte Siebenkotten. Notwendig seien deshalb mehr Sozialwohnungen und eine schärfere Mietpreisbremse.
Unterdessen droht aus Branchensicht der nächste Engpass auf dem Büromarkt der Ballungsräume. Berlin, München und Stuttgart seien praktisch voll vermietet, Köln und Hamburg nahezu, wie Mattner sagte. „Wir bekommen langsam ein neues Problem. Denn Menschen müssen arbeiten und brauchen dafür die Arbeitsplätze.“Büromieten seien 2017 zum siebten Mal in Folge gestiegen.