Wenn Kunst die Kreativität im Unternehmen beflügelt
Experten beschreiben in einem neuen Buch, wie Kultur zu einem Produktionsfaktor wird
eu sind die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Kunst nicht. Man weiß etwa von alten Fotos aus der Gründerzeit, wie damals die Fabrikdirektoren die holzvertäfelten Wände ihrer Büros mit großen Ölgemälden in breiten Goldrahmen schmückten. Dabei ging es vor allem um Repräsentation. Neu ist auch nicht, dass Unternehmer und Unternehmen Kunst sammeln, aber die Bedeutung dieser Sammeltätigkeit hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zugenommen. Bekannte Sammlerpersönlichkeiten aus der Wirtschaft, wie Reinhold Würth, Frieder Burda oder Siegfried Weishaupt und Friedrich Rentschler, haben ihre Sammlungen auch in eigenen Museen oder Ausstellungsräumen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und leisten damit wichtige Beiträge zum kulturellen Leben im Land. Wichtig fürs Image Beispiele für Unternehmen, die sich als Sammler engagieren, sind der Autobauer Daimler, in kleinerem Maße auch der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) in Ravensburg. Für derartige Sammeltätigkeit gibt es mehrere Motive. Mäzenatentum ist sicher eines davon, aber das wohl wichtigste ist die Imagepflege.
In dem von der Kunsthistorikerin Ulrike Lehmann herausgegebenen und von rund 30 Autoren verfassten Buch „Wirtschaft trifft Kunst“werden auch diese auf das Kunstsammeln beschränkten Beziehungen zwischen Geld und Geist ausführlich beschrieben. Aber weniger deshalb ist dieses Werk außergewöhnlich, sondern vor allem, weil es sich sehr eingehend mit dem Thema „Kunst als strategisches Instrument der Unternehmensführung“beschäftigt. Dies ist in der Tat eine relativ neue Betrachtungsweise, die zweifellos eng mit der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft zusammenhängt, die den Beschäftigten immer mehr Kreativität abverlangt. Kreativität, so ist zu vermuten, wird zu einem neuen und besonders wichtigen Produktionsfaktor. Eine Idee von Beuys Die Idee, wonach Kunst in allen Bereichen eines Unternehmens, vom Personalwesen bis zum Marketing, einen ökonomischen Mehrwert bewirken kann, hat eine ihrer geistigen Wurzeln in der Theorie der „Sozialen Plastik“von Joseph Beuys. Danach steckt in jedem Menschen kreatives Potenzial. Weshalb, wie Beuys es formuliert, auch jeder Mensch ein Künstler ist und durch sein kreatives Handeln zum Wohl der Gesellschaft – oder hier eines Unternehmens – beitragen kann.
Die Autoren des Buches „Wirtschaft trifft Kunst“plädieren dafür, dass die Unternehmen die Wirkungskraft von Kunst und Künstlern nützen und die kreativen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter durch den gezielten Einsatz von Kunst zur Entfaltung bringen sollen. Kunstwerke im Betrieb seien Medien für Inspiration und Emotion, sie regten die Kommunikation an, förderten die Teamarbeit und erleichterten die Integration. Eine besonders Mehrwert stiftende Bedeutung wird Kunstprojekten in den Unternehmen zugeschrieben, die von Künstlern geleitet werden oder an denen Künstler mitwirken. Das können Projekte der bildenden, aber auch der darstellenden Kunst oder der Musik sein. Projekte von und mit Künstlern Herausgeberin Ulrike Lehmann hat für ihr umfangreiches Werk Autoren aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kunst gewinnen können. Alle sind ausgewiesene Fachleute auf ihrem Gebiet. Diese Bandbreite an Sichtweisen gibt dem Buch einen besonderen Reiz, führt aber leider auch dazu, dass es immer wieder inhaltliche Wiederholungen gibt. Ein etwas strengeres Lektorat wäre deshalb wünschenswert gewesen. Ulrike Lehmann (Hrsg.): Wirtschaft trifft Kunst, Springer Gabler Verlag, 580 Seiten, 69,99 Euro.